INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: WAHID CHAMMAS, JANUS CAPITAL

"Europäische Unternehmen outperformen die europäische Konjunktur"

Fondsmanager sieht Chancen am polnischen Markt - Dividendentitel insgesamt preisgünstig - Risikomanagement wichtig

"Europäische Unternehmen outperformen die europäische Konjunktur"

Die Staatsschuldenkrise hat Europas Aktienmärkte lange Zeit fest im Griff gehalten. Aber selbst in den Phasen großer Unsicherheit haben einige Fondsmanager Investmentchancen entdeckt. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Wahid Chammas, Fondsmanager von Janus Capital, den von ihm in seinem Janus Europe Fund verfolgten Core-Growth-Ansatz.- Herr Chammas, warum sind Sie mit Blick auf europäische Aktien so optimistisch?Ich bin von der Menge und Qualität der Möglichkeiten begeistert, die europäische Aktien bieten. In den vergangen zweitausend Jahren haben Indien und China durchschnittlich 35 % zum globalen BIP beigetragen, während der Anteil von Europa kontinuierlich bei etwa 20 % lag; Europa ist dabei der Motor, der das weitere Wachstum in der Welt antreibt. Wichtig ist auch die Tatsache, dass die Unternehmen im MSCI Europe momentan weniger als die Hälfte ihrer Umsätze in Europa machen. Das Wunderbare an Europa ist aus meiner Sicht, dass man hier vom globalen Wachstum profitieren kann. Es bietet hervorragende Arbitragemöglichkeiten. Europa war noch nie so preisgünstig und noch nie so sehr auf Fremdkapital angewiesen. Die Unternehmen sind momentan schon fast zu stark auf Fremdkapital angewiesen. Europäische Unternehmen outperformen die europäische Konjunktur, und Unternehmen wie Burberry und die Weir Group sind sehr stark.- Warum stufen Sie den polnischen Markt als vielversprechend ein?Polen hat eine unabhängige, flexible Währung und eine glaubwürdige Zentralbank. Gepaart mit einer strengen Haushaltsdisziplin und einem widerstandsfähigen Bankensystem hat dies dazu geführt, dass das Land seine Wettbewerbsfähigkeit trotz Finanzkrise behaupten konnte. Nur ganz wenige Länder in der Welt haben von 2008 bis heute keinerlei Rezession durchgemacht – Polen ist eines davon. Polens Arbeitskräfte sind dynamisch und das Land hat viel Erfahrung im Bereich der Produktion gesammelt, was dem Outsourcing-Bedarf von Deutschland und ganz Westeuropa zugute kommt.- Wie würden Sie den Anlageprozess für den Janus Europe Fund beschreiben?Beim Janus Europe Fund verfolgen wir einen analyseorientierten Core-Growth-Ansatz für europäische Aktien mit einem globalen Blickwinkel. Wir konzentrieren uns auf die globale aktienspezifische Analyse und nicht so sehr auf makroökonomische Einflüsse. Unser Ziel ist es, mithilfe des globalen Blickwinkels die besten europäischen Unternehmen aufzuspüren.- Welche Rolle spielen makroökonomische Faktoren?Bei unserem Anlageprozess setzen wir auf einen fundamental ausgerichteten Bottom-up-Research-Ansatz. Wir interessieren uns nicht für die Makroökonomie. Unsere Teamstrukturen ermöglichen es uns, globale Wachstumschancen effektiv aufzuspüren. Es ist doch veraltet, einen Telekom-Analysten in Paris zu haben, der sich nur europäische Unternehmen anschaut. Wir wollen, dass unsere Experten auch RIM, Apple und Nokia im Blickfeld haben, um Unternehmen wie ARM Holdings entdecken zu können. Nur mit einem globalen Blick kann man solche unglaublichen Chancen aufspüren. Janus ist in der beneidenswerten Lage, über sehr erfahrene Analysten zu verfügen, die nicht einem Fondsmanager zuarbeiten, sondern hauptberufliche Analysten sind. Eileen Hoffmann beispielsweise hat eine besondere Leidenschaft für den Einzelhandelssektor und hat Burberry aufgespürt. Als der Aktienkurs fiel, hat sie den CEO kontaktiert und wir haben uns zwei Tage lang erklären lassen, warum das Unternehmen eine Negativwarnung vorveröffentlicht hatte. Ich selbst arbeite übrigens nebenbei auch als Analyst mit dem Schwerpunkt globale Freizeit- und Konsumsektoren. Kurz gesagt: Wir suchen weltweit nach den besten Unternehmen und machen uns daher keine Gedanken über die europäische Wirtschaft.- Ihr Fonds gehört zu den performancestärksten unter den europäischen Aktienfonds. Was machen Sie anders als andere Portfoliomanager?Europäische Unternehmen stehen nicht nur mit anderen europäischen Firmen im Wettbewerb. Sie müssen sich auch auf den internationalen Märkten behaupten, auf denen sie agieren. Fondsmanager, die bei der Auswahl europäischer Aktien bloß auf die europäische Wirtschaft oder die europäischen Risiken blicken, ohne dabei die globalen Chancen im Auge zu behalten, können langfristig den Kürzeren ziehen. Wir dagegen wollen ein differenzierteres Bild erhalten – und reden deshalb nicht nur mit dem Management, sondern auch mit möglichst vielen Menschen im Unternehmen und in dessen Umfeld: mit dem mittleren Management, mit Kunden und Wettbewerbern. Unser Ziel ist es, die Perspektive eines Branchenteilnehmers zu erhalten. Und genau hier kommen unsere “Survey Associates” ins Spiel. Wir haben konstant 200 Umfragen laufen, die von unseren Analysten entwickelt wurden und von Mitgliedern unseres Research-Report-Teams durchgeführt werden. Letztere besuchen zum Beispiel Geschäfte und prüfen, was vorrätig und was vergriffen ist. Sie agieren als Käufer von Eigenheimen, um zu sehen, welche Deals möglich sind. Sie befragen Ärzte zu ihren Verschreibungspräferenzen und sprechen mit Händlern, um sich ein Bild von der Nachfrage nach Schwermaschinen zu machen.