Recht und Kapitalmarkt - Kanzleien im Gespräch

Cleary Gottlieb dreht auch am M & A-Markt immer größeres Rad

Vergleichsweise kleine Kanzlei spielt ganz vorne mit - Organisches Wachstum

Cleary Gottlieb dreht auch am M & A-Markt immer größeres Rad

Von Walther Becker, Frankfurt Christof von Dryander hat ein Problem, um das ihn zahlreiche Kollegen anderer Kanzleien beneiden dürften: Seine Kanzlei wird das Spitzenergebnis des “absoluten Traumjahres” 2005 im nächsten Turnus kaum mehr toppen können. Von Dryander ist Partner von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton LLP in Frankfurt. Die deutsche Niederlassung hat sich äußerst erfolgreich nach vorne gearbeitet und belegt in den League Tables regelmäßig Plätze unter den ersten zehn. Und das mit einer Mannschaft von gerade 55 Anwälten, darunter zwölf Partner. Die mittlerweile fast 35-jährige Tradition der aus den USA stammenden Sozietät (weltweit 850 Anwälte, davon 170 Partner) zahlt sich aus: Cleary Gottlieb ist bei führenden deutschen Unternehmen gut verdrahtet.”Wir wurden lange als Kapitalmarkt-Boutique betrachtet”, sagt von Dryander im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “In den vergangenen drei bis vier Jahren haben wir echte Anstrengungen unternommen, uns im M & A-Markt zu positionieren.” Das ist gelungen: Bei der bisher größten grenzüberschreitenden Bankenfusion in Europa – der Übernahme der HypoVereinsbank durch die italienische Unicredit – steht Cleary Gottlieb der HVB zur Seite. Bei der derzeit laufenden, 5,5 Mrd. Euro schweren Übernahme der englischen Exel durch die Deutsche Post berät man den “Gelben Riesen” in Bonn. HVB und Post sind schon fast “Stammkunden” der Kanzlei. “Wir haben uns personell verstärkt”, sagt von Dryander und verweist auf seinen Partner Klaus Riehmer, der 2004 mit einem Kollegen von Haarmann Hemmelrath zu Cleary wechselte. Er gilt als Kapazität bei Mergers & Acquisitions. Klein, aber feinZweiter Punkt: “Wir sind intern anders aufgestellt”, verweist von Dryander auf ein flexibles Team, das sich im Gegensatz zu größeren Häusern nicht auf allen Gebieten tummelt. Und drittens vertraue ein Teil der Mandanten im Kapitalmarktrecht mittlerweile bei Fusionen und Übernahmen auf die Kanzlei. “Wir haben uns darauf eingestellt und einige unserer Kapitalmarkt-Kapazitäten stärker dem M & A zugeordnet”, sagt Riehmer. So seien dort zunehmend Gabriele Apfelbacher und von Dryander tätig. Ein weiterer Faktor komme vom Markt hinzu: Komplexe, internationale Transaktionen erforderten wegen der regulatorischen Auflagen, dass nur ein kleiner Kreis von Beratern eingeweiht sei. Das kommt international präsenten Kanzleien zugute. Doch umgekehrt: Steht eine Kanzlei dieser Größe, wenn sie Mammutmandate an Land zieht, vor Kapazitätsproblemen? Das verneint Riehmer. Man könne ohne weiteres zwei bis drei Transaktionen à la HVB gleichzeitig beraten.Hinzugekommen zum langjährigen Frankfurter Büro ist 2004 die Praxis in Köln, die bisher vorrangig im Kartellrecht aktiv ist. Doch auch in der Domstadt wollen sich die Kollegen stärker um Unternehmensmandate kümmern. “In den nächsten drei bis vier Jahren können wir ohne weiteres in Deutschland 80 bis 100 Anwälte haben”, sagt Riehmer. Das wäre fast eine Verdoppelung zum heutigen Stand. Der Umsatz lag zuletzt bei mehr als 30 Mill. Euro, wobei auch Cleary Gottlieb keine konkreten Zahlen nennt. Es gehört nicht viel Vorstellungskraft dazu zu schätzen, dass er allein aufgrund der aktuellen Mandate 2005 kräftig steigt. Cleary Gottlieb wird heute von Mandanten in einem Atemzug mit Hengeler Mueller, Freshfields Bruckhaus Deringer, Allen & Overy (Kapitalmarkt) oder Shearman & Sterling genannt. “Unser Ziel ist es, der ersten Riege stabil anzugehören”, sagt Riehmer. Und das fällt einer kleinen Kanzlei nun einmal schwerer als großen Rivalen.Cleary Gottlieb wachse weiter aus eigener Kraft, finde aufgrund ihres Rufes hervorragenden Nachwuchs und habe Zugang zu exzellenten Seiteneinsteigern, sagt von Dryander. Doch räumt er organischem Wachstum Vorrang ein. Dieses und nächstes Jahr, so kündigt er an, stehen einige Eigengewächse zur Partnerschaft an. Damit soll die “Leverage”, also das Verhältnis von Partnern zu Associates, wieder auf das als angemessen angesehene Verhältnis von 1 zu 3,5 sinken. Als Kanzlei, die sich partnerintensiv mit komplexen Einzeltransaktionen beschäftige, benötige man jeweils weniger Associates pro Partner als Adressen, die einen größeren Anteil an Massengeschäft haben. IPOs unter KostendruckAuch im IPO-Geschäft tummelt sich Cleary Gottlieb. Bei Conergy und Grammer wurden die Banken beraten; beim Q-Cells-IPO der Emittent. Doch stehe dieses Geschäft unter starkem Kostendruck; der Wettbewerb der Anwälte sei enorm, die Banken verdienten weniger als vor einigen Jahren an IPOs und deutlich weniger als in den USA. Sie müssten die Rechtsberatung heute zumeist selbst tragen. Da bleibe bei kleineren und mittleren Deals nicht mehr viel hängen zur Bezahlung der Anwälte. Bei Fusionen und Übernahmen zählten demgegenüber vielfach auch heute noch primär die persönlichen Drähte des Managements oder der Rechtsabteilung zum “Partner des Vertrauens”. Aber auch hier komme es aufs Preis-Leistungs-Verhältnis, das der Mandant kenne, an. “Wenn es so weitergeht, sind wir zufrieden”, sagt Dryander. Das M & A-Geschäft nimmt dieses Jahr Fahrt auf, ausländische Investoren seien ungebrochen positiv gestimmt für Deutschland und Private-Equity-Fonds weiterhin sehr aktiv. Zudem steige die Regulierungsdichte, was Beratungs- und Vertretungsbedarf vor Gericht (Litigation) erfordere.