EU schafft Bürokratiemonster in Sachen Wettbewerbskontrolle

Die Kritik der Wirtschaft an der EU Foreign Subsidies Regulation (FSR) ist nicht zu überhören. Das vor zwei Jahren eingeführte System wird von vielen Beobachtern als Bürokratiemonster und Investitionshemmnis wahrgenommen. Jetzt gibt es Hoffnung auf Verbesserungen.

EU schafft Bürokratiemonster in Sachen Wettbewerbskontrolle

Wettbewerbskontrolle: EU schafft Bürokratiemonster

Kritik der Wirtschaft an der Drittstaatensubventionsverordnung – Hoffnung auf Verbesserungen

Von Ulrich Soltész*)

Seit zwei Jahren gibt es in der EU eine sogenannte Drittstaatensubventionskontrolle. Die Foreign Subsidies Regulation (FSR) gibt der Europäischen Kommission weitreichende neue Befugnisse, um gegen Wettbewerbsverzerrungen vorzugehen, die durch Subventionen aus Nicht-EU-Staaten verursacht werden.

Das neue System bringt viel bürokratischen Aufwand mit sich. Das Instrument gilt vor allem für M&A-Transaktionen, die durch Drittstaaten finanziell unterstützt werden. Diese müssen ab gewissen Schwellenwerten bei der Kommission angemeldet und von ihr genehmigt werden. Zudem müssen Bieter bei der Vergabe großer öffentlicher Aufträge solche Zuwendungen bei der Kommission melden, die sie von Drittstaaten erhalten haben.

Eine aufwändige Angelegenheit

Das gesetzgeberische Motiv für das Regelungswerk ist zwar ehrenhaft: Die FSR soll eine Regelungslücke schließen, die sich daraus ergibt, dass die EU-Mitgliedstaaten den strengen Grenzen des EU-Beihilferechts unterliegen, wenn sie in der EU tätige Unternehmen fördern, während für von Drittstaaten gewährte Subventionen keine vergleichbare Beihilfekontrolle besteht.

Das ganze System kommt aber leider nicht sehr schlank daher. Es wird von einer Umsetzungsverordnung mit ausführlichsten Formblättern begleitet. Die Verletzung der Anmeldepflicht kann mit hohen Bußgeldern geahndet werden. Im Übrigen bestehen die FSR-Pflichten unabhängig von anderen regulatorischen Verfahren, wie z. B. unter der EU-Fusionskontrollverordnung (FKVO) oder der Investitionskontrolle (FDI). Unternehmen müssen also häufig parallele Anmeldungen vorbereiten und zeitgleich Verfahren mit unterschiedlichen Fristen bewältigen.

FSR-Verfahren sind zudem eine langatmige Sache. Sie umfassen ein de facto obligatorisches Pränotifizierungsverfahren von oft mehreren Wochen vor Anmeldung. Hinzu tritt selbst in einfachen Fällen eine Mindestdauer von 25 Arbeitstagen für den offiziellen Teil, ohne Beschleunigungsmöglichkeit.

So war das nicht gedacht

Die erste Erkenntnis war für viele EU-Unternehmen überraschend: Die FSR führt auch zu einer erheblichen Belastung für EU-Player – obwohl diese eigentlich von der FSR geschützt werden sollen. Die Vorschriften zielen zwar primär auf drittstaatliche Subventionen und damit vor allem auf Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten. Allerdings können auch hiesige Unternehmen betroffen sein, wenn sie Zuwendungen aus Drittstaaten bekommen. Denn die Schwellenwerte, die die Anmeldepflicht definieren, liegen niedrig und es werden hierfür alle weltweit erhaltenen Subventionen für die gesamte Unternehmensgruppe zusammengerechnet.

Dieser großflächige Ansatz unterwirft zahlreiche M&A-Transaktionen und Bietverfahren dem neuen System. Das führt in der Praxis zu einem „overreach“. Es gibt zunächst – rein quantitativ – viel mehr Fälle als ursprünglich prognostiziert wurden. Zudem fällt die geografische Stoßrichtung ganz anders aus, als man sich gewünscht hatte. Während sich die FSR vor allem an subventionierte Player aus Asien (insbesondere China) richten sollte, kommt die ganz überwiegende Zahl der Anmeldungen aus Europa und den USA – also nicht im Sinne der Erfinder.

Vor allem die EU-Champions ächzen unter den bürokratischen Bürden des Systems. Die ersten intensiveren Prüfungen unter der FSR waren sehr umfangreich. Sie führten den betroffenen Stakeholdern auch die Komplexität des Systems vor Augen und hatten auch eine potenzielle Abschreckungswirkung für Investoren. Es hat sich somit Ernüchterung breitgemacht.

