Umweltklagen

Klimaschutz im Fokus der Compliance

Die Haftungsrisiken bei umweltrechtlichen Verstößen haben zugenommen. Daher sollten Unternehmen ihr Compliance Management System überprüfen und an die neuen Herausforderungen anpassen.

Klimaschutz im Fokus der Compliance

Von Christian Ritz und Sebastian Gräler*)

Spätestens mit der Entscheidung des Bezirksgerichts in Den Haag Ende Mai zu den CO2-Emissionen des Ölkonzerns Shell stehen Klima- und Umweltschutz ganz oben auf der Prioritätenliste von Rechts- und Compliance-Abteilungen. Denn das Urteil zeigt, dass die Compliance mit Klima- und Umweltschutzregularien für Unternehmen nicht nur dem Schutz der eigenen Reputation dient, sondern auch für die Abwendung von Haftungs- und Prozessrisiken eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Dies fügt sich ein in aktuelle ESG-Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene, z. B. zum deutschen Lieferkettengesetz sowie zu der Ankündigung der US Securities and Exchange Commission (SEC), Unternehmen in Zukunft auch verstärkt zur Offenlegung von Klimarisiken zu verpflichten.

Aufsehenerregende Urteile

Zwar sind Haftungsrisiken bei umweltrechtlichen Verstößen keinesfalls neu. Die jüngsten Entwicklungen sowie die sich weiter verschärfende regulatorische Landschaft führen jedoch dazu, dass diese weiter stark an Bedeutung gewinnen. Dies verdeutlichen vor allem die in den letzten Monaten ergangenen und zum Teil als „bahnbrechend“ bezeichneten Entscheidungen.

Neben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021, dass die deutsche Klimaschutzgesetzgebung nicht ausreichend sei, erhielt vor allem die Entscheidung des Bezirksgerichts in Den Haag viel Aufmerksamkeit. Das Gericht urteilte, dass das betroffene Unternehmen seine CO2-Emissionen bis 2030 um 45%, verglichen mit den Werten des Jahres 2019, senken müsse. Eine entsprechende Verpflichtung sei in der Group Corporate Policy des Unternehmens zu verankern. Die Verpflichtung betreffe nicht nur die eigenen Emissionen, sondern auch die sogenannten Scope-2- und Scope-3-Emissionen. Hierbei handelt es sich um Emissionen, die mittelbar durch die Unternehmenstätigkeit verursacht werden, die aber nicht unter der Kontrolle des Konzerns selbst stehen.

Auch wenn unklar ist, ob das Urteil in zweiter Instanz bestehen bleiben wird, sollten sich Unternehmen ernsthaft mit dem Risiko von Klimaklagen und den damit verbundenen Haftungsrisiken auseinandersetzen. Denn auch in Deutschland sind Gerichtsverfahren um die Umweltauswirkungen unternehmerischen Handelns nicht unbekannt. So betrachtete das Oberlandesgericht (OLG) Hamm die Klage eines peruanischen Staatsangehörigen gegen einen deutschen Energiekonzern wegen einer etwaigen Mitverantwortung des Konzerns für den Klimawandel als schlüssig und lässt weiterhin Beweis erheben. Weitere Klimaklagen sind bereits angekündigt.

An den rechtlichen Rahmenbedingungen solcher „Klimaklagen“ und deren Erfolgsaussichten über den aktuellen Fall hinaus, insbesondere auch in Deutschland, bestehen weiterhin erhebliche Zweifel. Trotzdem verdeutlichen die Entscheidungen, dass Unternehmen das Thema ernst nehmen sollten. Aus Compliance-Sicht ist die zentrale Verpflichtung, sicherzustellen, dass sämtliche Tätigkeiten die vielfältigen umweltrechtlichen Anforderungen erfüllen. An­dernfalls drohen neben empfindlichen Reputationsschäden und möglichen Zivilprozessen sogar Straf- und Bußgeldverfahren gegen die handelnden Akteure.

Haftungsreduzierung

So sehen deutsche Umweltgesetze für Unternehmen, deren Geschäftsleitung üblicherweise aus mehreren Personen besteht, ausdrücklich vor, dass ein verantwortliches Vorstandsmitglied für die Erfüllung der entsprechenden­ umweltrechtlichen Pflichten gegenüber den zuständigen Behörden zu benennen ist. Diesem „Umweltvorstand“ obliegt es, eine Betriebsorganisation zu implementieren, die sicherstellt, dass die umweltrechtlichen Vorschriften be­achtet werden. Gelingt dies nicht, können bereits einfachste Verstöße zu einer persönlichen Haftung führen. Die Erfahrungen zeigen, dass Behörden Umweltverstöße, auch aufgrund der gestiegenen gesellschaftlichen Diskussion, ernsthaft verfolgen und ahnden.

