EU regelt Aktivitäten der Fondsbranche neu
Von Andreas Fillmann *) Mit dem von der Europäischen Kommission am 16. November 2006 veröffentlichten Weißbuch für den Ausbau des Binnenmarktes für Investmentfonds stehen weitgehende Änderungen des gesetzlichen Regelwerks (“Ogaw-Richtlinie” von 1985) der europäischen Fondsindustrie an. Rund drei Viertel der europäischen Investmentfonds fallen unter die Ogaw-Richtlinie. Die Kommission reagiert mit diesem Weißbuch auf festgestellte Ineffizienzen im Fondsmarkt, insbesondere im Hinblick auf den grenzübergreifenden Vertrieb, Kostenprobleme durch ineffiziente und suboptimale Größen, Zeitraum der Produkteinführung, im Bereich Fondsverwaltung und bei grenzübergreifenden Fondsfusionen. Basierend auf Anregungen von Expertengruppen enthält das Weißbuch Veränderungsvorschläge zur Anpassung der Ogaw-Richtlinie, auf deren Grundlage im Herbst 2007 ein konkreter Änderungsentwurf veröffentlicht werden soll. Dadurch sollen die Regeln für europäische Investmentfonds vereinfacht werden, um sie für Anleger durch geringere Kosten und höhere Renditen attraktiver zu machen. Zulassung beschleunigen Das Weißbuch kritisiert administrative Hindernisse und durch die Ungenauigkeit der Richtlinie bedingte Unterschiede im Notifizierungsverfahren, welches die Zulassung der Fonds in anderen Mitgliedstaaten regelt. Das Weißbuch bemängelt das bisherige Verfahren, da es im Aufnahmemitgliedstaat des Fonds häufig zu langwierig und aufwendig ist. Die Kommission fordert daher, das Verfahren schneller, günstiger und einfacher zu gestalten, ohne jedoch dabei die effektive Überwachung und den Anlegerschutz zu verringern. Hierzu werden Änderungen der Art. 44 bis 47 vorgeschlagen. Ein elektronisches Verfahren soll künftig einen Austausch von Informationen und Unterlagen binnen drei Tagen direkt zwischen den Aufsichtsbehörden der beteiligten Länder ermöglichen (sog. Regulator-to-Regulator-Verfahren). Diese Änderungen sind dringend erforderlich, um eine Harmonisierung der eklatant voneinander abweichenden Zeitspannen (zwischen 1 bis 2 Wochen und 6 Monaten) der Notifizierungsverfahren zu erreichen. Konkret bemängelt werden auch grenzübergreifende Fondsfusionen, die als zu komplex, zeitaufwendig und teuer beschrieben werden. Da mehr als die Hälfte der Ogaw-Fonds weniger als 50 Mill. Euro an Vermögenswerten verwalten, sollen rechtliche und regulative Fusionsbarrieren abgebaut und Fonds-Zusammenschlüsse auf europäischer Ebene erleichtert werden. Dies würde auch die Einführung einer Serie von Maßnahmen mit sich bringen, die sowohl dem Schutz des Anlegers dienen als auch eine effiziente Überwachung gewährleisten, wie z. B. die Gewährleistung einer verständlichen Ex-ante-Information der Anleger sowie die Einräumung der kostenfreien Rückgabemöglichkeit ihrer Anteile. Darüber hinaus ist die Kommission bestrebt sicherzustellen, dass grenzübergreifende Fondsfusionen für die Anleger auf eine steuereffiziente Art und Weise stattfinden. Um im Fonds-Wettbewerb auf internationaler Ebene mithalten zu können, ist die Förderung kostengünstigerer Strukturen dringend geboten, gerade was den Bereich der Fusionen von europäischen Fonds anbelangt. Auch die Zulassung von Pooling- Techniken begegnet dem Problem zu geringer und ineffizienter Fondsstrukturen in Europa. Pooling betrifft die Zusammenfassung von Vermögenswerten verschiedener Investmentfonds, um im Zuge ihrer gemeinsamen Verwaltung unter anderem Größen- und Liquiditätsvorteile zu realisieren. Dabei wird unterschieden zwischen “entity pooling”, bei dem ein rechtlicher Transfer der Vermögenswerte stattfindet, und “virtuellem Pooling”, bei welchem mittels Informationstechnologie die Vermögensgüter mehrerer Fonds in einem virtuellen Basispool aggregiert werden. Was das “entity pooling” betrifft, so schlägt die Kommission im Weißbuch eine Anpassung der Ogaw-Richtlinie vor, um diese bisher aufgrund von Steuerungsregeln nicht zulässige Technik künftig zu ermöglichen. Ferner will sie die Techniken des virtuellen Poolings im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit