Gewerbeimmobilien mit wirtschaftlicher Schlagseite: Was tun?
Gewerbeimmobilien mit wirtschaftlicher Schlagseite: Was tun?
Gewerbeimmobilien mit wirtschaftlicher Schlagseite
Vielseitiges Instrumentarium für Sanierungen – Treuhandlösungen und Zwangsverwaltung eröffnen Möglichkeiten für Banken
Von Ludwig J. Weber
und Rüdiger Bauch*)
*) Dr. Ludwig J. Weber, LL.M., und Rüdiger Bauch sind Partner der Kanzlei Schultze & Braun.
Graue Wolken überziehen die Immobilienlandschaft in Deutschland, und es sieht nach Regenzeit aus. Denn trotz Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung, Verkehrsfragen, neuen Modellen für die Städte der Zukunft und vielem mehr droht Arges: So geraten immer mehr Gewerbeimmobilien in Zeiten der kriselnden Wirtschaft in Bedrängnis und haben – finanziell gesprochen – Wasser im Keller. Banken haben dies erkannt und auch unabhängig von der in wenigen Tagen startenden Immobilienmesse Expo Real auf die Agenda gesetzt. Umso wichtiger ist, sich dem Thema zu widmen und Lösungsansätze zu skizzieren, mit denen Krisen gegebenenfalls sogar zu Chancen auf eine Neuausrichtung werden können.
Ansätze dazu gibt es: Ein vielseitiges Instrumentarium erlaubt, mit wirtschaftlich angeschlagenen Gewerbeimmobilien umzugehen. Zwei zentrale Werkzeuge sind die doppelseitige Treuhand sowie die Zwangsverwaltung. Dabei gilt allerdings: Eine alleinig richtige und allgemeingültige Strategie gibt es nicht. Stattdessen sollte immer individuell bedacht werden, welche Modalität konkret greift und wie die Situation am besten gehandhabt wird. Dieser Einschub sei erlaubt, aber: Was ist eigentlich das Problem?
Fast fünf Jahre Krise
Wann genau der Druck auf Gewerbeimmobilien angezogen hat, ist weder einfach noch klar datierbar. Ein wichtiger Faktor ist jedoch mit Sicherheit die Corona-Krise, die Anfang 2020 mit den ersten Corona-Fällen in Deutschland begann. Der erste Lockdown folgte bereits im März 2020 und bis zur Beendigung der Maßnahmen der Bundesregierung rund 40 Monate später mussten Unternehmen im ganzen Land erhebliche wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmen. Der Trend weg vom „Brick and Mortar“-Business hin zu Onlineshopping und Homeoffice verstärkten den Druck auf Gewerbeimmobilien weiter. In diese Zeit fiel auch das Ende der „Nullzinspolitik“ – die Ära praktisch kostenlosen Fremdkapitals war vorbei.
Eine Konsequenz daraus: ein wirtschaftliches Tiefdruckgebiet mit einem deutlich gestiegenen Risiko für Kreditausfälle. Die Ergebnisse des NPL-Barometers der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS) und der Frankfurt School of Finance & Management bestätigen das: Wie bei Insolvenzen dürfte sich bei notleidenden Krediten der Anstieg sogar fortsetzen. Das gilt für alle Assetklassen, allen voran aber bei Konsumentenkrediten, kleinen und mittleren Unternehmen sowie eben auch Gewerbeimmobilien.
Interessensausgleich
Ein effektives Instrument, um Gewerbeimmobilien mit wirtschaftlicher Schlagseite wieder zur Balance zu verhelfen, ist die doppelseitige Treuhand. Die Treuhand sorgt im Kern für einen Interessenausgleich: Ein neutraler Dritter ergänzt die bisherigen Parteien und stellt eine Balance zwischen deren mitunter gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen her. Auf diese Weise kann er Bewegung in schwierige oder sogar verfahrene Gemengelagen bringen, bei denen viel Vertrauen verloren gegangen ist. Das stellt eine sach- und interessengerechte Zusammenarbeit sicher. Aber damit nicht genug.
Durch die Treuhand müssen Finanzierer nicht selbst Gesellschafter einer Immobiliengesellschaft werden und übernehmen entsprechend auch keine Anteile. Auch am Treuhandvertrag sind die Finanzierer lediglich im Rahmen der Drittbegünstigung beteiligt. Damit sind sie also keine Vertragspartei. Des Weiteren haben Banken Einfluss auf die Auswahl des Treuhänders. Schließlich werden sich die Finanzierer bei einer erfolgreichen Sanierung im Rahmen einer Treuhand im Zweifel wirtschaftlich besserstellen, als bei einem öffentlichkeitswirksamen Insolvenzverfahren. Den Immobilieneigentümern oder Gesellschaftern einer Immobiliengesellschaft eröffnet die Treuhand wiederum die Möglichkeit, diskret ins finanzielle Gleichgewicht zurückzufinden, verlorenes Vertrauen zu erneuern und die geschaffenen Werte der Immobiliengesellschaft zu erhalten.
