Immobilien - Interview mit Georg Kulenkampff

Börsenkandidat Deutsche Annington wechselt Strategie

Einzelverkauf von Wohnungen an die Mieter tritt in den Hintergrund - Stattdessen Wachstum durch Zukäufe kleinerer Portfolios

Börsenkandidat Deutsche Annington wechselt Strategie

cru Düsseldorf – Die Deutsche Annington ist seit der Übernahme der Eon-Tochter Viterra im Jahr 2005 mit insgesamt rund 230 000 bewirtschafteten Wohnungen das größte Unternehmen der Branche in Deutschland. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Eigentümer Terra Firma die in Bochum ansässige Gesellschaft 2007 an die Börse bringen möchte, obwohl das IPO von der britischen Beteiligungsgesellschaft offiziell noch immer als “eine Option” unter mehreren bezeichnet wird. Erst vor einem Monat wurde Terra-Firma-Geschäftsführer Georg Kulenkampff als neuer CEO an die Spitze der Deutschen Annington gesetzt. Im ersten Interview seit Amtsantritt kündigt der 54-jährige Manager einen Strategiewechsel an: Der bisher lukrative und für die Erträge bedeutende Verkauf einzelner Wohnungen an die Mieter tritt künftig in den Hintergrund. Stattdessen soll der Wohnungsbestand durch Zukäufe – insbesondere kleinerer Portfolios – wachsen. – Herr Kulenkampff, die Deutsche Annington hat im Jahr 2005 ein Ergebnis aus der Veräußerung von 12 000 Wohnungen von 240 Mill. Euro sowie Erlöse aus der Bewirtschaftung der Wohnungen von 700 Mill. Euro erzielt. Wie wollen Sie die Erträge für die heutigen oder auch künftige Eigentümer steigern?Unsere Branche ist wie jede andere auch Marktveränderungen ausgesetzt. Vor Jahren, als Finanzinvestoren begannen, sich für deutsche Wohnungen zu interessieren, war Terra Firma als einer der Ersten am Markt. Zunächst war die Strategie sehr stark auf die sogenannte “Mieterprivatisierung” fokussiert – also auf den Weiterverkauf einzelner Wohnungen an die darin wohnenden Mieter. Der Grund war, dass man die Wohnungen damals in großen Paketen zu relativ günstigen Preisen einkaufen konnte – und deshalb zu Preisen verkaufen konnte, die für die Mieter durchaus attraktiv waren. Diese Preise lagen trotzdem deutlich über dem Einkaufspreis. Das war ein sehr erfolgreiches Konzept. – Und heute?Seit zwölf bis 18 Monaten beobachten wir eine Veränderung. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen sind aufgrund des Wettbewerbs die Einkaufspreise gestiegen – ohne dass die Verkaufserlöse entsprechend mitgestiegen wären. Die Marge aus der Mieterprivatisierung ist also deutlich kleiner geworden. Die gute Nachricht ist, dass die Finanzierungskosten für Zukäufe gesunken sind. – Was bedeutet das für Ihre Unternehmensstrategie?Vor dem beschriebenen Hintergrund tritt der Einkauf von Portfolios – und damit das Wachstum des Gesamtbestands sowie die daraus entstehenden Größenvorteile – in den Vordergrund. Das ist für die heutige Strategie eines Wohnungsunternehmens sehr viel bedeutender im Vergleich zu den früheren Jahren. – Welche Folgen hat das für Ihr Unternehmen?Wenn Sie erfolgreich Bestände akquirieren wollen, müssen sie sich im Markt nicht nur die großen Portfolios ansehen, sondern sie müssen auch in der Lage sein, kleinere Pakete zu erwerben. Damit meine ich Bestände mit weniger als 5 000 oder sogar kleiner als 1 000 Wohnungseinheiten. Wenn Sie solche kleinen Bestände kostengünstig integrieren können, aber auch bei den wirklich großen Transaktionen hohe Synergien realisieren können, dann haben Sie einen klaren Wettbewerbsvorteil. Das können Sie aber nur, wenn Sie über eine effiziente und