Zudem sorgen die weitreichenden „Call-in“ Befugnisse der Kommission für Unsicherheit. Hiernach kann die Kommission auch Fälle aufgreifen, die die FSR-Schwellen nicht erreichen. Dazu reicht bereits ein Verdacht auf Drittstaatensubventionen mit einem gewissen „EU-impact“ aus. Da fast jede größere Transaktion unter Beteiligung eines Drittstaatenunternehmens dieses Kriterium erfüllt, besteht oft eine latente Unsicherheit, dass die Kommission einen Fall an sich zieht.   

Die Kommission arbeitet jetzt an einer Generalüberholung des Systems. Sie hat im Sommer zwei Konsultationsverfahren eingeleitet, die für die Praxistauglichkeit der FSR von erheblicher Bedeutung sind. Dies ist zum einen die Vorbereitung ausführlicher Leitlinien – gewissermaßen das Begleitmaterial oder die Bedienungsanleitung zur FSR – sowie ein umfassender Review der FSR selbst.

Entwurf der neuen Leitlinien

Mit den neuen Leitlinien zur FSR sollen vor allem der Begriff der Wettbewerbsverzerrung und die Abwägungsprüfung präzisiert werden. Diese Begriffe stehen im Zentrum der Beurteilung, wenn die Kommission einen Fall untersucht. Trotz ihrer Ausführlichkeit und dem ersichtlichen Bemühen der Kommission, den betroffenen Unternehmen etwas an die Hand zu geben, bleiben diese Themen allerdings schwierig und sehr rechtsunsicher.

Vor allem bei der Frage der Wettbewerbsverzerrung – eine Grundvoraussetzung für die materielle Anwendung der FSR – favorisiert die Kommission eine weite Auslegung. Aufgrund der Kriterien der geplanten Leitlinien wird sich in der Realität eine Subvention nur selten ausschließen lassen. Nach der Logik des Entwurfs gibt es kaum staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nicht zu einer möglichen Wettbewerbsverzerrung in der EU führen können – und sei es nur durch eine Quersubventionierung innerhalb der begünstigten Unternehmen.

Im nächsten Schritt schreibt die FSR eine Abwägungsprüfung vor, bei der „positive Auswirkungen auf die Entwicklung der betreffenden subventionierten wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Binnenmarkt“ eingestellt werden können, z.B. die Behebung eines Marktversagens sowie Beiträge zur Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der EU-Wirtschaft. Schön aus Sicht der Nicht-EU-Unternehmen ist, dass die positiven Auswirkungen auch außerhalb der EU eintreten können, wie durch die Unterstützung hoher Umweltstandards (Klimaschutzmaßnahmen in Drittland, Schutz der biologischen Vielfalt), die Wahrung der Menschenrechte oder die Förderung von F&E, die zu innovativeren Produkten oder Technologien in der EU führen. Diese positiven Wirkungen müssen gegenüber den wettbewerbsverzerrenden Wirkungen abgewogen werden. Das Papier stellt auch klar, dass die Beweislast für das „balancing“ bei den Anmeldern liegt und die Latte hier hoch ist. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass der Ausgang dieses Abwägungsvorganges mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Bei der Planung einer Transaktion ist dies wenig hilfreich.

Ähnliches gilt für die Ausführungen im Entwurf zu den weitreichenden „Call-in“ Befugnissen. Diese werden von vielen Beobachtern als verpasste Chance wahrgenommen. Die neuen Leitlinien beschreiben lediglich ein Bündel von möglichen Faktoren, die die Kommission im Rahmen ihres Aufgreifermessens berücksichtigen will (Sektor, Wertschöpfungskette, strategische Bedeutung, wirtschaftliche Präsenz, etc.). Das sind alles Selbstverständlichkeiten. Damit erhält sich die Kommission maximale Freiheit zum Eingriff, was für die betroffenen Unternehmen in punkto Planungssicherheit nur wenig beruhigend ist.

Generalüberholung der FSR?

Dies führt gleich weiter zum Thema der zweiten Konsultation: die Revision der FSR selbst. Hier identifiziert die Kommission als potenzielle Problemfelder der FSR-Systemarchitektur dieselben Themen wie der Entwurf der Leitlinien, nämlich die Frage der Wettbewerbsverzerrung und die Abwägungsprüfung. Kritisch sieht man wohl auch den „Grad der Komplexität der Vorschriften und die den Unternehmen entstehenden Kosten“.

Die Probleme sind also zutreffend erkannt. Es bleibt zu hoffen, dass der EU-Gesetzgeber diese Chance nutzt. Zwar ist die Revision einer Verordnung aufwändig und langwierig. Die von der Praxis beklagten Probleme der FSR lassen sich jedoch nicht durch minimalinvasive Leitlinien lösen. Um das System nachhaltig zu verbessern, müsste die Verordnung durch die Gesetzgebungsorgane der Union reformiert werden, d.h. mit einer Entschlackung und Vereinfachung sowie einem Zurückschneiden des Anwendungsbereichs.

*) Dr. Ulrich Soltész ist Partner bei Gleiss Lutz in Brüssel.

*) Dr. Ulrich Soltész ist Partner bei Gleiss Lutz in Brüssel