GastbeitragMindestbesteuerung

Mindeststeuergesetz ändert Spielregeln

Das Thema Mindestbesteuerung ist ein „Dauerbrenner“ und stets höchst aktuell. Das sieht man zum einen an den aktuellen Diskussionen im US Department of The Treasury dazu, ob US-Gesellschaften aus dem Pillar II Regime ausgenommen werden sollten. Aber auch auf nationaler Ebene ist man nicht untätig; so ist etwa ein Mindestbesteuerungsanpassungsgesetz in Diskussion, das wohl noch dieses Jahr verabschiedet werden soll.

Mindeststeuergesetz ändert Spielregeln

Mindeststeuergesetz ändert Spielregeln

M&A-Transaktionen im Fokus – Neue Steuerrisiken und komplexe Fragestellungen für Unternehmensfusionen und -übernahmen

Durch das deutsche Mindeststeuergesetz (MinStG), welches die Initiative der OECD zur globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen (Pillar II) umsetzt, haben sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für große internationale Unternehmensgruppen erheblich verändert – auch im Hinblick auf M&A-Transaktionen. Besonders bei Transaktionen in Form von Share Deals (Veräußerung von Geschäftsanteilen eines Unternehmens) werfen die neuen Regelungen vielfältige steuerliche Fragen auf, die sich auf alle Transaktionsphasen beziehen.

Neue Basis der Steuerberechnung

Die globale Mindestbesteuerung soll sicherstellen, dass große und international tätige Unternehmensgruppen einer effektiven Steuerbelastung von mindestens 15 % unterliegen. Ihr Anwendungsbereich umfasst Gruppen mit einem Konzernumsatz von mindestens 750 Mill.  Euro in zwei der letzten vier Geschäftsjahre. Ein zentrales Merkmal ist die neue Basis der Steuerberechnung von der Steuerbilanz hin zur Konzernrechnungslegung. Dadurch wirken sich nachträglicher Steueraufwand und Steuererstattungen nicht mehr rückwirkend auf das Jahr aus, in dem sie wirtschaftlich verursacht wurden, sondern auf das Jahr der bilanziellen Erfassung. Diese neue Basis beeinflusst die Risikoverteilung in Unternehmenskaufverträgen, insbesondere bei Share Deals, bei denen steuerliche Auswirkungen oft erst nach dem Vollzug der Transaktion sichtbar werden.

Da sich die zugrundeliegenden OECD-Regelungen regelmäßig ändern, ist eine sorgfältige Beobachtung der Entwicklungen auch im M&A-Bereich erforderlich. So setzt der aktuelle Entwurf des Mindeststeueranpassungsgesetzes mehrere neue OECD-Verwaltungslinien um.

Darüber hinaus bestehen erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des Umgangs mit der Mindeststeuer. Eine wichtige Entwicklung in diesem Zusammenhang ist das Vorabentscheidungsverfahren des belgischen Verfassungsgerichtshofs beim Europäischen Gerichtshof, in dem EU-rechtliche Zweifel an der Sekundärergänzungsteuer geäußert werden.

Neben verfassungsrechtlichen Aspekten stehen unionsrechtliche Grundfreiheiten, die EU-Grundrechtecharta, die Europäische Menschenrechtskonvention sowie der Grundsatz der Rechtssicherheit im Fokus. Die Entscheidung des EuGH könnte die Umsetzung der Mindestbesteuerung in allen EU-Staaten erheblich beeinflussen. Unternehmen im potenziellen Anwendungsbereich von Pillar II sollten die Entwicklung verfolgen und die zusammenhängenden Risiken sorgfältig prüfen.

Side-by-side-Ansatz

Auch hinsichtlich Mindeststeuergruppen mit US-amerikanischen Gesellschaften, und damit auch M&A-Transaktionen mit US-amerikanischem Bezug, bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Nach einer Einigung zwischen den USA und den übrigen G7-Staaten wurde die Einführung einer „Vergeltungssteuer“ durch die USA verworfen. Stattdessen veröffentlichten die G7-Staaten im Sommer 2025 eine Erklärung, wonach die globalen Mindeststeuerregelungen und das US-Steuerrecht künftig parallel bestehen sollen (side-by-side-Ansatz). US-Muttergesellschaften, deren Einkünfte der US-Mindestbesteuerung unterliegen, sollen vollständig von der Anwendung der Primär- und Sekundärergänzungssteuer ausgenommen werden.

Ein konkreter Zeitplan für die Ausarbeitung des side-by-side-Ansatzes liegt noch nicht vor. Je nach Ausgestaltung werden sich Folgefragen ergeben, die das Zusammenspiel zwischen Mindeststeuer und nationalen Steuersystemen betreffen.

Vor dem Hintergrund der unklaren Zukunft haben die Finanzminister von Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen Anfang Oktober 2025 die Aussetzung der Mindeststeuer gefordert, bis eine internationale Lösung erfolgt. Neben aktuellen Themen sind damit auch zukünftige Entwicklungen bei M&A-Transaktionen zu beachten.

