GastbeitragKünstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz als Effizienztreiber für die Hauptversammlung

Technologischer Fortschritt und künstliche Intelligenz verändern den Frage-Antwort-Prozess in der Hauptversammlung – menschliche Expertise bleibt dennoch unverzichtbar.

Künstliche Intelligenz als Effizienztreiber für die Hauptversammlung

Künstliche Intelligenz als Effizienztreiber für die Hauptversammlung

Technologischer Fortschritt verändert die HV – Menschliche Expertise bleibt unverzichtbar

Von Robert Weber und Milan Schäfer*)

Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Hauptversammlung angekommen. Der technologische Fortschritt eröffnet dort bislang ungeahnte Möglichkeiten, um Vorstand und Back-Office im Rahmen der Generaldebatte zu entlasten und den Frage-Antwort-Prozess zu beschleunigen. Zum einen revolutioniert KI den Prozess zur Erfassung von Aktionärsfragen. Diese Aufgabe war bislang oftmals menschlichen Stenografen anvertraut. KI-Spracherkennungsmodelle machen dies aber zunehmend überflüssig, weil sie in der Lage sind, Redebeiträge der Aktionäre eigenständig zu erfassen, in Text umzuwandeln und hieraus die gestellten Fragen zu extrahieren. Zum anderen verändert KI auch die Art und Weise, wie die Antworten auf Aktionärsfragen zustande kommen. Wo bislang ein rein menschliches Back-Office Antworten für den Vorstand entwarf, sind nunmehr z. B. Chatbots in der Lage, eigenständig Antwortvorschläge aus Unternehmensdaten zu generieren.

Einsatz als Ermessensfrage

Grundsätzlich liegt es im Ermessen des Vorstands, ob er für die Hauptversammlung auf KI-Systeme setzt. Es gilt die Business Judgement Rule. Ist die Tagesordnung überschaubar und ist nur mit wenigen Fragen zu rechnen, wird die Fragenbeantwortung regelmäßig auch ohne KI gelingen. Stehen hingegen besondere Tagesordnungspunkte an und ist mit zahlreichen Fragen zu rechnen, kann dies für einen Rückgriff auf KI sprechen.

Entscheidet sich der Vorstand für eine KI-Nutzung, ist sicherzustellen, dass die KI für den Einsatz beim Frage-Antwort-Prozess in der Hauptversammlung hinreichend leistungsfähig ist. Geklärt werden muss, ob unternehmenseigene KI-Modelle verwendet werden oder ob auf Systeme von Drittanbietern zurückgegriffen werden soll. Die Leistungsfähigkeit der KI sollte zudem im Vorfeld durch Testaufgaben geprüft werden. Die KI-Kompetenz des Back-Office ist durch die Auswahl geeigneter Mitarbeiter und ggfs. Schulungen zu gewährleisten. Rechtliche Vorgaben, insbesondere Datenschutz oder Urheberrecht, sind zu wahren. Aus Transparenzgründen ist zu empfehlen, den KI-Einsatz in den Datenschutzhinweisen zur Hauptversammlung offenzulegen.

Kontrolle zwingend

Auf die von der KI zur Beantwortung von Aktionärsfragen generierten Antwortvorschläge darf sich der Vorstand nicht blind verlassen. Fehlerhafte Antworten können zu erheblichen Anfechtungsrisiken für die Beschlüsse der Hauptversammlung führen. Eine menschliche Kontrolle durch Mitarbeiter des Back-Office ist deshalb jedenfalls beim gegenwärtigen Stand der Technik unerlässlich. Erster Anhaltspunkt sind Fußnoten mit Angabe der Quellen, auf die die KI ihre Antwortvorschläge stützt. Weiter muss geprüft werden, ob die KI alle relevanten Informationen aus der Aktionärsfrage verarbeitet und die Inhalte der Frage auch richtig in dem Antwortvorschlag gewichtet hat. Subsumptionsvorgänge, Schlussfolgerungen und Begründungen müssen stringent, nachvollziehbar sowie frei von Widersprüchen, Diskriminierungen und sachfremden Erwägungen sein. Wichtig ist schließlich der Abgleich der Antwortvorschläge der KI mit dem eigenen Fachwissen der menschlichen Experten. Bei Zweifeln gilt es, im Back-Office weitergehende, eigene Recherchen anzustellen. Im Fall von besonders kritischen und komplexen Fragen kann es sich sogar anbieten, von vornherein auf eine ausschließlich menschliche Beantwortung zu setzen und die KI hier außen vor zu lassen.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die KI zur Fragenerfassung eingesetzt wird und in diesem Zuge auch Tonaufnahmen der Aktionärsbeiträge angefertigt werden, die es ermöglichen, das gesprochene Wort akustisch wiederzugeben. Dies erleichtert es zwar, die Ausgaben der KI zu überprüfen.

Vorsicht bei Tonaufzeichnungen

Bei reinen Präsenzversammlungen, die nicht öffentlich sind, ist eine Tonaufzeichnung aber nur zulässig, wenn die Aktionäre dem auf Hinweis des Versammlungsleiters nicht widersprechen. Andernfalls droht eine Strafbarkeit wegen unbefugter Aufzeichnung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes. Anders bei Versammlungen, die im Internet übertragen oder gleich ganz virtuell abgehalten werden: Hier sind die Aktionäre nicht vor Tonaufnahmen geschützt und können nicht widersprechen, da die Versammlung aufgrund der Übertragung jedenfalls „faktisch-öffentlich“ ist. Hingewiesen werden sollte auf die Aufzeichnung gleichwohl.

Herausforderung und Chance

Im Ergebnis eröffnet KI bislang ungeahnte Möglichkeiten, um Prozesse auf der Hauptversammlung zu optimieren, ersetzt aber nicht den menschlichen Experten im Back-Office. Angesichts verbleibender (Anfechtungs-)Risiken liegt der Schlüssel für eine gewinnbringende KI-Nutzung vielmehr im Zusammenspiel von Mensch und KI. Gelingt es, die KI auf diesem Weg sinnvoll als Assistenzsystem einzusetzen, können KI-Systeme einen wertvollen Beitrag für die Hauptversammlung leisten – auch im Umgang mit neuen Herausforderungen, die sich stellen, wenn die Aktionärsseite ihrerseits KI-Modelle nutzt, z. B. um seitenlange Fragenkataloge zu generieren.

*) Dr. Robert Weber ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Milan Schäfer ist Rechtsanwalt und Associate bei Dentons.

*) Dr. Robert Weber ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Milan Schäfer ist Rechtsanwalt und Associate im Frankfurter Büro von Dentons.