Industriepolitischen Meilenstein: Wie der STIP Investitionen, Marktmechanismen und Reg...
Industriepolitischen Meilenstein: Wie der STIP Investitionen, Marktmechanismen und Reg...
Nachhaltige Flugkraftstoffe: Wie Europa Investitionen und Regulierung neu gestaltet
Förderung für e-SAF – Neue Dynamik für Industrie, Investoren und Infrastrukturpolitik
Von Dirk Janssen *)
Von Dirk Janssen *)
Die Europäische Kommission setzt mit dem Sustainable Transport Investment Plan (STIP) einen industriepolitischen Meilenstein: Electro Fuels (e-Fuels) sollen aus der Nische herausgeführt und als strategischer Bestandteil der europäischen Luftfahrt-, Schiffahrt- und Energiepolitik etabliert werden. Mit einem Investitionsvolumen von rund 2,9 Mrd. Euro bis 2027 schafft der STIP erstmals einen Rahmen, der technologische und wirtschaftliche Tragfähigkeit adressiert – und damit die Grundlage für einen skalierbaren Markt legt.
Gerade für den Bereich Electro-Sustainable Aviation Fuels (e-SAF) entsteht für Investoren und Projektentwickler eine neue Ausgangslage. Politische Unterstützung und regulatorische Leitplanken werden sichtbarer. Neben direkten Investitionshilfen geht der STIP das Problem an, dass die Interessenlagen der Angebots- und Nachfrageseite oftmals diametral auseinanderliegen. Projekte mit hohen Investitionskosten brauchen verlässliche und langfristige Abnahmeverträge – ohne sie bleibt die Bankability eingeschränkt und verzögert selbst förderfähige Vorhaben. Für die Abnahmeseite dagegen ist Flexibilität und Preissicherung essenziell. Daher werden hier in der Regel kurzfristige Offtake-Agreements verlangt.
Um diesen Zielkonflikt zu lösen, führt der STIP ein doppelseitiges Auktionsverfahren ein, das Produzenten und Abnehmer zusammenbringt. Anders als klassische Fördermodelle setzt es auf eine simultane Preisfindung: Hersteller geben Mindestpreisgebote ab, Abnehmer Höchstpreise. Die Auktion ermittelt einen Clearing-Preis, der für beide bindend ist. Damit das Modell funktioniert, wird ein Intermediär als zentrale Abwicklungsinstanz zwischengeschaltet. Er garantiert die Differenz zwischen Clearing-Preis und den Geboten. Liegt der Preis über dem Höchstgebot des Abnehmers oder unter dem Mindestpreis des Produzenten, erfolgt eine Kompensation. So entsteht Planungssicherheit, ohne volles Preisrisiko für Marktakteure.
Die Finanzierung erfolgt aus öffentlichen Mitteln im Rahmen des STIP oder ergänzender Programme. Zusätzlich wird diskutiert, Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem (ETS) als Finanzierungsquelle zu nutzen, um CO2-Bepreisung direkt mit Luftfahrt-Dekarbonisierung zu verknüpfen. Denkbar sind auch „Contracts for Difference“, aus EU-Budget oder zweckgebundene Abgaben. Für Investoren ist dies ein wichtiger Schritt, da die Bankability von Projekten von verlässlichen, langfristigen Kompensationsmechanismen abhängt. Für den europäischen e-SAF-Sektor ist dies ein strategisches Instrument, um den Hochlauf zu beschleunigen und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Regionen mit aggressiveren Förderregimen zu sichern.
Komplexe Infrastruktur
Die rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen werden dadurch aber nicht völlig eliminiert. Entscheidend ist die korrekte rechtliche Umsetzung der Mechanismen, ebenso praktikable Auktionslösungen zur Entlastung von Produzenten und Abnehmer. Hinzu kommt die komplexe Infrastruktur: e-SAF erfordert erneuerbaren Strom, CO2-Quellen, Wasserstoff sowie Transport- und Lagerketten. Diese Verzahnung wirft technische und regulatorische Fragen auf – von Genehmigungen bis hin zu Netzzugang –, die für Finanzierer entscheidend sind. Daher gewinnt die Kapitalmarktseite an Bedeutung: Investoren erwarten klare regulatorische Signale, um Risiken kalkulierbar zu machen. Unklare Vorgaben zu Förderbedingungen oder Zertifizierungspflichten können komplexe Finanzierungen verzögern. Auch die Kombination europäischer und nationaler Förderinstrumente ist für die Vertragsgestaltung zentral und entscheidet über die langfristige Tragfähigkeit von Projekten.
Der STIP ist mehr als ein Förderprogramm. Er ist Teil einer industriepolitischen Strategie, um technologische Abhängigkeiten zu reduzieren und Wertschöpfung in Europa zu sichern. Gelingt der Aufbau eines wettbewerbsfähigen e-SAF-Marktes, könnte die EU eine eigenständige Rolle entwickeln. Bleibt der Hochlauf aus, droht ein Nachteil gegenüber Regionen wie den USA, die mit dem Inflation Reduction Act aggressive Anreize setzen, mit langfristigen Kostenunterschieden für den europäischen Luftverkehr.
Für Investoren, Industrieakteure und Finanzierungsinstitute heißt das: Standortentscheidungen, Versorgungsketten und Vertragsmodelle müssen eng an den politischen Fahrplan gekoppelt werden. Entscheidend wird sein, wie sich Regulierung, Förderinstrumente und Marktmechanismen verbinden, um Projekte bankfähig zu gestalten – insbesondere bei Offtake-Modellen, der Nutzung von Förderprogrammen und der Absicherung von Preis- und Mengenrisiken.
Der STIP schafft keinen sofort funktionsfähigen Markt, legt aber die Grundlage. Maßgeblich wird sein, wie schnell politische Absichtserklärungen in verbindliche Instrumente übersetzt werden. Der Erfolg hängt davon ab, ob regulatorischer Rahmen, Infrastruktur und Kapitalmarktmechanismen rechtzeitig ineinandergreifen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Europa eine eigenständige Rolle bei nachhaltigen Flugkraftstoffen entwickeln kann oder im globalen Wettbewerb auf die Nachfrageseite gedrängt wird.
*) Dr. Dirk Janssen ist Corporate/Private Equity Partner bei Watson Farley & Williams LLP