Schwierigkeit bei Tax Due Diligence

Mit der Mindestbesteuerung erweitert sich der Umfang der Tax Due Diligence. Diese dient traditionell dazu, steuerliche Risiken der Zielgesellschaften aus der Vergangenheit zu identifizieren. Mit Blick auf Pillar II muss nunmehr geprüft werden, ob Zielgesellschaften bereits der Mindestbesteuerung unterlagen und welche Steuerrisiken sich daraus ergeben. Risiken sind dabei vor dem Hintergrund der komplexen Pillar-II-Regelungen nicht auszuschließen. Zudem kann eine Prüfung in vielen Jurisdiktionen notwendig und damit umfangreich sein. Die uneinheitliche Umsetzung der Regelungen erhöht die Schwierigkeit und den Umfang der Tax Due Diligence weiter.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass häufig viele Informationen zur Mindeststeuer nicht im direkten Zugriff der Zielgesellschaften liegen, insbesondere bei Private-Equity-Verkäufern. Die Käuferseite benötigt jedoch bestimmte Informationen zur Risikoeinschätzung, vornehmlich bei Abschluss einer sog. Warranty & Indemnity-Versicherung (W&I).

W&I-Versicherungen für Pillar-II-Risiken sind möglich, allerdings im Markt noch nicht weit verbreitet. Alternativ können identifizierte Risiken mit einer speziellen Steuerversicherung abgesichert werden. Ein Kompromiss aus dem dargestellten Interessenkonflikt könnte eine vom Verkäufer durchgeführte Due Diligence sein, die auf die Mindestbesteuerung ausgerichtet ist. Sofern die Ergebnisse den Versicherern zur Verfügung gestellt werden, ist darauf zu achten, dass vertrauliche Informationen zu Konzerngesellschaften des Verkäufers innerhalb der Mindeststeuergruppe, aber außerhalb des Transaktionsperimeters nur begrenzt gegenüber der Käuferseite offengelegt werden. Zur Absicherung des Käufers kann auch die Aufnahme relevanter Freistellungen oder Garantien im Unternehmenskaufvertrag in Betracht kommen.

Vertragsgestaltung bei Share Deals

Die Mindestbesteuerung erhöht erheblich die Komplexität von M&A-Transaktionen und beeinflusst die Vertragsgestaltung. Steuerliche Regelungen in Unternehmenskaufverträgen müssen angepasst werden, um neue Risiken und Mechanismen abzubilden.

Die Steuerdefinition sollte erweitert werden und insbesondere Mindeststeuerkomponenten, Ausgleichsansprüche und Steuererhöhungsbeträge nach dem MinStG erfassen. Dies sollte auch Ausgleichspflichten nach § 3 Abs. 6 MinStG beinhalten. Nach § 3 Abs. 6 MinStG bzw. vergleichbaren Regelungen in anderen Jurisdiktionen übernimmt der Käufer mit dem Erwerb einer Zielgesellschaft nicht nur deren Steuerpflichten, sondern muss ggf. auch für Steuerzahlungen anderer Konzerngesellschaften des Verkäufers innerhalb der Mindeststeuergruppe einstehen – selbst wenn diese außerhalb des Transaktionsperimeters liegen. Ohne vertragliche Regelung kann dies zu ungleicher Risikoverteilung führen. Dies sollte durch die Aufnahme eben genannter gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten erfasst werden. Dadurch unterfallen auch gruppeninterne Ausgleichszahlungen der Steuerklausel im Kaufvertrag.

Bei Share Deals kommen im Unternehmenskaufvertag standardmäßig Closing Accounts- oder Locked-Box-Kaufpreismechanismen zum Einsatz. Maßgeblich für die Mindestbesteuerung ist, wann die Zielgesellschaften aus dem Konsolidierungskreis der Verkäufergruppe ausscheiden, meist also erst mit dem Vollzug. Bei Locked-Box-Transaktionen entstehen steuerliche Risiken zwischen Bilanzstichtag und Vollzug, die dem Käufer zugeordnet werden, rechtlich aber noch beim Verkäufer liegen. Eine sog. Reverse Indemnity kann den Käufer verpflichten, etwaige Mindeststeuerzahlungen für diesen Zeitraum zu übernehmen. Umgekehrt sollte geregelt werden, dass Vorteile, die dem Verkäufer entstehen, an den Käufer weitergegeben werden.

Da steuerliche Effekte oft erst Jahre nach dem Vollzug realisiert werden, sind vertragliche Mechanismen erforderlich – etwa gestaffelte Fälligkeiten, Anpassung von Freistellungsansprüchen oder die Einschaltung eines neutralen Prüfers zur Adressierung der genannten Informationsdefizite. Informations-, Mitwirkungs- und Weisungsrechte sollten ausdrücklich geregelt werden, auch für Konzerngesellschaften des Verkäufers außerhalb der Zielperimeters.

Risiken minimieren

Die globale Mindestbesteuerung bringt neue Steuerrisiken und komplexe Fragestellungen für M&A-Transaktionen mit sich. Eine frühzeitige Einbindung steuerlicher Expertise und maßgeschneiderte Vertragsgestaltung sind entscheidend, um Risiken zu minimieren und rechtssicher zu agieren.

*) Dr. Max Alles ist Counsel im Bereich Corporate/M&A im Münchener Büro von Clifford Chance.
Olaf Mertgen ist Partner und Christian Klein ist Senior Associate in der Praxisgruppe Steuerrecht im Frankfurter Büro von Clifford Chance.

*) Dr. Max Alles ist Counsel im Münchener Büro von Clifford Chance.Olaf Mertgen ist Partner und Christian Klein sind Senior Associates im Frankfurter Büro von Clifford Chance.

Von Max Alles, Olaf Mertgen
und Christian Klein *)