aufsichtsrechtlichen Anforderungen überprüfen und entsprechende Vorschläge für einen regulatorischen Rahmen erarbeiten. Größenvorteile nutzenDie Kommission kritisiert weiterhin die Kostennachteile, die der Branche durch die rechtliche Verpflichtung entstehen, jeweils eine Verwaltungsgesellschaft im Vertriebsland des Fonds zu gründen, die jedoch nicht grenzübergreifend ihre Dienste anbieten darf. Ein sogenannter EU-Pass für Verwaltungsgesellschaften, mit dem es ihnen nach einmaliger Zulassung möglich wäre, die Verwaltungsfunktion auch in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, würde Kosten reduzieren und auch Größen- sowie Spezialisierungsvorteile ermöglichen. Im Hinblick auf einen EU-Pass für Verwahrstellen, die derzeit im selben Mitgliedstaat wie die dazugehörigen Verwaltungsgesellschaften ansässig sein müssen, hält die Kommission allerdings eine Änderung der Richtlinie für nicht erforderlich. Allerdings genügt dabei nicht eine schlichte Empfehlung zur Anpassung der nationalen Gesetze, wie dies die Erfahrungen mit dem vereinfachten Prospekt gezeigt haben.Die Verbraucher sollen sich zukünftig nach dem Willen der Kommission auch besser über ihre Investmentfonds informieren können. Dazu sollen sich die statuierten Prospektanforderungen eines vereinfachten Prospekts verändern, da sich die Regeln der Richtlinie in der Praxis nicht bewährt haben. In den meisten Fällen sei der vereinfachte Prospekt zu lang und zu komplex, zudem auch je nach nationaler Umsetzung der Richtlinie unterschiedlich ausgestaltet. Der vereinfachte Prospekt sei für Investoren im Hinblick auf eine fundierte Anlageentscheidung von nur geringem Wert, da er den Anleger nicht mit klar verständlichen Informationen versorge. Das Weißbuch verlangt folglich substantielle Veränderungen des vereinfachten Prospekts in Form und Inhalt. Dies betrifft vorrangig Informationen über die Kosten, Risiken und die erwartete Wertentwicklung des jeweiligen Produkts. Die heterogenen nationalen Vorschriften und Praktiken zur Ausgestaltung des vereinfachten Prospekts sind ein Beispiel für die Notwendigkeit verbindlicher und harmonisierter Vorschriften auf EU-Ebene. Dennoch darf angezweifelt werden, ob es überhaupt gelingen kann, dem Anleger eine zuverlässige Information über Risiko und erwartete Wertentwicklung an die Hand zu geben.Neben einer weiteren Vielzahl von Maßnahmen wird im Weißbuch schließlich festgestellt, dass es eine Reihe von Investmentprodukten gibt, die von der Ogaw-Richtlinie bisher nicht erfasst werden und somit nicht Ogaw-kompatibel sind, aktuell jedoch bei Investoren sehr gefragt und aufgrund nationaler Regelungen vertrieben werden. Nach eingehender Analyse ist eine entsprechende Ausweitung des EU-Passes auf diese Produkte (z. B. offene Immobilienfonds) von der Kommission vor dem Hintergrund einer möglichen Verwässerung der Anlegerschutzbestimmungen zum derzeitigen Zeitpunkt nicht beabsichtigt, wird jedoch durch eine eigene Expertengruppe geprüft, was der rasant gestiegenen Bedeutung dieser Produkte für den Bereich der privaten Altersvorsorge Rechnung trägt. EU-weite PrivatplatzierungFür Geschäfte mit institutionellen und anderen qualifizierten Anlegern soll die Gründung eines “EU Private Placement Regime”, d. h. eines Systems für Privatplatzierungen, vorbereitet werden, welches den Verwaltern von nicht harmonisierten Fonds (z. B. Hedgefonds, Private-Equity-Fonds) den EU-weiten Vertrieb ermöglichen soll. Es bleibt abzuwarten, ob sämtliche angesprochenen Änderungen tatsächlich umgesetzt werden können. Festzustellen ist jedoch, dass die Kommission mit ihren Vorschlägen einen Schritt in die richtige Richtung unternommen hat, um die Rahmenbedingungen für die europäische Fondsbranche im globalen Wettbewerb zu verbessern und ihre Freiheiten im Binnenmarkt auszubauen. Analysten gehen dabei davon aus, dass mit einer Senkung der Betriebskosten für europäische Fonds eine erhebliche Steigerung der Renditen von bis zu 3 % einhergehen könnte. *) Dr. Andreas Fillmann ist Rechtsanwalt und Partner bei Squire Sanders & Dempsey in Frankfurt.