Gastbeitrag

Ether als Arbeitsentgelt birgt explosives Potential

Das Bundesarbeitsgericht lässt die Vergütung von Beschäftigten durch Kryptozahlungen zu. Aufgrund der starken Preisschwankungen bei Kryptowährungen birgt diese Vergütungsform jedoch erhebliche Risiken.

Ether als Arbeitsentgelt birgt explosives Potential

Bundesarbeitsgericht lässt Vergütung von Beschäftigten durch Kryptozahlungen zu

*) Paul Schreiner ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Zudem leitet er die arbeitsrechtliche Praxis der Sozietät.

Von Paul Schreiner *)

Die Form und Gestaltung des Entgelts von Beschäftigten reflektierte schon immer die Gewohnheiten der Gesellschaft im Zahlungs- und Finanzwesen. Bei Sachbezügen wie Gutscheinen, Kohle oder Bier bestand naturgemäß eine gewisse Unklarheit darüber, welchen Wert sie zum Zeitpunkt ihrer Gewährung haben. Eins hatten solche Sachbezüge zur Entlohnung gemeinsam: Bei allen zur Verfügung gestellten Gütern lag das Risiko von Wertschwankungen allein beim beschaffenden Arbeitgeber. Für Arbeitnehmer wiederum kam es auf den Gebrauchswert an.

Dieses Prinzip ist in heutigen „modern gefassten“ Sachbezügen nicht nur gegenwärtig, sondern hat sich möglicherweise sogar verstärkt. Ein Fall, der kürzlich vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verhandelt wurde, befasste sich mit einem Sachbezug in Form von Ether (ETH) – einer Kryptowährung. Angesichts der starken Volatilität von Kryptowährungen stellt diese Form des Entgelts ein erhebliches Preisrisiko für Arbeitgeber dar, wobei der Gebrauchswert für den Arbeitnehmer nicht unbedingt im Fokus steht.

Streit um Provisionen

Im zugrunde liegenden Fall war die klagende Arbeitnehmerin bei einem Unternehmen im Online-Marketing aus Baden-Württemberg beschäftigt, das selbst mit Kryptowährungen und Blockchain-Plattformen agiert. Neben ihrem Grundgehalt hatte sie auf Basis der monatlichen Geschäftsabschlüsse einen Anspruch auf Provisionen, die in Euro ermittelt und am Ende des Folgemonats zum aktuellen Wechselkurs in ETH geleistet werden sollten. Dem kam die Arbeitgeberin indes zu keinem Zeitpunkt nach. Als das Arbeitsverhältnis endete, zahlte sie die Provisionen nicht in ETH, sondern in Euro aus. Die Klägerin forderte daraufhin noch offene Provisionen in Höhe von 19,194 ETH. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.

Begrenzte Sachbezüge

Das BAG (Urteil vom 16.4.2025 – 10 AZR 80/24) entsprach wiederum der Revision der Arbeitgeberin. Die Entscheidung ist rein arbeitsrechtlich nicht wirklich komplex: Laut BAG habe die Klägerin den geltend gemachten Provisionsanspruch. Die Vorschrift des § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO (Gewerbeordnung) lasse es zu, Sachbezüge als Arbeitsentgelt zu vereinbaren, wenn dies im Interesse des Arbeitnehmers liegt. Um einen solchen Sachbezug handele es sich auch, wenn die Übertragung einer Kryptowährung vereinbart ist. Insoweit besteht kein Unterschied etwa zur Deputatkohle für ehemalige Bergleute oder anderen, früher üblichen Sachbezügen.

Der Wert der vereinbarten Sachbezüge dürfe jedoch laut BAG die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen, ansonsten sei die zugehörige Vereinbarung unwirksam. Der Arbeitnehmer sei anderenfalls gezwungen, den Bezug erst in Euro umzutauschen oder Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Sofern der Sachbezug – wie hier die Einheit ETH – teilbar sei, führe dies aber nur zur teilweisen Nichtigkeit der Vereinbarung. Bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenze habe der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt somit in Geld zu leisten. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung auf Arbeitsentgelt durch Übertragung von Kryptoeinheiten AGB-rechtlich zulässig ist, ließ das BAG offen.

Preis schwankt extrem

Das Urteil bildet die erste Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts zu Kryptowährungen und ihrer Rolle beim Entgelt. Grundlegend enthält es derweil nur die Einordnung, dass diese Sachbezüge darstellen und ein Arbeitsentgelt zumindest bis zur geltenden Pfändungsfreigrenze in Geld ausgezahlt werden muss. Die Bedingung, dass die Leistung in Krypto im (objektiven) Interesse des Arbeitnehmers liegt, wird immer erfüllt sein, wenn dieser eine Vereinbarung hierzu eingeht. Dass der die Existenz sichernde Pfändungsfreibetrag nur in Geld geleistet werden darf, bietet eine ausreichende Absicherung.

In der Sache selbst ist das Urteil unspektakulär: Wer eine Verpflichtung zur Leistung eines Gegenstands eingeht, sollte diesen auch besitzen – sonst muss er ihn am Markt beschaffen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Gegenstand einen hübschen Namen hat und eine Währung darstellt, von der nicht klar ist, wer sie als Zahlungsmittel anerkennt.

Diese Verpflichtung ändert sich ferner nicht dadurch, dass der Preis – wie bei Kryptowährungen – extremen Schwankungen unterliegt. Wer sich entscheidet, eine solche Vergütungsform zu wählen, sollte sich bewusst sein, dass diese bei einer unzureichenden Erfüllung erhebliche Risiken aufweist: Steigt der Kurs, so wird der Arbeitnehmer Erfüllung in Krypto einfordern. Fällt der Kurs, so ist der Weg in den Schadenersatz ein leichter („Hätte mein Arbeitgeber rechtzeitig geleistet, dann hätte ich sofort in Euro konvertiert.“). Es gilt: Obacht in der Vergütungsgestaltung. Beschaffungsrisiken manifestieren sich im Krypto-Bereich in erheblichem Umfang, da der Wert durch die bestehenden regulatorischen Risiken äußerst volatil ist.

Ether als Arbeitsentgelt birgt
explosives Potential

*) Paul Schreiner ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Zudem leitet er die arbeitsrechtliche Praxis der Sozietät.