Asset Management - Die Kapitalanleger

Der Portfolio-Lotse der Ergo

Der theoretische Mathematiker Dietmar Osenberg dirigiert 102 Mrd. Euro - Modelle für die Kundenerwartungen

Der Portfolio-Lotse der Ergo

Von Antje Kullrich, Düsseldorf Für einen theoretischen Mathematiker ist Dietmar Osenberg ein höchst umgänglicher Mann. Locker und schlagfertig räumt der heute in den Diensten der Ergo stehende 46-Jährige auf mit dem Klischee vom abgehobenen Rechenkünstler, dessen Sitz im Elfenbeinturm Kommunikation mit Normalsterblichen schwierig macht. Dietmar Osenberg hat es schon vor Jahren auf die praktische Seite der Mathematik verschlagen: Er ist Leiter der Strategischen Asset Allocation der Ergo Versicherungsgruppe. Für den zweitgrößten deutschen Erstversicherer plant er mit seinem Team die grundsätzliche Richtung der 102 Mrd. Euro umfassenden Kapitalanlagen, von denen das Gros für die Kunden der Lebensversicherung verwaltet wird.Während des Studiums an der Bonner Uni frönte er noch abgehobenen Themen. Das Thema seiner Dissertation, die er an der Katholischen Universität Eichstätt schrieb, lautete: “Eisensteinkohomologie für eine Q-Rang-1-Form von Sp2.” Es ging um Bewegungen in hochdimensionalen Räumen.Wofür braucht man das? “Gar nicht”, gibt Osenberg unumwunden zu. Entfernte Anwendungen seien noch in der Codierungstheorie denkbar, doch ansonsten sei seine wissenschaftliche Laufbahn “maximal weit im theoretischen Bereich”. Mit Versicherungen und Kapitalanlage hatte er überhaupt nichts zu tun. Kaum Platz im ElfenbeinturmDoch bald nach der Promotion orientierte sich Osenberg neu: “Um wirklich in der Oberliga der reinen Mathematik mitzuspielen, reichte es nicht. Irgendwann stand die Entscheidung an, ob man wirklich für Geld arbeiten will oder nur für die Kunst. Ich wollte außerdem etwas machen, wovon man im wirklichen Leben etwas sieht.”Er ging zum Deutschen Herold, in einer Zeit, als die Deutsche Bank ihren Anteil an dem Bonner Versicherer aufstockte und die Gesellschaft aus dem Dornröschenschlaf eines Familienunternehmens erwachte. Er war der erste promovierte Mathematiker in den Reihen des Herolds. Im ersten halben Jahr habe er eine Menge Aufgaben bekommen, bei denen man seinen Willen zu arbeiten testen wollte, erzählt er schmunzelnd. “Wir sind hier kein Max-Planck-Institut, Herr Osenberg”, war ein Spruch, den er zum Start häufiger zu hören bekam. Schon beim Deutschen Herold, einem klassischen Lebensversicherer, arbeitete Osenberg recht nah an Kapitalanlagethemen, beschäftigte sich mit Finanzcontrolling und Asset Liability Management. Im September 2002 wechselte er zur Ergo, als die Deutsche Bank den Herold an die Zürich Versicherungen abgab und die Schweizer die neue Tochter enger an die Kandare nahmen. Zur Ergo stieß er in einer Zeit, als der zweitgrößte Erstversicherer der Republik milliardenschwere Verluste in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren aufgrund der Kapitalmarktkrise einfuhr. Das sei keine erfreuliche Zeit gewesen, erinnert er sich. Osenberg beschäftigt sich zunächst mit Risikocontrolling, auf die Aktivseite der Bilanz wechselt er erst Ende 2004. Da ist langsam das Schlimmste überstanden. Aufgaben neu definiertMit seinem Team von 40 Leuten – die Hälfte davon sind Mathematiker – steuert er die strategische Asset Allocation. Die Einzelauswahl von Titeln liegt bei der gemeinsam mit der Mutter Münchener Rück betriebenen Anlagegesellschaft Meag. Im Laufe der Zeit habe sich seine Definition der Aufgabe seines Teams um einiges gewandelt, gibt Osenberg zu: “Wir achten heute stärker als früher darauf, dass die Produkte, die wir verkaufen, viel mit menschlichen Erwartungen und Verhalten zu tun haben. Was erwartet der Kunde von seiner Lebensversicherung? Das muss stärker berücksichtigt werden. Unsere These lautet: In der Nähe des Garantiezinses sieht der Kunde die Lebensversicherung wie ein langfristiges festverzinsliches Wertpapier, in Zeiten stark steigender Zinsen eher wie ein einjähriges Papier.”Das schafft durchaus Probleme, da die Rentenpapiere im Bestand bei steigendem Zinsniveau an Wert verlieren, was dem Kunden aber schwer zu vermitteln ist. Im Zinstal 2005 hat Osenberg auf dieses Dilemma mit dem Kauf von Swaptions reagiert, die den Zinssatz nach unten sicherten, aber Spielraum nach oben gelassen hätten. Das sei zwar etwas teurer gewesen, habe sich letztlich aber ausgezahlt.Spannend findet Osenberg derzeit das Thema Credit, “weil die Preise wieder stimmen”. So habe die Ergo im vergangenen Jahr CMS-Floater gekauft, mit denen sich die Anforderungen von Osenberg und seinem Team gut abbilden lassen.Ursprünglich hatte der Mathematiker einen Berufswunsch weitab der Finanzwelt: “Ich bin von zu Hause aus christlich geprägt.” Evangelischer Pfarrer war für den Vater von zwei Kindern, der es als Organist fast bis zur C-Prüfung geschafft hat, eine echte Alternative. Derzeit beschäftigt er sich privat mit Eberhard Jüngers theologischem Werk “Gott als Geheimnis der Welt”. Zum Entspannen, so sagt Osenberg, darf es dann auch mal ein bisschen Geschichte sein: Die “Geo Epoche”Hefte haben es ihm angetan. Im Moment steht der Dreißigjährige Krieg auf Osenbergs Agenda.