- Wie streng ist Ihre Orientierung an der Benchmark?Wir beginnen unsere Analyse nicht bei der Benchmark, sondern wir beginnen die Analyse global. Wir decken alle Aktien im Portfolio ab.- Wie wichtig ist der Umsatz in den aufstrebenden Märkten, wenn Sie ein Unternehmen analysieren?Wir konzentrieren uns nicht nur auf die Umsätze in den Schwellenländern, sondern auch auf die globalen Umsätze der Unternehmen. Wir profitieren vom Wachstum der Emerging Markets mit in Europa notierten Aktien. Dank unseres globalen Blickwinkels und unserer Analyse können wir führende europäische Unternehmen in ihren globalen Geschäftsfeldern und Wettbewerbsumgebungen aufspüren.- Berücksichtigen Sie bei der Auswahl eines Unternehmens auch Nachhaltigkeitskriterien?Janus ist Unterzeichner der Grundsätze für verantwortungsbewusstes Investment. Wir beziehen die ESG-Konzepte (Environment Social Governance) in die Unternehmensanalyse ein und bemühen uns, bei Abstimmungen und durch Gespräche mit den Unternehmensführungen wertschaffende Strategien zu fördern. Jeder Anleger muss die langfristigen Kosten im Auge behalten, vor denen ein Unternehmen steht, wozu auch potenzielle Umwelt- und Sozialauswirkungen gehören. Manchmal können diese Kosten klar berechnet werden, etwa die Kosten für die Umweltsanierung, wenn die Nutzungsdauer eines Bergwerks abgelaufen ist. Manchmal sind diese Kosten aber auch schwer zu schätzen. Aber wir wissen auch, dass Unternehmen, die zum Wohl der Gesellschaft beitragen, üblicherweise länger leben als solche, die ihr Schaden zufügen. Unser Bewusstsein für diese Konzepte und deren Beachtung ist deshalb mehr impliziter als expliziter Natur.- Und außerdem?Darüber hinaus vergleichen wir unsere Portfolios mit der MSCI-ESG-Research-Datenbank. Dieses externe Medium bewertet jedes Unternehmen im Hinblick auf eine Reihe von ESG-Kriterien und liefert eine Gesamtwertung. Wir geben die Ergebnisse an unsere Analysten weiter, damit sie diese in ihre eigenen Analysen und Unternehmensbewertungen mit einfließen lassen können. Generell schließen wir Anlagen aber nicht aus, die eventuell nicht den ESG-Richtlinien entsprechen, wenn wir keine zukünftige finanziellen Risiken erkennen können oder wenn diese Risiken im Aktienkurs bereits eingepreist ist. Es ist unsere Pflicht, uns auch solche Unternehmen anzuschauen. Aber es ist weitaus schwieriger, diese Arten von Verbindlichkeiten zu bewerten, und steht im generellen Widerspruch zu unseren Bemühungen, Unternehmen mit guten langfristigen Aussichten aufzuspüren.- Wie ist das Risikomanagement in dem Portfolio des Janus Europe Fund implementiert?Das Risikomanagement ist ebenfalls ein wesentlicher Aspekt für uns. Wir legen Wert auf die Beständigkeit der Performance. Wir verwenden vier Risikoparameter. Erstens, dass nicht mehr als 20 % des Alphas aus Sektorenwetten stammen dürfen. Seit Auflegung des Fonds stammen sogar rund 97 % des Alphas aus der Aktienauswahl. Wir achten weiterhin darauf, dass es keine Überbewertung hinsichtlich Marktkapitalisierung wie auch Ländern gibt: Es dürfen nicht mehr als 20 % des Alphas aus einer dieser beiden Quellen stammen. Der letzte Risikofaktor ist die individu elle Sicherheit. Der Risikofaktor einer Aktie ist ihr Beitrag zum gesamten Tracking Error. Im Wesentlichen ermitteln wir die Positionsgröße, bei der keine Position im Portfolio einen Beitrag von mehr als 250 Basispunkten zum Tracking Error hat. Ist der Beitrag zum Tracking Error höher, erhöht sich der Risikofaktor der Aktie und ich reduziere die Position.- Wann werden Sie Ihre Position verkaufen?Wir sind der Überzeugung, dass die Beobachtung von Aktien und Unternehmen genauso wichtig ist wie die Entdeckung neuer Ideen. Unser Investmentteam arbeitet kontinuierlich an der Neubewertung der Investment Cases, um Szenarien neu zu beurteilen und Aktienkursentwicklungen zu verstehen. Zu den Gründen, warum eine Aktie veräußert wird, zählt beispielsweise, dass der Aktienkurs den Zielpreis widerspiegelt. Ein anderer Grund kann sein, dass eine neue Idee ins Portfolio aufgenommen wird, die nach Auffassung des Portfoliomanagers ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis bietet. Auch wenn sich die Fundamentaldaten des Unternehmens oder der Branche ändern oder der Portfoliomanager glaubt, dass die Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens schwinden, können wir Aktien verkaufen. Darüber hinaus führen absolute und relative Risikomonitoring-Ziele dazu, dass Positionen im Janus Europe Fund bereinigt werden.—-Das Interview führte Armin Schmitz.