Wirtschaftliche Interessen koordinieren
Wichtigstes Entscheidungskriterium ist die Frage, inwieweit die wirtschaftlichen Interessen von Finanzierern und Eigentümern bzw. deren Gesellschaftern übereinander gebracht werden können – und sollten. Ein Treuhänder kann etwa Gesellschaftsanteile an einer Immobiliengesellschaft als Sicherheit für Sanierungsbeiträge der Finanzierer übernehmen und bei Eintritt bestimmter Umstände verwerten, ganz im Sinne der im Vorfeld getätigten Verhandlungen. So entsteht für die Finanzierer die begründete Erwartung eines Gegenwerts für das eingesetzte Kapital. Für die Gesellschafter einer Immobiliengesellschaft bedeutet dies, dass sie ihre Gesellschaftsanteile bei einer erfolgreichen Sanierung zurückerhalten.
Die Einsatzmöglichkeiten einer Treuhand sind dabei über den Immobilienbereich hinaus vielfältig – etwa, wenn ein Unternehmen in eine Produkt- oder Absatzkrise gerät oder die Finanzierer zögern, frisches Geld bereitzustellen oder Sanierungsbeiträge wie etwa die Aussetzung von Zins und Tilgung zu bewilligen. Bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder sonstigen Stakeholdern kann eine doppelseitige Treuhand ebenfalls eine Option für einen sachgerechten und werteorientierten Lösungsansatz sein.
Ausfallrisiken minimieren
Eine andere Möglichkeit für gesicherte Gläubiger, ihr Ausfallrisiko zu minimieren, ist die Zwangsverwaltung. Sie ermächtigt nach Antrag beim Amtsgericht einen Zwangsverwalter, Erträge wie Mieten oder Pachten einzuziehen und für die Gläubiger zu sichern. Das kann etwa dann angebracht sein, wenn der Eigentümer einer Immobilie sie nicht mehr bewirtschaften kann. Wichtig dabei ist, dass die Zwangsverwaltung nicht nur im Falle einer eingetretenen oder drohenden Insolvenz zum Einsatz kommen kann, sondern auch als Alternative zu einem Insolvenzverfahren. Das macht sie zu einem flexibleren und subtileren Werkzeug, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
So hat eine Zwangsverwaltung, die als Einzelvollstreckung auf die Befriedigung von Gläubigerforderungen fokussiert ist, auch Bestand, wenn später ein Insolvenzantrag gegen den Eigentümer oder die Besitzgesellschaft gestellt wird. Das heißt, dass eine Bank auf diese Weise ihre Forderungen etwa an den Mieten einer Immobilie gegenüber anderen Gläubigern durchsetzen kann. Das gilt auch, wenn diese Gläubiger etwa die Mieten pfänden wollen. Zudem sind Mieten, die im Zuge einer Zwangsverwaltung eingezogen werden, vor einer Insolvenzanfechtung in der Insolvenz des Eigentümers oder Vermieters geschützt. Der Gläubiger kann sich also in der Regel sicher sein, die eingezogenen Überschüsse behalten zu können.
Fixpunkt Kostenfrage
Die zentrale Frage, die sich Zwangsverwalter in Bezug auf die ihnen anvertraute Immobilie stellen müssen, ist die nach den Kosten. Können die laufenden Kosten und Verbindlichkeiten aus den Mieten gedeckt werden? Wenn ja, gut. Aber wenn nicht, muss gehandelt werden. Nach einer umfassenden Bestandsaufnahme und Prüfung der technischen Infrastruktur und gegebenenfalls notwendigen Reparaturen geht es im Sinne der gesicherten Gläubiger darum, beispielsweise neue, bonitätsstarke Mieter zu gewinnen oder sich von Mietern zu trennen, die zu wenig zur Gesundung der Immobilie beitragen können. Ein mitunter kompliziertes Unterfangen – und eines, das ein enges Einvernehmen mit den gesicherten Gläubigern voraussetzt, um Chancen auf Erfolg zu haben.
Am Ende gilt: Ob doppelseitige Treuhand oder Zwangsverwaltung – entscheidend ist ein gezieltes Handeln, das sich an der individuellen Situation orientiert. Bei der wirtschaftlichen Sanierung von Gewerbeimmobilien steht eine Vielzahl an Werkzeugen zur Verfügung. Diese müssen sorgfältig ausgewählt und eingesetzt werden, damit die Gesundung des Objekts gelingen kann. Für Banken bedeutet dies, dass es kein allgemeingültiges Patentrezept gibt. Doch mit einer durchdachten Strategie, fundierter Expertise und der richtigen Unterstützung bestehen oft gute Chancen, dass sich der wirtschaftliche Horizont wieder aufhellt.