Zukunftsfinanzierungsgesetz II im neuen Gewand
Zukunftsfinanzierungsgesetz II
im neuen Gewand
Bundeskabinett beschließt Entwurf des Standortfördergesetzes
Von Julian Schulze De la Cruz und Philip M. Schmoll*)
*) Dr. Julian Schulze De la Cruz ist Partner und Dr. Philip M. Schmoll ist Associated Partner der Kanzlei Noerr.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf des Gesetzes zur Förderung privater Investitionen und des Finanzstandorts (Standortfördergesetz – „StoFöG“) beschlossen. Die für eine Stärkung des Finanzstandorts vorgesehenen Maßnahmen greifen jedoch deutlich zu kurz. Erforderlich wären vielmehr strukturelle Reformen. Ein Kernbestandteil des Gesetzes sollen Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen von Unternehmen und für einen wettbewerbsfähigeren Finanzstandort bilden. Bezüglich dieser Maßnahmen knüpft der Entwurf an den Regierungsentwurf zum Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz („ZuFinG II“) an, dessen Umsetzung dem Scheitern der Ampel-Koalition zum Opfer fiel. Die inhaltliche Übereinstimmung der beiden Gesetzesentwürfe ist hoch: Die im ZuFinG II vorgesehenen Änderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht werden im Entwurf des StoFöG nahezu unverändert übernommen.
Prospekthaftung
Ein Bestandteil des StoFöG ist die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben in nationales Recht. So hat der europäische Gesetzgeber im Rahmen des EU Listing Act Ende 2024 eine Reform des Prospektrechts angestoßen und versucht, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen („KMU“), Erleichterungen zu schaffen. Dazu wurden mit dem EU-Folgeprospekt, dem EU-Wachstumsemissionsprospekt sowie dem sog. Anhang IX-Dokument für Sekundäremissionen neue prospektrechtliche Offenlegungsformate eingeführt. Die Ausgestaltung der Haftung für diese Formate obliegt aber dem deutschen Gesetzgeber. Der Entwurf des StoFöG sieht insoweit – wie bei den bestehenden Formaten – eine Haftung für Unrichtigkeit und Unvollständigkeit vor, d.h. auch das Fehlen wesentlicher Angaben kann eine Haftung auslösen. Angesichts der strikten Seitenbegrenzungen von 75, 50 bzw. 11 Seiten, die der europäische Gesetzgeber für die neuen Formate festgelegt hat, erscheint eine Haftung für das Fehlen wesentlicher Angaben jedoch problematisch. Dokumente mit derart begrenztem Umfang können naturgemäß nicht alle Informationen beinhalten, die für einen Anleger im Rahmen seiner Investitionsentscheidung wesentlich sein könnten. Der derzeitige Gesetzesentwurf birgt daher das Risiko, dass die vom europäischen Gesetzgeber geschaffenen prospektrechtlichen Erleichterungen durch eine unangemessene Haftungsregelung konterkariert werden und in der Praxis keine Anwendung finden.
Änderungen beim Delisting
Weitreichende Änderungen sieht der Gesetzesentwurf auch beim Delisting aus dem regulierten Markt vor. Nun soll es eine Unternehmensbewertung zur Festlegung des Angebotspreises für ein Delisting-Angebot an die außenstehenden Aktionäre erforderlich sein, wenn der Börsenkurs im Sechsmonatszeitraum vor Angebotsankündigung für die Preisbestimmung unangemessen niedrig ist, da er durch „besondere Umstände“ beeinflusst wurde. Solche „besonderen Umständen“ sollen insbesondere vorliegen, wenn bei Vorliegen einer Insiderinformation keine oder eine unwahre Ad-hoc-Mitteilung durch den Emittenten oder eine Marktmanipulation durch den Emittenten oder Bieter erfolgte. Im Übrigen wird die Auslegung dieser „Generalklausel“ dem juristischen Diskurs überlassen.
Zudem soll es nach einem Delisting-Angebot möglich sein, die Angemessenheit des Angebotspreises in einem Spruchverfahren überprüfen zu lassen. Spruchverfahren sind jedoch oftmals langwierig und teuer. Deshalb wäre es sinnvoll gewesen, zunächst die bestehenden Forderungen für eine Reform des Spruchverfahrensgesetzes aufzugreifen, bevor dessen Anwendungsbereich ausgeweitet wird. So könnte die vorgeschlagene Neuerung eher zu erheblichen Unsicherheiten bei der Durchführung von Delistings führen, was für den Finanzstandort Deutschland hinderlich wäre.
Begrüßenswert ist dagegen der Vorschlag, das „Downlisting“, also das parallele Delisting von einem regulierten Markt bei gleichzeitigem Listing im KMU-Wachstumsmarkt (in Deutschland: Scale-Segment der Frankfurter Wertpapierbörse) ohne Durchführung eines Delisting-Angebots zu ermöglichen. Dies führt zu einer Durchlässigkeit zwischen dem regulierten Markt und dem qualifizierten Freiverkehr, der durch den europäischen Gesetzgeber eine erhebliche Aufwertung erfahren hat. Der Gesetzesentwurf lässt aber offen, ob ein Delisting-Angebot bei einem Delisting aus einem KMU-Wachstumsmarkt erforderlich ist, wenn ein Emittent zuvor nicht im regulierten Markt notiert war. Ein solches Erfordernis würde eine weitreichende Änderung für bestehende Emittenten im Scale-Segment bedeuten. Im Ganzen betrachtet, bleiben die vorgesehenen Änderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht deutlich hinter dem Anspruch zurück, den Name und Ziel des StoFöG erheben. Um den Finanzstandort Deutschland zu stärken, bedürfte es mutiger, struktureller Reformen, welche die Investitionsbereitschaft in deutsche Unternehmen nachhaltig stärken. Dazu gehört insbesondere die überfällige Modernisierung des deutschen Aktienrechts, der weitere Abbau bürokratischer Belastungen für börsennotierte Gesellschaften sowie die Etablierung des Kapitalmarktes als Eckpfeiler des langfristigen Vermögensaufbaus und der Altersvorsorge.
*) Dr. Julian Schulze De la Cruz ist Partner und Dr. Philip M. Schmoll ist Associated Partner der Kanzlei Noerr.