BaFin

Entlastungen in der Finan­zierung des Mittel­stands

Die Marktaufsicht BaFin hat ihre Praxis bei Bezugsrechtsemissionen verändert. Das hilft kleineren und mittelgroßen kapitalmarktorientierten Unternehmen – und den Aktionären.

Entlastungen in der Finan­zierung des Mittel­stands

Von Norbert Kuhn und

Ingo Wegerich *)

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ihre Praxis mit Blick auf den sogenannten Überbezug bei Bezugsrechtsemissionen bis zu 8 Mill. Euro geändert. Durch den Überbezug können Altaktionäre Aktien kaufen, die von anderen Altaktionären im Rahmen ihres Bezugsrechts nicht erworben werden. Altaktionäre können nun allein auf der Grundlage eines Wertpapier-Informationsblatts zusätzlich zu ihren Bezugsrechten weitere Aktien aus der Kapitalerhöhung zeichnen. Dies ist ein wichtiger Schritt, der die Finanzierung des kapitalmarktorientierten Mittelstands erleichtert.

Nach der bisherigen Verwaltungspraxis der BaFin war im Fall, dass Altaktionäre im Rahmen der Bezugsrechtsemission weitere, über ihr Bezugsrecht hinausgehende Aktien erwerben wollten, ein Prospekt notwendig. Alternativ konnten die Wertpapiere durch ein Wertpapierdienst-leistungsunternehmen (WpDU) im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung unter gleichzeitiger Prüfung von Höchstanlageschwellen vermittelt werden. Diese Anforderungen waren überraschend, da das Prospektrecht für öffentliche Angebote bei Bezugsrechtsemissionen bis zu 8 Mill. Euro eine Ausnahme vorsieht, so dass weder Prospekt noch Vermittlung durch ein WpDU erforderlich sind.

Allerdings hat die BaFin in der Vergangenheit unter anderem mit Bezug auf den Gesetzestext zwischen Bezugsrechtsemission und Überbezug unterschieden, obwohl der Überbezug explizit weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung genannt wird. Fraglich ist bei dieser Sicht-weise, inwiefern die Bezugsrechtsemission von einem Überbezug überhaupt getrennt werden kann. Ganz im Gegenteil ist der Überbezug wesentlicher Bestandteil vieler Bezugsrechtsmissionen gerade im Mittelstand und findet dort regelmäßig im Rahmen von Bezugsrechtsemissionen statt.

Für Unternehmen hat der Überbezug den Vorteil, dass die gesamte oder zumindest ein großer Teil der Emission unter den Altaktionären platziert und damit das gewünschte Kapital eingesammelt werden kann. Löst der Überbezug die Prospektpflicht oder die Pflicht zur Vermittlung durch ein WpDU aus, werden die Unternehmen darauf verzichten. Dies hätte zur Folge, dass eine Bezugsrechtsemission kaum das komplette Volumen von 8 Mill. Euro einwerben könnte.

Altaktionäre, die weitere Aktien kaufen wollen, brauchen auch keinen zusätzlichen Schutz über eine Informationsbereitstellung via Prospekt oder eine Vermittlung durch ein WpDU. Die Altaktionäre, gleich ob sie zusätzliche Aktien im Rahmen ihres Bezugsrechts oder über einen Überbezug erwerben, sind aufgrund bestehender Auskunftsrechte gut informiert. Das sieht auch der Gesetzgeber so, der in der Gesetzesbegründung zur Änderung des Prospektgesetzes mit Blick auf den Schutz der Aktionäre bereits bestehende Auskunftsrechte betont.

Es besteht auch keine Gefahr, dass der Überbezug zu einer Verwässerung der Anteile der Altaktionäre führt. Ganz im Gegenteil: Die Altaktionäre erhalten durch den Überbezug sogar mehr Aktien, als dies durch die bloße Ausübung ihrer Bezugsrechte möglich wäre. Sie können da-mit ihren prozentualen Anteil am Unternehmen sogar ausbauen. Umgekehrt schadet der Überbezug keinem der anderen Altaktionäre, die die Möglichkeit haben, einen Verwässerungseffekt durch Ausübung ihres Bezugsrechts zu vermeiden. Erst wenn Altaktionäre freiwillig auf den Bezug verzichten, können diese Aktien durch einen Überbezug von anderen Altaktionären erworben werden.

Darüber hinaus entstehen bei einer Bezugsrechtsemission oftmals Bruchteilsaktien. Hat der Altaktionär beispielsweise nur neun Aktien und das Bezugsverhältnis beträgt 5:1, wäre er zum Bezug von 1,8 Aktien berechtigt. Bei Kapitalerhöhungen wird regelmäßig auf eine ganze Ak-tienzahl abgerundet. Der Aktionär im Beispiel würde also nur eine neue Aktie bekommen, und ohne Überbezug würde das Bezugsrecht für 0,8 Aktien verfallen. Für Altaktionäre, die gerade für diesen „Abrundungsfall“ ihre prozentualen Anteile an der Gesellschaft konstant halten und einen Verwässerungseffekt vermeiden wollen, ist der Erwerb zusätzlicher Aktien über den Überbezug ein notwendiger Mechanismus. Zugleich ist er unverzichtbar, wenn die gesamte Emission unter den Altaktionären platziert werden soll.

Die Entscheidung der BaFin, den Überbezug prospektfrei zu stellen, hilft Unternehmen und Altaktionären. Sie liegt auch voll im Trend. Der im Dezember 2022 veröffentlichte Entwurf der Europäischen Kommission zu einem EU Listing Act sieht weitere Entlastungen vor. Die Kommission schlägt vor, die derzeit geltende Schwelle für die Prospektfreiheit von 8 auf 12 Mill. Euro zu erhöhen. Zudem soll diese Ausnahme EU-weit verbindlich gelten.

*) Dr. Norbert Kuhn ist stellvertretender Leiter Fachbereich Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung, Deutsches Aktieninstitut, Ingo Wegerich ist Präsident des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter KMU e.V. und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.

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