Anlageprodukte - Interview mit Christian Reuss, CEO von Scoach

"Es ergeben sich Synergien und Cross-Selling-Chancen"

Vorteile für Anleger durch Fusion von Deutscher Börse und Nyse Euronext gesehen - Schwächung des OTC-Handels durch Mifid erwartet

"Es ergeben sich Synergien und Cross-Selling-Chancen"

– Wir erlebten in der vergangenen Woche wegen der Erdbebenkatastrophe eine sehr volatile Marktentwicklung. Wie verlief in dieser Phase der Handel auf Scoach?Der Handel lief bei uns weitestgehend problemlos. Wir haben keine Panikverkäufe wie im Herbst 2008 gesehen. Der 15. März war der drittstärkste Handelstag seit Gründung von Scoach. Die Xetra-Handelssystem arbeiteten ohne Probleme. Es kam wegen der zeitweiligen Fast-Market-Phasen und extremen Orderspitzen allerdings zu zeitweise verzögerten Orderausführungen. Unsere Website hatte im Unterschied zu vielen anderen Marktteilnehmern keine Probleme.- Sie haben trotz aller Bemühungen in den vergangenen Monaten kaum Umsatzanteile gewinnen können. Woran liegt das?Scoach ist mit ihren Handelsplätzen in Zürich und Frankfurt die größte Börse für strukturierte Produkte in Europa. Zuletzt erreichten wir 2010 einen Handelsumsatz von 48,25 Mrd. Euro und lagen damit deutlich vor den anderen Handelsplätzen. In Deutschland liegt der Marktanteil von Scoach bei rund 40 %. Diesen haben wir tatsächlich in den vergangenen Monaten nicht weiter steigern können. Das hat zwei Gründe. Die deutschen Geschäftsbanken internalisieren verstärkt ihr Geschäft, Frankfurt hatte hier traditionell eine führende Rolle im Zertifikate-Flow aus den Bankfilialen. Die Marktanteilsverluste konnten allerdings durch Zugewinne anderer Teilnehmer mehr als ausgeglichen werden. Zusätzliche Umsätze versprechen wir uns von der Live-Schaltung der Notierung von Produkten verschiedener Fremdwährungen.- Die geplante Fusion zwischen der Deutschen Börse und Nyse Euronext hat große Unruhe ausgelöst. Welche Auswirkungen hat der Zusammenschluss auf Scoach?Scoach ist ein Gemeinschaftsunternehmen von SIX Group und Deutscher Börse. Derzeit werden keine Auswirkungen auf das operative Geschäft durch den geplanten Zusammenschluss zwischen Deutscher Börse und Nyse Euronext erwartet.- Wie sieht die Zukunft von Xetra aus, wenn es zur Fusion kommt?Nach dem geplanten Zusammenschluss von Deutscher Börse und Nyse Euronext wird beabsichtigt, jeweils ein einheitliches System für den Kassamarkt und für den Terminmarkt einzuführen. Scoach ist Lizenznehmer von Xetra und hat einen mehrjährigen Nutzungsvertrag mit der Deutschen Börse. Ein möglicher Systemwechsel bei Scoach würde in enger Abstimmung mit den Marktteilnehmern erfolgen.- Welche Vorteile haben Anleger und Emittenten, wenn es zu einem einheitlichen Handelsplatz für strukturierte Produkte in Europa kommt?Durch eine börsenplatzübergreifende Zusammenarbeit entsteht der größte zusammenhängende Handelsplatz für strukturierte Produkte in Europa. Anleger profitieren von einer großen Produktzahl und maximaler Transparenz. Für Handelsteilnehmer und Emittenten ergeben sich durch einen möglichen Zusammenschluss Synergien und Cross-Selling-Chancen in den Bereichen Handel und Clearing sowie in der Marktdatenverarbeitung.- Steubing hat vor wenigen Wochen seine Tätigkeit als Spezialist beendet. Wie sehen die Bestrebungen aus, den Handel nur noch auf einen Spezialisten zu konzentrieren?Daran besteht derzeit kein Interesse. Es war der Wunsch der Emittenten nach einem Wettbewerb zwischen mehreren Spezialisten. Daher wird der Handel auf Scoach von zwei Spezialisten betreut, die sich im Sinne des Anlegers auf eine schnelle Orderausführung konzentrieren und auf Eigenhandel verzichten.- Die Börse Stuttgart wird ab April den Handel mit Aktien, Genussscheinen und Anleihen ab 8 Uhr beginnen. Wird Scoach auch die Handelszeiten bei den Anlagederivaten ausweiten?Wir wollen vorerst bei den bisherigen Handelszeiten bleiben. Uns wurde auch von Seiten der Emittenten signalisiert, dass wegen der täglichen Verteilung der Umsätze keine Veranlassung besteht, die Handelszeiten auszudehnen.- Welche Strategie verfolgen Sie, um gegenüber den Konkurrenzbörsen Marktanteile zu gewinnen?Wir sehen den außerbörslichen Handel als die größte direkte Konkurrenz an, weniger die Regionalbörsen. In manchen Produktgruppen finden schätzungsweise 70 % des Handels außerbörslich statt. Wir wollen dem Anleger zeigen, dass der Börsenhandel deutliche Vorteile gegenüber dem OTC-Handel hat. Wir bieten einen transparenten Handel an, eine garantierte Liquidität, auch in extremen Marktphasen, sowie Rechtssicherheit. Im Gegensatz zum außerbörslichen Handel erfolgt im börslichen Handel eine kontinuierliche Überwachung. Jeder Umsatz wird zentral erfasst, die Ausführungszeiten der Orders und die Qualität der Preisstellungen gemessen. Die Handelsüberwachungsstelle (HÜSt) beobachtet und dokumentiert die Kursstellungen, die Umsätze und eventuelle Handelsausfälle. Verstöße werden umgehend geahndet.- Sie haben bereits angedeutet, dass der Anleger zum außerbörslichen Aktienhandel tendiert. Wie groß sind die Bestrebungen, ein außerbörsliches Handelssystem aufzubauen oder zu kaufen?Wir sehen im deutschen OTC-Markt kein Wachstumspotenzial und haben aktuell kein Interesse daran, ein außerbörsliches System zu erwerben oder selbst aufzubauen. Bei den Anlagederivaten sehen wir im außerbörslichen Handel keine Zukunft. Bei den Diskussionen in Brüssel kristallisiert sich mittlerweile heraus, dass die EU-Kommission mit einer Verschärfung der Mifid-Richtlinie für mehr Transparenz bei den außerbörslichen Handelsplattformen sorgen möchte. Das wird langfristig den börslichen Handel wieder attraktiver machen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.