GastbeitragKapitalmarkt

Kursmanipulation mit künstlicher Intelligenz: schöne neue Welt

Künstliche Intelligenz wird zunehmend für Kursmanipulationen eingesetzt. Gerade Titel mit geringer Marktkapitalisierung geraten ins Visier der Angreifer.

Kursmanipulation mit künstlicher Intelligenz: schöne neue Welt

Kursmanipulation mit künstlicher Intelligenz: schöne neue Welt

Insbesondere Penny Stocks geraten ins Visier der Angreifer

Von Thomas Richter und Sina Loibl*)

Zwielichtige Kapitalmarktakteure nutzen die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) für neue Spielarten der Marktmanipulation. Ziel ihrer Manipulationskampagnen sind dabei häufig exotische Titel mit geringer Marktkapitalisierung. Bei derartigen „Penny Stocks“ bleiben Kursmanipulationen tendenziell länger unterhalb des Radars von Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden als bei Papieren bekannter Emittenten.

In ihrer Grundstruktur erinnert die Vorgehensweise an klassische Methoden des „Pump and Dump“: Zunächst erwerben die Täter große Mengen von Penny Stocks, um diese anschließend gegenüber Kleinanlegern mit falschen Informationen intensiv zu bewerben. Durch die so erzeugte Nachfrage auf Seiten der Kleinanleger steigt der Aktienkurs kurzfristig auf einen Spitzenwert (Pump), zu dem die Täter sodann ihre eigenen Bestände mit erheblichem Gewinn veräußern (Dump). In der Folge stürzen die Kurse wieder in den Keller.

Dieses Phänomen war schon lange vor dem Beginn des KI-Zeitalters zu beobachten, als ganze Netzwerke dubioser Börsenjournalisten in Zeitungsartikeln und Börsenbriefen Aktienempfehlungen aussprachen, um die Kurse von Penny Stocks zunächst hochzuschreiben und die Papiere dann zum Höchstpreis selbst zu verkaufen.

Pump and Dump im KI-Zeitalter

Durch den gezielten Einsatz von KI lässt sich die Masche des Pump and Dump um neue Manipulationstechniken erweitern, worauf auch die BaFin und das BKA in öffentlichen Warnungen immer häufiger hinweisen. Eine KI kann täuschend echt wirkende Bilder, Videos und Social-Media-Profile („Deepfakes“) prominenter Finanzpersönlichkeiten innerhalb kürzester Zeit erstellen. Diese Deepfakes werden dann in sozialen Medien massenhaft verbreitet, um Anleger in WhatsApp-Gruppen zu locken, die als erlesene Investmentforen für besonders lukrative Anlageempfehlungen beworben werden.

In diesen WhatsApp-Gruppen erhalten die Mitglieder dann, angeblich ganz exklusiv, nahezu täglich vermeintlich wertvolle Börsentipps. Die Kommunikation wirkt auf den ersten Blick professionell und vertrauenswürdig – tatsächlich dürfte es sich in vielen Fällen jedoch um nichts anderes als um das Ergebnis eines KI-generierten Chatverlaufs handeln.

Aufdeckung schwierig

Durch die neuen technischen Möglichkeiten sinkt auch das Aufdeckungsrisiko erheblich. KI-Sprachmodelle können schon heute Texte generieren, die auf dem Niveau normaler WhatsApp-Chats von menschlicher Kommunikation für den ungeschulten Blick kaum zu unterscheiden sind. Die Täter können von der KI professionell klingende Texte erstellen und auf Deutsch übersetzen lassen. Mithilfe automatisierter Sprachmodelle könnte ein einzelner Täter theoretisch sogar zeitgleich verschiedene Chatgruppen moderieren und täuschend echt wirkende Aktienempfehlungen in Echtzeit verbreiten, ohne je selbst eine eigene Nachricht verfassen zu müssen.

Damit kann ein einzelner Akteur im Grunde von überall operieren und eine Reichweite erzielen, für die vor wenigen Jahren noch eine arbeitsteilig agierende Tätergruppe und ein enger geographischer Bezug zu Deutschland erforderlich waren. Die Manipulationen lassen sich bei verhältnismäßig geringem Ressourceneinsatz erheblich skalieren und es erscheint sogar denkbar, dass die Akteure mithilfe der KI-Sprachmodelle zeitgleich Anleger in verschiedenen Ländern ansprechen, um so größtmögliche Manipulationseffekte auf den Kurs der betroffenen Aktie zu generieren.

Hinzu kommt, dass offenbar vermehrt Penny Stocks beworben werden, die weder an deutschen noch an sonstigen europäischen Handelsplätzen gehandelt werden. Auf dieses Phänomen hat auch die BaFin bereits hingewiesen. Um die Anleger an außereuropäische Börsenplätze zu locken, werden sie beispielsweise aufgefordert, ganz bestimmte Broker auszuwählen, über die auch ein Handel an internationalen Börsen möglich ist. Möglicherweise sollen hierdurch auch gezielt die Zuständigkeiten und die aufsichtsrechtlichen Handlungsspielräume der BaFin sowie anderer Aufsichtsbehörden in der EU umgangen werden.

Denn bei einem Finanzinstrument, das ausschließlich auf außereuropäischen Handelsplätzen gehandelt wird, ist der Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsverordnung nicht eröffnet, sodass dann auch kein Verstoß gegen das in Art. 12 der Marktmissbrauchsverordnung aufgestellte Verbot der Marktmanipulation vorliegt. Sollte sich ein derartiger Umgehungstrend verfestigen, werden der europäische Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden eine angemessene Reaktion finden müssen, etwa durch einen noch engeren Austausch mit ausländischen Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden.

Prävention durch Warnungen

Als präventive Maßnahmen kommen zudem deutlichere Warnhinweise auf Manipulations- und Missbrauchsrisiken durch die betroffenen Broker und Anbieter von Trading-Apps in Betracht, wenn Kunden einen außereuropäischen Handelsplatz wählen. Da Gier jedoch blind machen kann, erscheint es freilich zweifelhaft, ob angesichts der vollmundigen Gewinnverheißungen eine nennenswerte Zahl betroffener Anleger für derartige Warnhinweise überhaupt noch empfänglich wäre.

*) Dr. Thomas Richter ist Fachanwalt für Strafrecht und Sina Loibl ist Rechtsanwältin bei der auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei Richter in Frankfurt.

*) Dr. Thomas Richter ist Fachanwalt für Strafrecht und Sina Loibl ist Rechtsanwältin bei der auf Strafrecht spezialisierten Kanzlei Richter in Frankfurt.