Kardinalpflichtverletzung gefährdet D&O-Versicherungsschutz
Kardinalpflichtverletzung gefährdet D&O-Versicherungsschutz
Kardinalpflichtverletzung gefährdet
D&O-Versicherungsschutz
Von Kilian Eßwein*)
Die persönliche Haftung von Managern ist im deutschen Recht seit jeher ein scharfes Schwert. In der Praxis blieb sie aber lange oft folgenlos. Spätestens seit der vielzitierten BGH-Entscheidung ARAG/Garmenbeck steht jedoch fest: Unternehmen müssen Hinweisen auf Pflichtverletzungen durch ihre Vorstände und Geschäftsführer grundsätzlich nachgehen.
Besonders risikobehaftet für Manager ist die Phase im Vorfeld einer Insolvenz. Im Falle einer Haftung nach einer Insolvenz drohen oftmals auch Probleme mit der D&O-Versicherung, die heute zur vernünftigen Absicherung der Geschäftsleitung gegen existenzbedrohende Risiken zählt.
Zwei jüngere Entscheidungen des OLG Frankfurt a.M. vom 5.3.2025 (Az. 7 U 134/23 – Revision eingelegt BGH IV ZR 66/25) sowie vom 8.5.2025 (Az. 3 U 113/22) verdeutlichen, wie schnell bei einer Unternehmensinsolvenz der Versicherungsschutz im Feuer stehen kann.
Wissentlichkeitsausschluss
Im Kern ging es um die Frage, ob ein Versicherer leistungsfrei wird, wenn er sich im Deckungsprozess auf den sogenannten Wissentlichkeitsausschluss beruft. Diese Klausel ist in nahezu allen D&O-Policen enthalten und schließt Versicherungsschutz für vorsätzliche Pflichtverletzungen aus. Strittig ist jedoch regelmäßig, wann eine Pflichtverletzung als „wissentlich“ gilt und wie hoch die Schwelle für den Leistungsausschluss im Einzelfall liegt.
Im Deckungsprozess, der vom eigentlichen Haftungsprozess zu trennen ist, steht allein die Frage im Raum, ob die Versicherung leisten muss. Die Haftungsfrage – also ob ein Manager tatsächlich eine Pflicht verletzt hat – wird in einem separaten Verfahren geprüft. Allerdings können Feststellungen aus dem Haftungsprozess auch für den Deckungsprozess relevant sein. Und es gibt aufgrund der mittlerweile anerkannten Abtretungslösung Situationen, in denen beide Prozesse „in einem“ geführt werden müssen. So war es in einem der beiden vom OLG entschiedenen Fälle.
Schwer zu widerlegen
Für die Voraussetzungen des Wissentlichkeitsausschlusses trägt im Deckungsprozess der Versicherer die Beweislast. In der Praxis ist dieser Nachweis jedoch schwer zu führen, zumal eine innere Tatsache wie „Wissentlichkeit“ schwer zu beweisen ist. Die Rechtsprechung erkennt aber an, dass aus der Verletzung sogenannter Kardinalpflichten auf ein vorsätzliches Verhalten geschlossen werden kann.
Insoweit haben die Richter in Frankfurt in beiden Entscheidungen betont, dass hierzu drei zentrale Pflichten von Vorständen, Geschäftsführern, Aufsichtsräten oder leitenden Angestellten gehören: keine ungerechtfertigten Vermögensvorteile aus dem Unternehmensvermögen für sich selbst oder Dritte zu gewähren, das Gesellschaftsvermögen ausschließlich für betriebliche Zwecke zu verwenden sowie bei Insolvenzreife rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 S. 1 InsO). Diese Pflichten sind aus Sicht des OLG eng miteinander verknüpft, da sie alle dem einheitlichen Zweck dienen, das Vermögen des Unternehmens zu sichern und die Gläubigerinteressen zu schützen.
Für den Versicherungsschutz hat diese einheitliche Sichtweise der Gerichte eine äußerst gravierende Folge: Verstößt ein Geschäftsführer gegen eine dieser Pflichten, kann dies als Indiz für die wissentliche Verletzung auch anderer Kardinalpflichten gewertet werden. Dies zu widerlegen, wird oftmals nicht gelingen – selbst dann, wenn man für das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung sowohl Kenntnis von der Pflicht als auch von deren Verletzung fordert. Im Ergebnis kann damit ein einzelner Pflichtverstoß ausreichen, um den gesamten Versicherungsschutz infrage zu stellen.
Erhebliche Risikoverschärfung
Die aktuellen Entscheidungen sind daher äußerst gefährlich für den Versicherungsschutz von Geschäftsleitern insolvenznaher Unternehmen. Gleichwohl lässt sich eine pauschale Verallgemeinerung aus den beiden Urteilen nicht ableiten. In beiden Entscheidungen klingt an, dass es sich um relativ klare Fälle von Verstößen gegen insolvenzbezogene Pflichten handelte. Die Entscheidungen enthalten deshalb auch vorsichtige Andeutungen, dass möglicherweise nicht jede Kardinalpflichtverletzung gleich einzuordnen ist. Darüber hinaus ist fraglich, ob allein der einheitliche Schutzzweck der betroffenen Vorschriften ausreicht, um von einem Verstoß gegen eine Pflicht auch auf die wissentliche Verletzung weiterer Pflichten zu schließen. Das räumt das OLG selbst ein und hat daher im Urteil vom 5.3.2025 die Revision zugelassen.
Für Geschäftsleiter bedeuten die beiden Urteile für den Moment dennoch eine erhebliche Verschärfung des Risikos in insolvenznahen Situationen. Wer ein Unternehmen führt, das sich in einer wirtschaftlich angespannten Lage befindet, sollte seine Pflichten besonders im Blick behalten. Ob D&O-Versicherer in Zukunft mit klareren oder günstigeren Klauseln in ihren Policen reagieren, ist nicht absehbar. Im Haftungsfall ist auf jeden Fall höchste Vorsicht geboten, um der vorschnellen Annahme eines Wissentlichkeitsausschlusses vorzubeugen und dem damit verbundenen Verlust des Versicherungsschutzes wirksam entgegenzutreten.
*) Dr. Kilian Eßwein ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Freund Rüll Partner und auf die Prävention und Abwehr von Managerhaftung spezialisiert.