integrierte Organisation und Infrastruktur verfügen. Das ist sicher eine der großen strategischen Stärken der Deutschen Annington. Wir sind nicht nur in einigen Regionen, sondern bundesweit mit entsprechenden Tochtergesellschaften vertreten. Das Unternehmen ist mit seiner gewachsenen Organisation in der Lage, Bestände jenseits der 100 000 zu erwerben und innerhalb kürzester Zeit zu integrieren – aber im gleichen Atemzug auch einen kleinen Bestand mit 50 Wohnungen ohne exorbitante Integrationskosten zu kaufen. – Das heißt, die gesamte Marktkonstellation hat sich geändert?Ja, man muss sich heute anders aufstellen. Bestandskäufe sind in der aktuellen Marktlage ein wichtiges Thema, und die Deutsche Annington kann sich in diesem Markt optimal bewegen. – Der Eigentümer Terra Firma hat für die Deutsche Annington eine Verdoppelung des Wohnungsbestands auf eine halbe Million Einheiten angekündigt. Wo sehen Sie Chancen für Zukäufe im Markt?Es wird ein großes Angebot an Wohnungen auf den Markt kommen. Allein die öffentliche Hand wird in den nächsten Jahren mehr als 2 Millionen Wohnungen verkaufen, davon die meisten aus Beständen der Kommunen. Wir haben nicht die Sorge, dass irgendwann einmal in absehbarer Zeit das Angebot nicht mehr vorhanden wäre. – Beim jüngsten Verkaufsversuch der Stadt Freiburg wurde das Vorhaben jedoch bei einem Bürgerbegehren abgelehnt und deshalb abgebrochen. Es scheint, dass sich mit Freiburg eine gewisse Veränderung der politischen Lage andeutet. Bis vor einem Jahr war es durchaus populär in Kommunen, durch den Verkauf von Wohnungsbeständen den eigenen Haushalt zu sanieren. Inzwischen haben sich in einigen Regionen Gegner dieser Privatisierung formiert und teilweise durchgesetzt. Das ist eine Herausforderung für unsere Branche. Denn Bund, Länder und vor allem die Konzerne haben ihre Wohnungen weitgehend verkauft. Bestände im öffentlichen Bereich liegen heute im Wesentlichen bei den Kommunen. Wir müssen einfach sehr viel mehr mit den Kommunen reden und die Ängste und Befürchtungen abbauen. Hier im Ruhrgebiet sitzt die Deutsche Annington mit Kommunen am Tisch und diskutiert wohnungs- und siedlungspolitische Fragen. Wir berücksichtigten die berechtigten Interessen der Kommunen. – Aber wenn die Kommunen die Verkäufe abbrechen, dann schrumpft der Markt erheblich.Die Kommunen repräsentieren zwar einen großen Teil des Angebots. Ein bedeutender Teil des Angebots rekrutiert sich aber auch aus Beständen in der Hand von privaten Eigentümern – darunter Finanzinvestoren, die aussteigen wollen. Wichtig sind dabei auch die kleinen Bestände. Denn je größer ein Portfolio ist, umso heftiger ist der Wettbewerb und umso höher sind auch die Preise, die geboten werden. Daher bin ich froh, dass die Deutsche Annington nicht einzig und allein auf die großen Brocken bei der Privatisierung angewiesen ist. – Der politische Widerstand gegen Privatisierungen speist sich aus der Angst vor Mieterhöhungen. Wie stark haben Sie im vergangenen Jahr die Mieten erhöht?Dies ist von Region zu Region sehr unterschiedlich. Aber Sie wissen, wie außerordentlich klar das deutsche Mietrecht in dieser Hinsicht ist. Jeder Eigentümer, ob er nun Deutsche Annington heißt oder ein kleiner Eigentümer mit zwei Wohnungen ist, kann und wird die Spielräume innerhalb der gesetzlichen Vorgaben nutzen, wenn der Markt dies erlaubt. Und in diesem Rahmen bewegen wir uns auch. – Sie können die Mieten nicht kräftig erhöhen. Was ist dann das wichtigste Instrument zur Ertragssteigerung? Um die Ertragskraft des