Zick-Zack-Kurs bei der EU-Entwaldungsverordnung
Zick-Zack-Kurs bei der EU-Entwaldungsverordnung
Zick-Zack-Kurs bei der EU-Entwaldungsverordnung
Von Michael Wiedmann*)
Ab dem 30.12.2025 soll die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) europaweit Anwendung finden. Sie soll das Inverkehrbringen von entwaldungsfreien Rohstoffen und relevanten Erzeugnissen in die EU regeln. Die Verordnung betrifft Unternehmen, die die fraglichen Rohstoffe sowie Erzeugnisse, in denen diese Verwendung finden, auf dem Unionsmarkt anbieten. Unter den Rohstoffbegriff fallen Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz. Damit ist eine breite Palette von Erzeugnissen betroffen, von Zeitungen und Zeitschriften über Kakao und Schokolade bis hin zu Autoreifen.
Sorgfaltserklärung verschoben
Die Unternehmen, deren Produkte die genannten Rohstoffe enthalten, müssen sicherstellen, dass ihre Lieferketten nicht zu Entwaldung oder Waldschädigung beitragen und eine entsprechende Sorgfaltserklärung in ein zentrales IT-System der EU (Traces) hochladen. Allein in Deutschland sollen laut Schätzungen des Thünen-Instituts 370.000 Unternehmen von der Verordnung und den damit verknüpften Sorgfaltspflichten betroffen sein.
Eigentlich hätte die EUDR schon ab dem 30.12.2024 gelten sollen. Der Anwendungsbeginn wurde aber Ende 2024 um ein Jahr verschoben, um den Unternehmen mehr Zeit zur Umsetzung zu geben. Dies könnte zum Jahresende 2025 erneut passieren. Zunächst schlug am 21.09.2025 die schwedische EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall (EVP) vor, den Anwendungsbeginn erneut zu verschieben, um sicherzustellen, dass Traces voll funktionsfähig ist. Am 26.09.2025 widersprach die spanische Vizepräsidentin der EU-Kommission Teresa Ribera (S&D) ihrer Kollegin und meinte, dass man die technischen IT-Probleme „so schnell wie möglich lösen könne“. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich viele der betroffenen Unternehmen schon im Teststadium ihrer neu auf die EUDR ausgerichteten Prozessarchitektur und ihrer für die Kommunikation mit Traces angeschafften Softwarelösungen. Es liegt auf der Hand, dass dieser Streit, bzw. die daraus resultierende Unsicherheit bei den betroffenen Unternehmen für absolutes Unverständnis sorgt.
Ein Bürokratiemonster
Im Vergleich zum oft kritisierten Lieferkettengesetz (LkSG) verschlingt die EUDR aufgrund ihrer Komplexität bei der Implementierung ein Vielfaches der Ressourcen, die beim LkSG angefallen sind. Im Grunde ist die EUDR ein Bürokratiemonster, denn bislang fordert sie auf allen Verarbeitungsstufen der besagten Rohstoffe den Upload einer Sorgfaltserklärung und das, obwohl die Prüfung der Entwaldungsfreiheit der Rohstoffe nach der ersten Verarbeitungsstufe faktisch nicht mehr möglich ist. So können die Standortdaten eines entnommenen Baumes noch zurückverfolgt werden, sobald dieser aber mit anderen Bäumen zu Holzschnitzeln verarbeitet wird, ist eine Rückverfolgbarkeit und Überprüfung der Entwaldungsfreiheit ausgeschlossen.
Der Unmut der Unternehmen wurde noch gesteigert durch den Vorschlag der EU-Kommission vom 21.10.2025, die EUDR abzuändern, um eine fristgerechte Umsetzung zum 30.12.2025 zu gewährleisten. Der Vorschlag sieht u.a. vor, dass neben den bestehenden Adressaten, den sogenannten Marktteilnehmern und Händlern, noch eine weitere Kategorie eingeführt wird: die der nachgelagerten Markteilnehmer. Das sind große und mittlere Unternehmen, die Rohstoffe oder Erzeugnisse aus Rohstoffen, für die schon eine Sorgfaltserklärung in Traces hochgeladen wurde, weiterverarbeiten oder damit handeln. Sie müssten nach dem Änderungsvorschlag der EU-Kommission keine neue zusätzliche Sorgfaltserklärung hochladen, sondern nur die Referenznummer der schon hochgeladenen Sorgfaltserklärung an ihre Geschäftspartner weiterreichen. Damit würden die Sorgfaltserklärungen entfallen, die bislang bei jeder Verarbeitungsstufe oder jedem Eigentumsübergang notwendig wären. Damit soll für die gesamte Lieferkette nur ein Upload in Traces erforderlich sein. Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten soll sich auf die Marktteilnehmer konzentrieren, die die Produkte erstmalig in Verkehr bringen. So müsste beispielsweise nur der Importeur von Kakaobohnen, der sie auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt, eine Sorgfaltserklärung hochladen. Alle dem Importeur nachgelagerten Marktteilnehmer und Händler, bspw. der Chocolatier oder der Pralinenhersteller im Falle der Kakaobohnen wären also nicht mehr verpflichtet, eine neue Sorgfaltserklärung hochzuladen. Unabhängig davon wären alle nachgelagerten Marktteilnehmer nach wie vor verpflichtet, sich bei Traces zu registrieren. Inwieweit diese nachgelagerten Marktteilnehmer eine Verpflichtung haben, die mit der Sorgfaltserklärung verbundene Referenznummer auf ihre Gültigkeit zu überprüfen, bleibt unklar.
