Kapitalanlage

Am Polarkreis ist die Welt noch in Ordnung

Der finnische Aktienmarkt hat in seiner Entwicklung die meisten europäischen Märkte abgehängt

Am Polarkreis ist die Welt noch in Ordnung

Von Frank Bremser, Frankfurt Am Polarkreis ist die Welt noch in Ordnung. Das Land gilt – nicht nur in der EU – als Musterschüler: Seit dem Jahr 2000 wächst das Bruttoinlandsprodukt im Schnitt um 3 % pro Jahr. Für 2006 wird ein Budgetüberschuss von 2,9 % erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag im Jahr 2005 bei knapp 29 600 Euro und damit über den Werten etwa für Deutschland oder Japan. Das gesamt-Bruttoinlandsprodukt lag bei 158 Mrd. Euro, die Handelsbilanz weist einen Überschuss von 5,4 Mrd. Euro auf. Beobachter loben den hohen Ausbildungsstand der Finnen und die innovative Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote ist seit Jahren rückläufig und lag im Jahresdurchschnitt 2005 bei 8,4 %, im September 2006 dann bei 6,9 %. Anders als etwa in Deutschland ist jedoch der Anteil der Langzeitarbeitslosen relativ gering. Dieses positive Bild zeigt sich auch in dem Rating des Landes. Als Standard & Poor’s kürzlich sein Rating von “AAA” (Ausblick stabil) für die langfristige Kreditwürdigkeit der Skandinavier erneuerte, sagte die zuständige Analystin Sladana Tepic: “Diese Bewertung spiegelt die gesunde und wettbewerbsfähige finnische Wirtschaft wider. Auch die Finanzpolitik der finnischen Regierung spricht für ein weiter solides Wachstum.” Neben Deutschland und Schweden ist der wichtigste Handelspartner des 5,2-Millionen-Einwohner-Landes der große Nachbar Russland. Finnland hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne und hat als eines der wichtigsten Themen die Annäherung an Russland auf die Agenda gesetzt.Und auch am finnischen Aktienmarkt tut sich einiges. Seit Jahresbeginn hat der Leitindex OMX Helsinki 25 (HEX 25) um mehr als 22 % zugelegt und damit besser abgeschnitten als etwa der Dax oder der Stoxx 50. Auch die auf den Index emittierten strukturierten Produkte weisen eine gute Performance in jüngster Zeit auf. Stark abhängig ist der Index in seiner Entwicklung jedoch von den Kursavancen von Nokia, die mit knapp 10 % in dem Marktbarometer gewichtet sind. Analysten sprechen dem finnischen Aktienmarkt noch Nachholpotenzial zu, da er in den vergangenen Jahren oft schlechter abschnitt als die wichtigsten europäischen Indizes. Die Schwergewichte an der Börse spiegeln auch die Wirtschaftsstruktur des Landes wider. Starke Branchen des Landes sind der Maschinenbau, Forstwirtschaft und Papierindustrie und vor allem der Technologiesektor. Neue WegeAuch in Bezug auf Kapitalmarktintegration geht das Land neue Wege. Anfang Oktober hat OMX, der Betreiber der Börsen von Schweden, Finnland, Dänemark, Island und der drei baltischen Staaten, die Nordic List ins Leben gerufen. Vorerst werden darin die Kapitalmärkte der skandinavischen Länder – ohne Norwegen – zusammengefasst. In nicht allzu ferner Zukunft sollen auch die baltischen Staaten in den Markt integriert werden. OMX ist selbst ebenfalls notiert und hat im Zuge der Fusionsfantasie dieser Branche seit Jahresbeginn um 15,4 % zugelegt – musste jedoch nach dem Rückzug der Deutschen Börse bei Euronext heftige Kursverluste hinnehmen. Die Skandinavier wurden immer wieder als möglicher Käufer oder Partner einer der anderen großen europäischen Börsen ins Gespräch gebracht. Jouni Torasvirta, Präsident der Nordic Exchange in Helsinki, möchte für die Zukunft seines Unternehmens nichts ausschließen: “Wir sind für alle Optionen offen.” Chancen könnten sich auch durch die fortschreitende Privatisierung der Wirtschaft des Landes ergeben. Erst kürzlich hat die finnische Regierung einen 6,6 %-Anteil an dem Stahlkocher Outokumpu verkauft. Derzeit hält der Staat noch 31 % an dem Unternehmen. Das Parlament hat der Regierung jedoch die Vollmacht erteilt, diesen Anteil bis auf 10 % zu reduzieren. Outokumpu waren der bisher stärkste Wert im OMX Helsinki 25 – mit einem Kursplus von 95 %, Empfehlung der meisten Analysten ist laut Bloomberg auch weiterhin “Kaufen”.Am finnischen Aktienmarkt sind eine Fülle von – alleine schon aus der Notwendigkeit durch die geringe Größe des Landes – international agierenden Firmen gelistet. Dazu gehört etwa Metso, die unter anderem schwere Anlagen für die Papier- und Bergbauindustrie entwickelt. Der Maschinenbauer hat eine beeindruckende Turnaround-Story hinter sich. 2003 war das Unternehmen der unprofitabelste Konzern, der an der HEX gelistet war, heute schreibt es satte Gewinne. Derzeit erwirtschaften 23 000 Mitarbeiter einen Umsatz von 4,2 Mrd. Euro. Seit Mitte 2004 hat die Aktie um gut 200 % zugelegt. Und Analysten sind weiter von Metso überzeugt: 15 von 17 Analysten votieren für Kaufen bei einem durchschnittlichen Kursziel von 38,30 Euro. Derzeit notiert der Titel bei 35,23 Euro. Positiv bewertetPositiv wird auch der Schiffsmotorenbauer Wärtsilä bewertet. Dieser profitiert vor allem von dem weltweiten Boom in der Containerschifffahrt. So konnte das Unternehmen seine Umsätze im dritten Quartal 2006 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 26 % steigern. Die Aktie legte seit Jahresbeginn um 45,7 % zu, und Analysten sehen ein Wachstumsende noch lange nicht gekommen. Von diesem Wachstum im Welthandel profitiert auch der Weltmarktführer für Industriekräne, Cargotec, dessen Aktie seit Jahresbeginn um 28,3 % zulegen konnte. Auch hier halten Analysten den Daumen weiter nach oben. Damit lassen diese Unternehmen in ihrer Entwicklung Nokia, das zuletzt enttäuschende Zahlen vorlegte, weit hinter sich. Seit Jahresbeginn liegt die Aktie 0,1 % im Plus. Nur ein Indexwert tendierte schwächer. Dem wohl wichtigsten Finnen ist die Entwicklung von Nokia jedoch relativ gleichgültig – für ihn beginnt die Hauptkonjunktur jetzt. Denn nördlich von Rovaniemi wohnt der Weihnachtsmann.