"Bisher gibt es auf zu hoher Ebene zu viele Details"
Europas Fondsbranche hat ein neues Gesicht: Ende Juni löste Stefan Bichsel, Mitglied des Managements der niederländischen Robeco, Wolfgang Mansfeld als Präsident der European Fund and Asset Management Association (Efama) ab. Der Schweizer hat als Präsident der Schweizer Fondsvereinigung von 1999 bis 2002 bereits Lobbyerfahrung gesammelt; damals war der 50-Jährige CEO der Swissca. Seine zweijährige Amtszeit auf europäischer Ebene beginnt mit einem Großprojekt, denn gerade hat die EU-Kommission ihr Grünbuch “Ausbau des europäischen Rahmens für Investmentfonds” zur Konsultation vorgestellt, auf der die Fonds-Regulierung in den nächsten Jahren basieren wird. – Herr Bichsel, wie oft waren Sie seit Ihrer Wahl zum Efama-Präsidenten in Brüssel?Mehrere Male. Gerade gestern war ich in Brüssel, weil wir das Management Committee im Verband neu strukturiert haben, und das wollte ich vor den Sommerferien noch aufs Gleis setzen. – Was wird, soll sich dadurch ändern?Wir haben neben dem Board of Directors, dem jeweils ein Vertreter der 23 Verbandsmitglieder angehört und der “Corporate Member”, das Management Committee, das aus neun Personen besteht. Jede davon ist zuständig für ein Thema und verantwortet die entsprechenden Arbeitsgruppen. Jede hat klar definierte Aufgaben, und ich hoffe, dass diese Gruppen künftig projektbezogen sein werden. – Was wäre beispielsweise ein solches Projekt-Thema?Ein gutes Beispiel ist die Definition von “Eligible Assets”, also der für einen Fonds zulässigen Anlageinstrumente. Die internationalen Wertpapieraufseher bemühen sich gerade darum, diese Assetklassen zu definieren. Für die Branche ist das ein sehr wichtiges Thema. Aber wenn diese zulässigen Anlageinstrumente einmal festgelegt sind, wird man die Arbeitsgruppe nicht mehr benötigen. Das geht natürlich nicht bei allen Themen. Etliche davon brauchen fortlaufende Betreuung. – Das Hauptthema auf europäischer Ebene ist im Moment das Grünbuch der EU-Kommission für Investmentfonds. Wie bewerten Sie das Grünbuch nach der ersten Lektüre?Dieses Grünbuch ist ein “Window of Opportunity”, wie es in 30 Jahren keines gibt für die Branche. Damit wird eine Diskussion eröffnet, die in ihrer Breite einmalig ist. Die Schwächen der derzeitigen EU-Regulierung für die Fondsindustrie werden sehr offen angesprochen. Die Kommission will aber nicht nur die Mängel im bestehenden System ausbessern, sondern sie regt auch das Gespräch darüber an, wie ein völlig neu geartetes Regelwerk in der Zukunft aussehen sollte. Es werden viele gute Themenkreise angesprochen, zu denen wir bis zum Ende der Konsultation am 15. November unsere Stellungnahmen abgeben werden. – Vertreter der Branche hatten schon vor dem Grünbuch gefordert, die Regeln gleich komplett neu zu fassen, statt nur an den Fehlern des bestehenden Systems herumzudoktern. Sind Sie nicht enttäuscht, dass die Kommission hinter diesen Forderungen zurückgeblieben ist?Den langen Schuss wollen wir schon. Aber eine komplette Überarbeitung der Fondsregulierung würde bis zum Jahr 2010 dauern. Nein, das Grünbuch der EU-Kommission enthält eine sehr pragmatische Vorgehensweise. Viele bestehende Mängel kann man im bestehenden Interpretationsrahmen der Gesetze ausräumen. – Welche zum Beispiel?Nehmen Sie den so genannten Notifizierungsprozess, dem zufolge für den grenzüberschreitenden Vertrieb eines Fonds die Zulassung in einem einzigen EU-Mitgliedsland ausreicht; in allen übrigen Ländern muss die Genehmigung nur noch bei der Aufsichtsbehörde angezeigt werden. Das klingt nach einem sehr einfachen Verfahren. Aber der Notifizierungsprozess degeneriert gerade wieder zu einem Genehmigungsverfahren durch jede einzelne nationale Aufsichtsbehörde. Das ist nicht im Sinne des Erfinders. Oder die Definition der “Eligible Assets”, die bisher noch den einzelnen Mitgliedsländern obliegt. Da hat jedes Land seine eigene Auslegung. Aber dieses Thema wird CESR bis Anfang kommenden Jahres aussortieren. Bisher wurden da auf zu hoher Ebene zu viele Details geregelt. Jetzt darf CESR nicht bei einem ähnlich hohen Detaillierungsgrad bleiben. – Auf EU-Ebene, vor allem bei den Wertpapieraufsehern und im Ministerrat, herrschen national noch viele unterschiedliche Vorstellungen. Ist der gemeinsame Fonds-Binnenmarkt in den Köpfen