GastbeitragKlimaziele

Rechtsrahmen und Strategien für Carbon Capture

Ohne Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid sind die Klimaziele schwerlich zu erreichen. Doch der deutsche Rechtsrahmen ist bisher extrem restriktiv. Inzwischen gibt es Fortschritte.

Rechtsrahmen und Strategien für Carbon Capture

Rechtsrahmen und Strategien für Carbon Capture

EU-Richtlinie lässt großen Spielraum – Regelungen in Deutschland bisher sehr restriktiv – Bundesregierung mit neuer Carbon-Management-Strategie

Von Gabriele Haas *)

Von Gabriele Haas

Die EU-Mitgliedstaaten haben das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Das deutsche Klimaschutzgesetz zielt auf eine Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 ab. Mit Blick auf die ambitionierten Ziele und den Weg dorthin setzt sich europaweit, aber auch in Deutschland immer stärker die Ansicht durch, dass die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage – CCS) bzw. die Abscheidung und Nutzung von Kohlendioxid z.B. zur Herstellung kohlenstoffhaltiger Produkte (Carbon Capture and Utilization – CCU) notwendig zur Erreichung der Ziele der Klimaneutralität sind. Wie ist der rechtliche Rahmen für CCS und CCU in Deutschland und Europa gestaltet? Welche Strategien verfolgen die Bundesregierung und die Europäische Kommission, um die Entwicklung und Anwendung von CCS und CCU in Zukunft zu fördern?

Wo Europa steht

Der europäische Rechtsrahmen für CCS basiert auf der EU-Richtlinie 2009/31/EG über die geologische Speicherung von Kohlendioxid, welche die Mitgliedstaaten verpflichtet, CCS-Potenziale zu evaluieren und Speicherpläne zu erstellen. Sie legt Regeln für die Genehmigung, den Betrieb, die Überwachung, die Schließung und Nachsorge von Kohlendioxid-Speicherstätten, Bedingungen für den Zugang zu Transport- und Speicherinfrastrukturen und die Anerkennung von Genehmigungen fest. Nicht zuletzt gibt sie auch einen wichtigen Rahmen für die Haftung und finanzielle Sicherheiten oder sonstige Garantien vor.

Für CCU sieht das Bild fragmentierter aus. Anders als für CCS gibt es kein spezifisches CCU-Regelwerk, sondern verschiedene Regelungen, die die Nutzung von Kohlendioxid für bestimmte Zwecke betreffen. Relevant für CCU sind u.a. die EU-Emissionshandelsrichtlinie (EU-ETS), die Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die Abfallrahmenrichtlinie.

Antragsfrist in Deutschland seit Jahren abgelaufen

Einen deutschen Rechtsrahmen für CCS, der die betreffende EU-Richtlinie umsetzt, gibt es ebenfalls. Dieser Rechtsrahmen läuft, weil Deutschland in der Vergangenheit CCS und CCU sehr kritisch gegenüberstand, allerdings ins Leere. CCS hatte in Deutschland nur eine Chance im Rahmen von Pilotprojekten. Die wesentlichen Regelungen für CCS und CCU befinden sich im Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) sowie im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).

Warum kommen CCS und CCU in Deutschland nicht voran? Der Anwendungsbereich des KSpG ist stark eingeschränkt.

So weist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) selbst darauf hin, dass es in Deutschland zwar die theoretische Möglichkeit gibt, CO₂ abzuscheiden und für die Einspeicherung ins Ausland zu transportieren, dass aber wegen fehlender Rechtssicherheit aktuell keine Transportinfrastruktur für den Transport ins Ausland existiert, der Bau von Kohlendioxidspeichern in Deutschland nur für Projektzwecke erlaubt ist und die dafür gültige Antragsfrist für eine Genehmigung allerdings seit Jahren abgelaufen ist.

Kein Widerspruch zur EU-Richtlinie

Die restriktiven Vorgaben nach dem KSpG, die CCS in Deutschland erschweren bzw. verhindern, widersprechen, so erstaunlich das erscheinen mag, der aktuellen EU-Richtlinie nicht. Diese gibt den EU-Ländern einen weiten Handlungsspielraum und sieht ausdrücklich vor, „das Recht der Mitgliedstaaten, keinerlei Speicherung auf Teilen oder auf der Gesamtheit ihres Hoheitsgebiets zuzulassen“.

Änderungen angestoßen

So ist es auch kein Wunder, dass die gesetzlichen Regeln insgesamt CCS und CCU als Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität bzw. Treibhausgasneutralität nicht nur nicht befördert, sondern tatsächlich verhindert haben. Sowohl die europäischen als auch die deutschen Akteure sind derzeit dabei, das zu ändern. Ideen, um die Rahmenbedingungen für CCS und CCU zu verbessern, gibt es.