Neben den vorgeschlagenen Erleichterungen für große und mittlere Unternehmen, enthält der Vorschlag auch Vereinfachungen für Kleinst- und kleine Primärbetreiber, insbesondere kleine Rinderzüchter und Waldbauern, die nur eine einfache, einmalige Erklärung in Traces abgeben müssen; anstatt der genauen Geolokationsdaten reicht hier die Angabe der Postleitzahl für die entsprechenden Flächen.
Des Weiteren soll allen Unternehmen noch eine weitere Übergangsfrist von sechs Monaten gewährt werden, die sie nutzen können, um ihre Prozesse an die Anforderungen der EUDR anzupassen. In dieser Periode sollen die zuständigen Behörden Verwarnungen, aber keine Sanktionen aussprechen können.
Ob Parlament und Rat diese Änderungen wie von der Kommission gefordert zügig annehmen und die betroffenen Unternehmen tatsächlich entlastet werden, steht momentan noch nicht fest.
Weitere Forderungen
In der Sitzung der EU-Landwirtschaftsminister am 27. und 28.10.2025 sprach sich eine Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission aus und unterstützte den Vorschlag Lettlands vom 24.10.2025, den Anwendungsbeginn um ein weiteres Jahr zu verschieben. Zudem geht einigen Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, der Vorschlag der Kommission nicht weit genug. Sie fordern die Einführung einer vierten Risikokategorie, einer sogenannten „Null-Risiko-Variante“, um den bürokratischen Aufwand für Produkte aus Ländern mit nachgewiesenem geringem Entwaldungsrisiko weiter zu verringern.
Das Parlament, bzw. sein Umweltausschuss, wird sich voraussichtlich erst am 4.11.2025 mit dem Vorschlag befassen. Unklar ist, wie sich das Parlament dazu positioniert und insbesondere welche Mehrheiten sich dazu bilden. So hat das Parlament am 22.10.2025 den vom Rechtsausschuss unterstützten Vorschlag zur Vereinfachung der europäischen Lieferkettenrichtlinie (CS3D) und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sowie zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Rat in geheimer Abstimmung abgelehnt. Der sogenannten „von-der-Leyen-Koalition“, bestehend aus den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokratischen Partei Europas (S&D) und Renew Europe (den Liberalen), fehlten am Schluss zehn Stimmen. Ein erneuter Anlauf zur Abstimmung kann am 12. oder 13.11.2025 oder in den Sitzungen Ende November oder erst in der Woche vor Weihnachten erfolgen. Das Gleiche gilt für die Abstimmung über die EUDR und die Aufnahmen von Verhandlungen mit dem Rat. Momentan ist mehr als fraglich, ob sich das Parlament, insbesondere die von-der-Leyen-Koalition auf ein gemeinsames Vorgehen bei Eckpfeilern des Grünen Deals einigen können oder ob es zu Mehrheiten „rechts“ der Mitte kommt, die ggf. noch zu weiteren Vereinfachungen oder Abschaffungen führen könnten.
Leidtragende sind schon jetzt die Unternehmen, die nicht wissen, worauf und auf wann sie sich vorbereiten sollen. Sollte bspw. der Vorschlag vom 21.10.2025 umgesetzt werden, müssten die bisher für die EUDR entwickelten Prozesse wieder geändert und entlang der Lieferkette kommuniziert und abgestimmt werden. Es ist mehr als fraglich, ob das bis zum Jahresende machbar ist. Unabhängig davon, hätten Unternehmen vergeblich Ressourcen aufgewendet, die als verlorene Kosten abzuschreiben wären. Eine Verschiebung würde außerdem viele Softwareanbieter, die Lösungen für die Kommunikation mit Traces anbieten, in Schwierigkeiten bringen, da sie erneut ihre Software anpassen müssten und Lizenzgebühren erst ein Jahr später erhalten würden. Auf die davon betroffenen Unternehmen würden ebenfalls zusätzliche Kosten zukommen.
Falls sich Kommission, Rat und Parlament bis Ende 2025 nicht einigen können, hat die Kommission einen Notfallplan angekündigt, Inhalt unbekannt.
So richtig die Zielsetzung der EUDR, der weiteren illegalen Entwaldung Einhalt zu gebieten, sein mag: Die Umsetzung dieses Ziels gelingt damit gegenwärtig nicht. Sie ist komplex, auf den meisten Vermarktungsstufen überdimensioniert und ressourcenintensiv, aber nicht effektiv. Der Zick-Zack-Kurs verursacht jedenfalls mehr Bürokratieaufwand, nicht weniger.
Zick-Zack-Kurs bei der EU-Entwaldungsverordnung
Verzögerungen und laufende Anpassungen sorgen bei Unternehmen für Unsicherheit – Vereinfachungsvorschlag noch ungewiss
Von Michael Wiedmann*)
*) Michael Wiedmann ist Rechtsanwalt bei HWCL Compliance & Legal.