Ein solches Haftungsrisiko lässt sich nur reduzieren, wenn effektive Prozesse implementiert werden, um Risiken zu analysieren, Verstöße frühzeitig zu erkennen sowie für die Zukunft zu verhindern. Die aktuellen Entwicklungen sollten daher zum Anlass genommen werden, bestehende Compliance-Management-Systeme (CMS) zu überprüfen und umweltfreundliches Handeln als Teil der Unternehmenskultur zu etablieren. Nur so können Umweltziele erreicht, Übertretungen effektiv vermieden und Risiken für das Unternehmen reduziert werden.

Voraussetzung dafür ist eine unternehmensweite Umweltrichtlinie, anhand derer die Einzelmaßnahmen ausgerichtet werden. Eine solche Richtlinie sollte neben dem Bekenntnis zur Einhaltung umweltrelevanter Regelungen auch ein klares Bekenntnis zur Verbesserung der eigenen Umweltleistung enthalten.

Mit Blick auf die aktuellen Tendenzen in der Rechtsprechung sowie das vermehrte Interesse von Investoren, Umweltschutz fest in der Unternehmenspolitik zu verankern, sollten sich Unternehmen auch mit der Frage auseinandersetzen, ob sie Umweltziele, wie etwa die Reduktion von Treibhausgasen um einen bestimmten Prozentsatz, in ihrer Richtlinie verankern. Hierbei müssen Unternehmen beachten, welche gesetzlichen Verpflichtungen bereits existieren und mit welchen weiteren Verpflichtungen in näherer Zukunft zu rechnen ist. Ferner sollte die Richtlinie die Verpflichtung enthalten, das Umwelt-CMS mit ausreichenden Ressourcen auszustatten.

Neben der Verabschiedung derartiger Vorgaben muss die Umsetzung des CMS in der Unternehmenspraxis gelebt werden. Hierzu gehören neben einem klaren „Tone from the Top“, in dem die Unternehmensleitung die Bedeutung der Umwelt-Compliance signalisiert, eine fortlaufende Schulung der eigenen Mitarbeiter und das Einrichten interner Kontrollmaßnahmen. Die Zuständigkeiten sollten klar definiert und Delegationen dokumentiert werden. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass die Unternehmensleitung ihre gesetzlichen Verpflichtungen, etwa beim Betrieb von genehmigungspflichtigen Anlagen, delegieren muss.

Sind derartige Verantwortlichkeiten nicht klar und schriftlich festgehalten oder wird eine Überwachung nachgeordneter Stellen nicht in ausreichendem Maße dokumentiert, können derartige Nachlässigkeiten eine mögliche Abwendung einer Haftung erschweren. Sollten dennoch Hinweise auf Umweltverstöße bekannt werden, sollte das Unternehmen diesen unverzüglich nachgehen und das entsprechende Verhalten abstellen. Gerade bei komplizierteren Sachverhalten bietet es sich an, eine auf die Themen zugeschnittene „Internal Investigation“ durchzuführen, um eine umfassende Aufklärung zu gewährleisten. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse ist sicherzustellen, dass derartige Verstöße in Zukunft vermieden werden.

Wird dennoch eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt, sollte das Unternehmen im Rahmen der Bußgeldzumessung eine bußgeldmindernde Berücksichtigung seines CMS geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass die ergriffenen Maßnahmen auch hinreichend dokumentiert wurden, um diese gegenüber den zuständigen Behörden nachweisen zu können.

Reputationsschäden drohen

Klima- und Umweltschutz sind längst ein wichtiger Parameter wirtschaftlicher Entscheidungen. Die jüngsten Gerichtsentscheidungen und regulatorischen Entwicklungen haben diesen Themen weiteren juristischen Nachdruck verliehen.

Unternehmen haben bei Verstößen gegen nationale und internationale klima- und umweltrechtliche Regularien neben den Rechts- und Prozessrisiken auch empfindliche wirtschaftliche Nachteile und Reputationsschäden zu befürchten. Um diese Risiken bestmöglich zu reduzieren, sollten Unternehmen ihr Compliance-Management-System überprüfen und an die aktuellen Herausforderungen anpassen.

*) Christian Ritz ist Partner von Hogan Lovells und Dr. Sebastian Gräler Senior Associate der internationalen Sozietät sowie Lehrbeauftragter für Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Bergischen Universität Wuppertal.