Die Bundesregierung hat bereits 2022 einen (zweiten) Evaluierungsbericht zum KSpG beraten und infolgedessen eine Strategie in Sachen CCS und CCU als ein Element für die Erreichung der Klimaziele auf den Weg gebracht und weitreichende Änderungen am Rechtsrahmen des KSpG angestoßen, um die Bedingungen für CCS insbesondere mit Blick auf die erforderliche Transportinfrastruktur zu verbessern, CCU zu regeln und auch den Export von CO₂ rechtssicher zu gestalten. Zumindest für die Fälle, in denen eine Dekarbonisierung durch andere Mittel aus tatsächlichen oder Kostengründen schwierig umzusetzen ist. Genannt werden u.a. die Zement- oder Chemieindustrie sowie die Abfallwirtschaft. CCS und CCU bieten über die genannten Anwendungsfälle noch viele andere Möglichkeiten auf dem Weg zur Klimaneutralität bzw. Treibhausgasneutralität – beispielsweise für die Verstromung von Gas oder sogenannten blauen Wasserstoff.

Die EU-Kommission hat im Februar 2024 ihre Industrial Carbon Management Strategy vorgelegt, die darauf abzielt, die Entwicklung und Anwendung von CCS und CCU und anderen Carbon-Management-Technologien zu beschleunigen und die europäische Industrie hierbei zu unterstützen. Schwerpunkte dabei sind die Erhöhung der Speicherkapazität und -sicherheit von Kohlendioxid in Europa, die Erleichterung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die Verbesserung von Anreizen für die Speicherung von CO₂ sowie die Schaffung eines harmonisierten EU-Rechtsrahmens über die Nutzung von Kohlendioxid.

Einheitlicher Rechtsrahmen

Weitere Schwerpunkte bei der Änderung des Rechtsrahmens sollen die Definition von Mindeststandards für die Nutzung von Kohlendioxid sowie Anforderungen an Dokumentation, Rückverfolgbarkeit, Zertifizierung und die Berichterstattung sein. Die Schaffung und Ausgestaltung von Infrastruktur wie ein mögliches europäisches CO₂-Netzwerk, mit dem CO₂-Quellen, -Nutzer und -Speicher durch ein europäisches und lokales Kohlendioxidtransportnetz verbunden werden, spielt eine entscheidende Rolle. Hierfür sollen ein einheitlicher Rechtsrahmen und sonstige Regeln für die Planung, den Bau und den Betrieb von CO₂-Infrastrukturen geschaffen werden.

Da eine solche CO₂-Infrastruktur allerdings kostspielig ist, ist ein weiterer Aspekt die Bereitstellung von Finanzierungsinstrumenten für CCS und CCU. Gedacht wird dabei an EU-Innovationsfonds, das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe, den EU-Wiederaufbaufonds und die EU-Investitionsbank.

Auch die Bundesregierung war aktiv und hat am 26. Februar 2024 ihre Carbon-Management-Strategie und einen darauf basierenden Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vorgelegt. Der Fokus dieser Strategie soll laut dem Bundeswirtschaftsministerium auf den Technologien für die Abscheidung, auf dem Regelwerk für den Transport und die dauerhafte Speicherung von Kohlendioxid, der Bedeutung von Kohlendioxid als Rohstoff sowie den Techniken und dem Regelwerk zur Erzielung von Negativemissionen liegen.

Relevanz von Negativemissionen

Gerade der letzte Punkt ist relevant, um das deutsche Treibhausgasziel zu erreichen. Innovationen können von Technologien wie Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) und der direkten Luftabscheidung von CO₂ (DAC) ausgehen. Wesentlich ist, dass nach der geplanten Verabschiedung des Gesetzes erstmals realistische Möglichkeiten für die Entwicklung von CO₂-Transportleitungen und Speichermöglichkeiten in Deutschland bzw. auf deutschem Hoheitsgebiet entstehen. Allerdings nicht auf dem Festland und auch nicht für alle denkbaren Anwendungsfälle. Das KSpG ist weiterhin restriktiv ausgestaltet. Der Entwurf sieht nur eine Offshore-Speicherung in Deutschland vor, wobei Meeresschutzgebiete ausdrücklich ausgeschlossen bleiben.

Beim Kohleausstieg soll es bleiben

Auch der Transport von CO₂ ins Ausland zur Einspeicherung in Kohlendioxidspeicher ist im Referentenentwurf angelegt. Bußgeldbewehrt ausgeschlossen werden soll ausdrücklich der Zugang zur Transportinfrastruktur von solchen Kohlendioxidemissionen, die aus Kohleverstromung stammen. Anders sieht es für Emissionen aus der Verstromung von Gas aus. Es mutet auf den ersten Blick erstaunlich an, dass ausgerechnet der größere Emissionstreiber vom Zugang zur Infrastruktur ausgeschlossen werden soll. Die Ratio des BMWK ist, dass es beim Kohleausstieg bleiben soll. Ein Zugang zu Kohlendioxidtransportleitungen würde dieses Ziel nach Ansicht des BMWK wohl gefährden.

Wie geht es jetzt weiter? Als Teil der regierungsinternen Abstimmung wurden die vom BMWK veröffentlichten Eckpunkte und der Gesetzentwurf nun in die Ressortabstimmung gegeben. Bis das novellierte KSpG kommt, wird es noch einige Zeit dauern. Spannend wird werden, ob das KSpG am Ende des Gesetzgebungsprozesses noch einen größeren Anwendungsbereich haben wird.

*) Dr. Gabriele Haas ist Partnerin im Frankfurter Büro von Dentons.

Dr. Gabriele Haas

Partnerin im Frankfurter Büro von Dentons