Sanktionen gegen Russland: Die Gefahren unscheinbarer Geschäfte
Sanktionen gegen Russland: Die Gefahren unscheinbarer Geschäfte
Sanktionen gegen Russland:
Die Gefahren unscheinbarer Geschäfte
Von Carsten Bormann und Johannes Corsten*)
Beschaffungen erfolgen oft verdeckt – Strenge Sorgfalt erforderlich
Nach 19 Sanktionspaketen reagiert die EU mit weitreichenden Sanktionen auf den russischen Angriffskrieg. Für Unternehmen wächst der Umsetzungsaufwand ebenso wie das Risiko, bei Verstößen ins Visier der Ermittlungsbehörden zu geraten. Besonders tückisch sind unscheinbare Alltagsgeschäfte. Angesichts teils empfindlicher Strafen empfiehlt sich eine umfassende Prüfung der eigenen Geschäftstätigkeit auf mögliche Risiken.
Das Bundeswirtschaftsministerium und Sicherheitsbehörden warnen, Russland nutze ein globales Beschaffungsnetzwerk, um kriegsrelevante Güter und Luxuswaren zu beziehen. Trotz der EU-Sanktionspakete, die auch Exporte über Drittstaaten ins Visier nehmen, werden die Maßnahmen weiterhin umgangen.
Hohe Strafen bei Verstößen
Das zeigt sich auch in der deutschen Justiz: Das Landgericht Marburg verhängte im Juli eine fünfjährige Freiheitsstrafe gegen einen Händler, der in 71 Fällen Luxusfahrzeuge nach Russland exportierte. Ebenfalls im Juli 2025 wurden die Geschäftsräume eines Werkzeugmaschinenherstellers nahe München wegen des Verdachts sanktionswidriger Ausfuhren durchsucht.
Seit Frühjahr 2022 haben viele Unternehmen ihr Russlandgeschäft aus Risiko-, Verantwortungs- und Komplexitätsgründen vollständig eingestellt. Doch allein damit ist das Risiko von Sanktionsverstößen noch nicht gebannt, denn die Sanktionen gehen weit über den Export bestimmter Güter hinaus. Verboten ist schon der Abschluss eines Kaufvertrags, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Gut später in Russland verwendet werden könnte. Besonders heikel ist auch der Umgang mit Technologie. Ein Sanktionsverstoß kann bereits dadurch entstehen, dass einem russischen Unternehmen Zugriff auf Know-how über sanktionierte Güter gewährt wird. Dies betrifft insbesondere Wartungs- und Reparaturarbeiten an sanktionierten Maschinen und Anlagen im Ausland.
Das zentrale Instrument der güterbezogenen EU-Sanktionen gegen Russland ist die EU-Verordnung (VO) 833/2014. Mittlerweile liegt sie in ihrer dreißigsten konsolidierten Fassung mit 51 Anhängen und 641 Seiten vor. Ergänzt wird sie durch ein 445 Seiten FAQ der EU-Kommission, die zwar rechtlich unverbindlich, aber für die Auslegung der oft vage formulierten Sanktionstatbestände wichtig sind.
Umfasst werden Exportbeschränkungen, Import- und Beförderungsverbote sowie Transaktionsverbote gegenüber bestimmten russischen Unternehmen, Einschränkungen im Luft- und Seeverkehr und Maßnahmen gegen die Nord Stream Pipelines. Zahlreiche Übergangsfristen, Ausnahmen, Genehmigungen und Meldepflichten stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen.
Es gilt zu klären, ob Produkte, Dienstleistungen oder Transporte von den Regelungen erfasst sind. Liegt ein Verbot vor, sind belastbare Prozesse zur Vermeidung von Verstößen nötig. Pauschale Aussagen wie „Wir liefern nichts nach Russland“ greifen zu kurz: Beschaffungen erfolgen oft verdeckt über Tarnfirmen und Drittstaaten. Wer Warnsignale wie .ru-E-Mail-Adressen, Korrespondenz auf Russisch oder den Wunsch nach Anleitungen in russischer Sprache ignoriert, riskiert Sanktionsverstöße.
Rechtsfolgen
Sanktionsverstöße sind nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) strafbar. Bei Vorsatz drohen mehrjährige Haftstrafen. Wird gewerbsmäßige oder bandenmäßige Begehung angenommen, sind Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren möglich.
Praktisch relevanter sind für Unternehmen jedoch in der Regel fahrlässige Verstöße. Nach dem AWG drohen hier Bußgelder bis zu EUR 500.000 pro Fall, zusätzlich Verbandsgeldbußen bis zu EUR 10 Mio. (vorsätzlich) bzw. EUR 5 Mio. (fahrlässig) und Einträge im Gewerbezentralregister, die die Berücksichtigung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge erschweren können.
Die Risiken dürften künftig sogar noch weiter zunehmen: Ein Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2024/1226 sieht vor, dass künftig auch bestimmte leichtfertige Verstöße als Straftaten zu ahnden sein sollen. Die Schwelle ist dabei schnell überschritten – etwa bei falschen Zolltarifnummern oder mangelnder Sorgfalt bei Endverbleib und Partnerprüfung.
Fahrlässige Verstöße werden oft in Zollaußenprüfungen entdeckt und führen regelmäßig zu Ermittlungen der Zollfahndungsämter. Bei strukturellen Defiziten können Unternehmen an Ordnungswidrigkeitenverfahren beteiligt werden. Daher sollten kritische Ausfuhren rechtlich geprüft und Exportkontrollen fest im Compliance-System verankert werden. Zu empfehlen sind regelmäßige Mitarbeiterschulungen, risikobasierte Kundenprüfungen sowie bei Bedarf die Einbindung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Auch nach dem 19. Sanktionspaket bleibt das Risiko von Sanktionsverstößen bestehen. Umgehungskonstellationen erfordern strenge Sorgfalt, auch bei Lieferungen in Drittländer. Selbst innerhalb der EU müssen Vertragspartner eindeutig identifiziert und Lieferketten abgesichert werden, damit Waren nicht in Russland landen. Mit zunehmenden Krisen gewinnt das Sanktionsrecht voraussichtlich weiter an Bedeutung.
*) Dr. Carsten Bormann ist Partner bei Oppenhoff, Dr. Johannes Corsten Partner bei Reichling Corsten