der Branche und bei den verschiedenen nationalen Vertretern in der Efama schon umgesetzt? Im Prinzip – ja. Und diese Formulierung sagt ja auch schon einiges. Der Teufel steckt wie immer im Detail. Alle wollen das Gleiche und arbeiten hingebungsvoll an guten Lösungen. Ergebnis ist dann eine Kumulation von guten Ideen, die man am liebsten alle auf einmal umsetzt. Dabei sollte unter den guten Ideen lieber ausgewählt werden, statt sie zu kumulieren. Das gilt für den Verband genauso wie für die EU-Gesetzgebung. – Warum können zu viele gute Ideen schädlich sein?Beispiel “Investor Protection”, Anlegerschutz. Ein sehr wichtiges Thema für unsere Branche. In der Substanz wollen alle das Gleiche. Aber es gibt in 25 Ländern 25 unterschiedliche Regularien, die den Anlegerschutz sicherstellen sollen. Das muss vereinfacht werden. Es ist wie beim “Gold Plating”: Wenn jedes Land seine eigene Goldschicht auflegt, dann haben wir am Ende zwar ein schweres goldenes Gebilde, aber mit zu vielen Schichten, die keiner braucht. – Wie sieht es bei den im CESR vertretenen Wertpapieraufsehern aus. Wie geschlossen erscheint Ihnen dieses Gremium?Die Regulatoren müssen sich gegenseitig mehr vertrauen und anerkennen, dass die anderen auch das Richtige tun. Dann würde auch das Notifizierungsverfahren funktionieren. Die Tatsache, dass jede Aufsichtsbehörde einen Fonds vor dem Vertriebsstart meint, noch einmal selbst durchleuchten zu müssen, resultiert doch nur daraus, dass sie meint, die Kollegen in den anderen Ländern machen das nicht “richtig”. – Wie beurteilen Sie den Kontakt des Verbands zur EU-Kommission?Efama hat gute Beziehungen zur Kommission. Wir werden in die Verfahren gut eingebunden, und die Kommission hört uns gut zu – besser als in der Vergangenheit. Das Grünbuch ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist natürlich in erster Linie entstanden, weil das Parlament der Kommission den Auftrag erteilt hat. Die Kommission hatte aber auch schon in einer Arbeitsgruppe das Thema erörtert, über die wir Input geliefert haben. Das merkt man dem Grünbuch an. – Haben Sie den EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy schon getroffen?Nein, das haben wir noch nicht geschafft. Aber die Generaldirektoren Binnenmarkt der EU-Kommission, Alexander Schaub und David Wright, habe ich bereits besucht; die beiden sind die Autoren des Grünbuchs. Ein Treffen mit Herrn McCreevy ist nach der Sommerpause vorgesehen. – Was wollen Sie im Kontakt der Efama zu den europäischen Institutionen ändern?Der Draht zum Europäischen Parlament soll konsistenter und regelmäßiger werden. Dort müssen wir klar machen: “Pensions” ist ein wichtiges Thema – und “Pensions” ist Asset Management. Es ist ein Witz, dass in der Pensionsfondsrichtlinie zwar Banken und Versicherungen erwähnt sind, die Asset-Management-Branche aber kein einziges Mal! Dabei ist am Ende alles Asset Management – gleichgültig, in welchen Produkten es verpackt ist. – Als Sie gewählt wurden, haben Sie angekündigt – losgelöst von der EU-Politik -, an Branchenstandards für technische Fragen arbeiten zu wollen, um die Industrie effizienter zu machen. Warum?Bisher arbeitet jeder Anbieter mit seinem eigenen System in der Fondsabwicklung. In einem Vertrieb mit offener Architektur ist das sehr ineffizient und führt zu Kosten, die am Ende das Produkt verteuern. Also ist es notwendig, hier zu einer Verbesserung beizutragen. – Die Beseitigung von Ineffizienzen kann aber auch teuer sein. Im vergangenen Jahr zum Beispiel haben zwei große deutsche Anbieter – Deka und Union Investment – sich entschieden, ihren Depotservice nicht zusammenzulegen. Einer von beiden hätte sein System abschreiben müssen, und das wäre zu teuer gewesen . . .. . . die Abschreibungsproblematik wird immer als Totschlag-Argument gebraucht. So kommt man aber nicht weiter. Dann muss man halt mal einen Standard vorgeben, damit die Anbieter da reinmigrieren können im Rahmen ihres Abschreibungszeitplans. Irgendwann ist jedes hauseigene System abgeschrieben, und die Unternehmen brauchen ein neues. So könnten wir langsam zu einem Branchenstandard kommen. Eine Arbeitsgruppe des Verbandes arbeitet an dem Thema. – Wann wird der erste, wann auch der letzte europäische Fondsanbieter zu diesem gemeinsamen Standard gewechselt sein? Im besten Falle können die