Kapitalanlage

Der Tiger vor dem Sprung

Vietnams Aktienmarkt hat sich abgekühlt - Solide Rahmenbedingungen - Nur für risikobewusste Anleger

Der Tiger vor dem Sprung

Von Armin Schmitz, Frankfurt Um den Highflyer der vergangenen beiden Jahre ist es sehr ruhig geworden. Die Rede ist vom Aktienmarkt in Vietnam. Der Ho Chi Minh Stock Exchange Index (Vietnam Index) hat seit seinem Höchstkurs Anfang März dieses Jahres rund 25 % verloren – und mit ihm die Anlagezertifikate. Die Investitionslust der Anleger hat sich nach einer extremen Hausse deutlich abgekühlt. Nachdem der Aktienmarkt allein in den vergangenen zwölf Monaten bis zum Höchstkurs im März rund 250 % zugelegt hat, war eine Konsolidierung überfällig. Mit dem engen Aktienmarkt haben auch die Zertifikate deutliche Verluste von bis zu 30 % hinnehmen müssen. Dabei haben die aktiv gemanagten Papiere besser abgeschnitten als die passiven Produkte. Reine Vietnam-Fonds sind in Deutschland nicht zugelassen. Aufgrund des engen Marktes mit einer Marktkapitalisierung von 16 Mrd. Euro haben deutsche Emissionshäuser die Hausse unterhalten. Dem Vernehmen nach sind rund 750 Mill. Euro bis zu 1 Mrd. Euro durch Zertifikate oder Fonds in nur rund 120 Aktien geflossen. Davon ist nur ein geringer Teil für Ausländer erwerbbar. Es ist sicherlich ein gutes Zeichen, dass die Korrektur nach dem Aufschwung so moderat ausgefallen ist. Gute VoraussetzungenUnabhängig von der aktuellen Panik durch die US-Subprime-Krise sind die wirtschaftlichen Aussichten nach Meinung der Deutschen Bank weiterhin sehr gut. Laut dem Wachstumsprognosemodell der Analysten wird Vietnam bis 2020 in derselben Wachstumsliga wie China oder Indien spielen. Das asiatische Land hat hervorragende Voraussetzungen für eine positive Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten. Das vor sechs Jahren abgeschlossene beiderseitige Handelsabkommen zwischen den USA und Vietnam verschaffte den exportorientierten Unternehmen des asiatischen Staates Zutritt zum amerikanischen Markt, was zu einem deutlichen Anstieg der Ausfuhren führte. Darüber hinaus ist die Entwicklung an den Rohstoffmärkten sehr positiv für das Land. Es besitzt große Öl- und Gasreserven. Zudem gehört der Staat bei Agrarrohstoffen wie Pfeffer, Reis und Kaffee zu den weltweit wichtigsten Exporteuren. Die fortschreitende Industrialisierung hat einen starken Aufschwung bei den Investitionen ausgelöst. Im Vorfeld des Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO) im Januar dieses Jahres wurden viele Reformen und Liberalisierungsmaßnahmen eingeleitet. Die vietnamesische Bevölkerung ist jung und gebildet. Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind zwar noch rar, es ist aber davon auszugehen, dass das allgemeine Bildungsniveau sich in den kommenden Jahren erheblich verbessert. Hohe DirektinvestitionenEngere Handelsbeziehungen zu China und den USA werden den Handelssektor weiter beflügeln. Vor allem die Auslandsinvestitionen bleiben hoch. Nach Zuflüssen von 10 Mrd. Dollar im vergangenen Jahr werden sich die ausländischen Direktinvestitionen 2007 auf 30 Mrd. Dollar verdreifachen. Im asiatischen Vergleich wurde Vietnams Wirtschaftsleistung in den letzten Jahren nur von China übertroffen. Von 2000 bis 2006 betrug die durchschnittliche Wachstumsrate 7,4 % jährlich. In China betrug sie 9,5 % und in Indien 6,7 %. Andererseits ist Vietnams Entwicklungsstand eher mit dem Indiens vergleichbar; das nominale Einkommen pro Kopf betrug 2006 geschätzte 715 Dollar, ähnlich dem Indiens (765 Dollar) und weniger als die Hälfte des chinesischen (2 000 Dollar). Laut den Prognosen von Deutsche Bank Research für das reale BIP-Wachstum von mehr als 30 Industrie- und Schwellenländern bis 2020 wird Vietnams Wirtschaft in den nächsten anderthalb Jahrzehnten mit durchschnittlich 5,7 % p. a. genauso stark wachsen wie China und Indien.Die positiven Rahmenbedingungen sieht auch Thomas Gerhardt, der das Portfoliomanagement der Schwellenländerfonds bei der DWS leitet. “Nach der Konsolidierung sind die Chancen für den vietnamesischen Aktienmarkt wieder günstig. Die Fundamentaldaten der vietnamesischen Wirtschaft sind hervorragend”, sagt Gerhardt. Damit ist das Land sicherlich einer der weltweit vielversprechendsten Schwellenländermärkte. Das Verlustrisiko ist allerdings nicht unerheblich. Wegen der fehlenden Anlagealternativen sind hier die Vietnam-Zertifikate das Produkt der Wahl. Sie sind allerdings nicht mit einer Kapitalgarantie oder einem Teilschutz ausgestattet. Daher ist das Produkt nur einem risikobewussten Anleger zu empfehlen. Einheimische Broker haben die 900 Punkte im Vietnam Index als wichtige Marke ausgemacht. Sollte das Niveau überschritten werden, rechnen die Analysten von Dragon Capital mit dem Zufluss von ausländischen Anlagegeldern in Höhe von 2 Mrd. Dollar.