Unternehmens weiter zu steigern, wollen wir über den Zukauf weiterer Bestände wachsen. Wenn uns das gelingt, wir darüber hinaus unsere Kosteneffizienz in der Bewirtschaftung der Wohnungen steigern und durch attraktive Wohnangebote den Leerstand senken, dann haben wir die wesentlichen Hebel bewegt, die die Erträge in einem solchen Unternehmen bestimmen. – Welches von diesen Instrumenten ist das wichtigste?Am wichtigsten ist das Bestandswachstum. – Warum sind Sie von dem Instrument der Mieterprivatisierung zur Steigerung der Erträge abgerückt? Das ist eine Frage des Preises, den die Mieter zu zahlen bereit sind. So hat sich Zahl der Wohnungsprivatisierungen bei uns im vergangenen Jahr halbiert auf etwa 5 000 Wohnungen. Sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, kann die Mieterprivatisierung auch wieder wichtiger werden. – Bei den Zukäufen haben Sie aber heftige Konkurrenz von anderen Finanzinvestoren wie Fortress, Cerberus und Oaktree.Ich nenne jetzt mal eine Zahl: Uns sind im Jahre 2006 – ohne dass wir aktiv im Markt herumgelaufen sind und an jeder Tür gerüttelt haben – ungefähr 300 000 Wohnungen angeboten worden. Ohne die Megatransaktionen. Das gibt Ihnen ein Gefühl dafür, wie viel Bewegung in dem Markt ist – unterhalb großer Privatisierungen. Das sind Portfolios, von denen man nie in der Zeitung liest und die nicht sichtbar sind. Und dann haben Sie eben nicht zwei Transaktionen im Jahr, sondern vielleicht zwei Transaktionen pro Woche. Das ist etwas, was wir können. – Die Deutsche Annington ist seit dem Zukauf der Viterra nicht mehr nennenswert gewachsen. Warum wollen Sie erst jetzt wieder zukaufen?Die Integration zweier solch großen Einheiten kostet eine Menge Zeit und Mühe. Es war uns zunächst wesentlich wichtiger, diese beiden Unternehmen zusammenzuführen und Synergiepotenziale zu heben – und die Deutsche Annington als eine starke und große Marke auf dem Markt zu positionieren. Das Jahr 2006 stand eindeutig im Zeichen der Integration. Wir brauchten Zeit, um das Management aufzustellen und die Verwaltungssysteme zu integrieren. Das ist jetzt mit Erfolg abgeschlossen worden. Mit 2007 beginnt nun ein Jahr des Wachstums. – Warum haben Sie kürzlich den bisherigen Vorstandschef Volker Riebel an der Spitze des Unternehmens abgelöst? Ein Unternehmen geht in seiner Entwicklung durch bestimmte Phasen. Herr Riebel hat das Unternehmen – so kann man es fast sagen – gegründet und aus der Taufe gehoben. Er hat in einer außerordentlich wichtigen Phase große Ängste bei Mietern und Beschäftigten abgebaut. Und das ist gelungen. Die Deutsche Annington hat heute bei Mietern und in der Politik eine herausragende Reputation. Die Krönung dieser ersten Phase war die Akquisition der Viterra und die Zusammenführung zu einem der führenden deutschen Wohnungsunternehmen. Das ist eine großartige Leistung. Jetzt kommt die zweite Phase: Das Unternehmen ist inzwischen ein Konzern und muss sich als solcher aufstellen. Diese nächste Phase kann unterschiedlichste Aspekte haben. Sie kann heißen: neuer Eigentümer. Sie kann heißen: Auslandsexpansion. Sie kann heißen: Wachstum des Bestands. Vor diesem Hintergrund erfolgte der Führungswechsel, und ich freue mich, dass Herr Dr. Riebel dem Unternehmen weiterhin mit Rat und Tat zur Seite steht. – Geht die Deutsche Annington an die Börse – oder ist auch ein Verkauf an einen anderen Finanzinvestor wie Fortress denkbar? Es werden permanent alle Optionen vom Eigentümer geprüft, und dann wird entschieden.Das Interview führte Christoph Ruhkamp.