Autark in Koblenz
Von Antje Kullrich, Düsseldorf In Koblenz, in einem großen Verwaltungsgebäude aus den achtziger Jahren mit schwerer dunkler Eichenvertäfelung im Inneren, sitzt der Mann, der je nach Sichtweise die solideste oder langweiligste Anlagepolitik in der deutschen Versicherungsbranche verfolgt. Rolf Florian ist im Vorstand der Debeka zuständig für 45 Mrd. Euro Kapitalanlagen. Das Management des Riesenportfolios ist hier fast eine One-Man-Show. Kaum mehr als eine Handvoll Mitarbeiter unterstützt den 54-Jährigen, der den Job seit 17 Jahren macht. Aktienquote bei 1 ProzentMit Investmentbankern, Fondsmanagern und Derivateprofis hat Florian nichts am Hut. Mit ein paar Bankern seines Vertrauens, die er seit Jahren kennt, diskutiert er zuweilen Anlageentscheidungen oder die Entwicklung der Märkte, arbeitet aber sonst bemerkenswert autark. Festverzinsliche Wertpapiere machen weit über 90 % der Anlagen der Debeka aus, die immerhin zu den zehn größten Versicherungsgruppen der Republik zählt. Florian investiert ganz klassisch – in Staatsanleihen, Schuldverschreibungen von Kreditinstituten, wenig in Unternehmensbonds und fast immer mit hoher Bonität. Was er nicht versteht, kommt nicht ins Depot. Die Aktienquote beträgt seit langem nie mehr als 1 %. Manche Positionen wie BASF, Bayer oder RWE hat Florian noch von seinem Vorgänger im Portfolio. Teilweise bringen sie gemessen am Buchwert mittlerweile Dividendenrenditen im zweistelligen Bereich.Ein treuer Begleiter Florians ist seine schwarze Kalenderkladde. In dieses Buch mit Wochenübersicht trägt er jeden Morgen für jeden Tag die wichtigsten Marktdaten handschriftlich ein: Stand der wichtigsten Börsenindizes, Wechselkurse und Zinssätze geben ihm den Rahmen für das tägliche Geschäft. “Wenn ich es selbst eintrage, beschäftige ich mich mehr damit, als wenn ich die Daten am Computer generiere”, sagt Florian zu der altmodisch anmutenden Datensammlung.Der Anlageprozess bei der Debeka scheint auf den ersten Blick mit modernem Risikomanagement oder Asset-Liability-Steuerung nicht viel zu tun zu haben. “Das täuscht”, versichert Florian. Schon die BaFin verlange nachvollziehbare Systeme. Durch die eingeschränktere Auswahl der Kapitalanlagen, den Verzicht auf all die Finanzinnovationen sei eben alles weniger komplex.Neue Anlageformen, die ihm vorgestellt werden, testet er höchstens mal in homöopathischen Dosen – um Erfahrungen zu sammeln. Ein Vorteil der erzkonservativen Anlagephilosophie sind die geringen Kosten. Für die Vermögensverwaltung liegen sie früheren Angaben zufolge bei etwa einem Sechstel des Durchschnitts der Versicherungsbranche. Debatten mit Azubis”Man muss gelassen bleiben”, ist ein Leitmotto von Florian. Aus der Ruhe bringt ihn so schnell nichts – am ehesten noch schlampiges Auftreten und Unordnung. Während seiner Unterrichtsreihen bei den Debeka-Auszubildenden – jeder Vorstand unterrichtet den Nachwuchs einige Stunden – macht er gern die Zuverlässigkeit zum Thema. “Würden Sie eine mündlich gegebene Zusage auch erfüllen, wenn sie sich zu Ihrem Nachteil auswirkt?” ist eine Frage, die er mit den Azubis diskutiert.Der Bergmannssohn aus Bergkamen wusste schon früh, dass er in seinem Job etwas bewegen und Verantwortung tragen wollte. Nach neun Jahren Volksschule absolvierte er eine kaufmännische Fachschule, der sich eine Lehre bei der Deutschen Bank in Dortmund anschloss. Nach zwei Jahren bei der Bundeswehr ging er nach Paderborn zum Studium, das er als Diplom-Kaufmann abschloss. Beim Werkzeugmaschinenbauer Dörries in Düren stieg er in den Beruf als Direktionsassistent ein, bevor er nach gut zwei Jahren in gleicher Position zur Debeka nach Koblenz wechselte.Beim mittlerweile größten privaten Krankenversicherer in Deutschland sitzt er seit 17 Jahren im Vorstand und verwaltet die Kapitalanlagen der kräftig wachsenden Versicherungsgruppe fast im Alleingang. Durch die Kapitalmarktkrise hat der passionierte Segler, der seit 30 Jahren für zwei Wochen im Jahr als Skipper mit Freunden einen Törn unternimmt, die Debeka souverän gesteuert. Milliardenschwere Abschreibungen oder stille Lasten, wie sie so mancher Konkurrent verbuchte, waren in Koblenz kein Thema.Florian arbeitet nach eigenem Bekunden etwa 55 Stunden in der Woche. Der Vater einer Tochterhält sich fit mit Radfahren und Schwimmen. Fast mit JobgarantieOb er sich vorstellen kann, seine Anlagestrategie auch bei einem anderen Versicherer zu praktizieren? “Geht nicht”, sagt der Manager entschieden. “Unsere Philosophie umzusetzen, dauert Jahrzehnte. Da müssen alle an einem Strang ziehen. Wenn ich woanders arbeiten wollte, müsste ich fast die gesamte Kapitalanlageabteilung entlassen. Und dann hätte ich nur noch Feinde.” Wie gut, dass er sich wohl auch nie gezwungen sehen dürfte, einen neuen Job zu suchen. Denn bei der Debeka, die so ganz anders agiert als der Rest der Branche, ist noch nie ein Vorstandsmitglied gegen seinen Willen verabschiedet worden. Bisher erschienen: – 4.12.: Kurt von Storch – 27.11.: Eckhard Sauren