ersten Anbieter im nächsten Jahr darauf migrieren. Die Arbeitsgruppe ist schon sehr weit. Der Standard muss in der Zukunft immer weiterentwickelt werden. Somit dürfte diese Arbeitsgruppe sicherlich zu denen gehören, die länger als nur für ein überschaubar kurzes Projekt Bestand haben werden. – Ein weiterer Plan, den Sie nach Ihrer Wahl angekündigt haben, betrifft gemeinsame Wohlverhaltensregeln. Wann sollen diese verabschiedet werden, und wie sollen sie aussehen?Ich erwarte, dass wir den “Code of Conduct” in diesem Jahr noch verabschieden werden; danach müssen sich noch die Wertpapieraufseher im CESR damit befassen. Die Themen werden im “Code of Conduct” in zwei Stufen präsentiert: Zum einen wird es “High-Level Principles” geben, die die Grundsätze regeln, die entlang der Wertschöpfungskette vom Backoffice bis zur Auswahl der Vertriebspartner gelten sollen. Zum zweiten wird es “Best Practice Recommendations” geben. – Es wird also Minimalstandards geben ohne allzu detaillierte Vorgaben?Ich würde lieber von hohen Mindeststandards sprechen, sonst klingt es, als ob die Regeln einen niedrigen Anspruch hätten. Aber der “Code of Conduct” wird vom Umfang her keine Bibel sein, die die Leute dann nicht lesen. – Wie verbindlich sollen die Wohlverhaltensregeln sein, und wie wollen Sie deren Einhaltung überprüfen?Ich gehe davon aus, dass das in den einzelnen Ländern geregelt wird. Als wir während meiner Tätigkeit im Schweizer Fondsverband Wohlverhaltensregeln eingeführt haben, wurden die Revisoren mit der Kontrolle beauftragt. Alternativ gibt es das Modell, innerhalb des Verbands ein Schiedsgericht einzuführen. Das setzt aber eine starke Verbandsstruktur voraus und könnte problematisch sein, weil der Verband dann Richter und Gesetzgeber in einem wäre. Aber das soll jedes Land selbst regeln. Es gibt verschiedene Wege, um nach Rom zu gehen; wichtig ist, dass man irgendwann ankommt. – Für wie dringend halten Sie die EU-weite Regulierung von Hedgefonds, die nach dem spektakulären Einstieg eines solchen Fonds bei der Deutschen Börse diskutiert wurde?Bisher gibt es einen Wildwuchs von nationalen Regeln. Die Industrie hat mit großen Hoffnungen auf Deutschland geschaut, als Hedgefonds mit dem Investmentgesetz eingeführt wurden. Das Resultat war leider sehr enttäuschend, weil die Anforderungen an das Steuerreporting nicht praxisgerecht sind. Eine EU-weite Hedgefonds-Regulierung wird erst kommen, wenn in einigen Jahren die komplett überarbeiteten Fonds-Regeln in Kraft treten werden. Immerhin wäre denkbar, gemeinsame Regeln für “Private Placements” zu etablieren. – Haben Sie geprüft, Hegdefonds der Robeco-Gruppe in Deutschland anzubieten?Ja, wir haben geprüft, ob wir unseren niederländischen oder amerikanischen Dach-Hedgefonds in Deutschland anbieten sollen, und dann davon abgesehen. – Was halten Sie davon, die Stimmrechte in einem Unternehmen für Hedgefonds zu beschränken, beispielsweise auf 10 %? Oder langfristige Aktionäre für ihre Treue mit Sonderstimmrechten zu belohnen?Solche Vorgaben sind mit einer modernen Corporate Governance, die gleiche Rechte für alle Aktionäre beinhaltet, nicht vereinbar. Wenn ein Unternehmen keine Aktionäre haben will, sollte es keine AG sein. Kapitalgeber haben nun mal Rechte. Man kann nicht den Benefit des Kapitalmarkts für sich nutzen wollen, ohne die Pflichten wahrzunehmen. Vor allem nicht, wenn das Unternehmen eine Börse ist und am Kapitalmarkt eine Vorbildfunktion einnehmen sollte. Wer müsste besser wissen, was es heißt, an der Börse zu sein, als die Börse? – Zurück zum europäischen Fondsverband: Was wollen Sie intern verändern?Das Budget ist von den Mitgliedern fast verdoppelt worden, so dass wir das Sekretariat in Brüssel stärken können. Das ist auch notwendig, wenn wir gleichwertig neben den Banken und Versicherungen stehen wollen. Von derzeit neun Mitarbeitern im Sekretariat wollen wir auf zwölf oder 13 aufstocken. – Wird auch ein Generaldirektor hinzukommen?Dass er kommt, ist klar. Die Auswahl werden wir noch in diesem Jahr treffen. Seit Sommer suchen wir mit einem Headhunter nach geeigneten Kandidaten. Derzeit sichten wir die Lebensläufe derer, die sich auf der “Long List” befinden. Da es hier um eine attraktive Position geht, sehen wir viele sehr gut qualifizierte Bewerbungen.Das Interview führte Christina Rathmann.