Fondsgesellschaften wetten wieder auf Wachstum
Von Stefanie Schulte, Frankfurt Die Allianz-Fondstochter Dit prescht vor: Seit Jahresbeginn wirbt Fußballguru Günter Netzer in Fernsehspots für den “Dit-Wachstum Euroland”. Der 680 Mill. Euro schwere Aktienfonds investiert etwa in den Softwarekonzern SAP oder die spanische Modekette Inditex – expansionsfreudige Unternehmen, bei denen die Hoffnung auf kräftig steigende Gewinne im Mittelpunkt steht. Damit vermarktet die viertgrößte deutsche Fondsgesellschaft nach Zusammenbruch der New Economy erstmals wieder offensiv Investments in Wachstumswerte (Growth). Growth-Titel ziehen gleichSeit ehrgeizige Internetunternehmen Milliardenkapital verbrannten, setzen die meisten Fondsanbieter überwiegend auf günstig bewertete Unternehmen, die ihre Gewinne für Dividenden oder Aktienrückkäufe verwenden (Value), anstatt sie in kostenintensive Wachstumsprojekte oder Übernahmen zu investieren. Neu aufgelegte Dividendenfonds, die auch als risikoärmer gelten, boomten, während die Gesellschaften ihre verlustreichen Internet- und Technologiefonds schlossen. Doch seit etwa einem halben Jahr ziehen nach Einschätzung vieler Fondsmanager Wachstumswerte mit Substanztiteln gleich. Die Ratingagentur Morningstar ermittelte für die Fondskategorie “Aktien Europa Standardwerte Growth” zuletzt eine Sechs-Monats-Performance von 14,5 %, während das entsprechende Value-Segment nur auf 13 % kam. Auf Drei-Jahres-Sicht legten Value-Fonds dagegen 82,4 % zu, 4,8 Prozentpunkte mehr als Growth-Produkte. In den USA wird der Effekt, der Fondsmanagern zufolge auf eine Trendwende hindeuten könnte, bereits seit Anfang 2005 beobachtet. Auch in der Januar-Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management zeichnet sich ab, dass bei insgesamt neutralem Aktienfondsgeschäft Anleger den bisher sehr beliebten Substanzfonds zunehmend den Rücken kehren: Aus dem 3,8 Mrd. Euro schweren Flaggschiff “DWS Top Dividende” der Deutsche-Bank-Tochter DWS etwa zogen Anleger 190 Mill. Euro ab. Der Dit verzeichnete beim “Dit-High Dividend Discount” (650 Mill. Euro) 51 Mill. Euro Abflüsse, während dem “Dit-Wachstum Euroland”, wohl auch dank der Werbung, 81 Mill. Euro neu zuflossen. Da Anleger jahrelang Wachstumsaktien links liegen gelassen hätten, seien diese derzeit günstig, so David Schofield, Europachef der auf Growth-Investments spezialisierten US-Gesellschaft Janus Capital Group. Ein US-Growth-Titel weise basierend auf Gewinnschätzungen für 2006 ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19 aus, 12 % mehr als der Markt. Gleichzeitig liege der jährliche Gewinnanstieg je Aktie 17 % über Durchschnitt. Darüber hinaus falle es nach Jahren starker Konjunktur vielen Unternehmen schwerer, den Gewinn weiter zu steigern. Hier seien Unternehmen mit einer klaren Wachstumsstrategie im Vorteil. Während in der New Economy Technologie-Wachstumswerte vor allem aus der Internetbranche im Mittelpunkt standen, favorisieren viele Growth-Fondsmanager jetzt Aktien von Serviceunternehmen, die beispielsweise Ölkonzerne bei der Erschließung neuer Ölfelder unterstützen, wie die norwegische Fred Olsen Energy. Die Branche dürfte derart stark von der boomenden Ölnachfrage aus den Schwellenländern profitieren, dass Titel, die noch 2005 ein KGV von 50 auswiesen, dieses bis 2007 auf weniger als 6 verbessern könnten, erklärte Dirk Enderlein, Manager des “Dit-Wachstum Euroland”. Gute Chancen böten darüber hinaus Pharmaunternehmen, sofern diese aussichtsreiche Produkte in der Pipeline hätten. Sanofi-Aventis etwa, in die Enderlein 6 % seines Portfolios investiert, entwickelt ein Medikament gegen Fettleibigkeit, das möglicherweise im Frühstadium von Diabetes eingesetzt werden könnte. Auch klassische Industriekonzerne könnten inzwischen als Wachstumswerte gelten, da sie von Infrastrukturinvestitionen in Boomstaaten wie Indien und China profitierten, meint Reinhard Pfingsten, Aktienchef der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka. Darüber hinaus zählt er den klassischen Wachstumssektor der Technologieaktien derzeit zu den attraktiven Kandidaten. Bei Technologieunternehmen müssten Investoren jedoch darauf achten, dass deren Patente wasserdicht seien, meint Gunnar Friede, Fondsmanager bei der DWS. Gefährlich sei es auch, wenn ein Unternehmen das Gespür für seinen Markt verliere, so wie der erfolgsverwöhnte Handyhersteller Nokia, dessen Aktie 2004 in den Keller fiel, weil er den Trend zu Klapphandys verschlafen hatte. Mangel an guten ManagernDerzeit sei es jedoch schwer, gute Fondsmanager zu finden, die auf die speziellen Eigenheiten von Growth-Aktien spezialisiert seien, meint Frank Umlauf von Faros Consulting, einem Beratungsunternehmen für institutionelle Anleger. “Viele Gesellschaften haben nach dem Zusammenbruch der New Economy diesen Bereich stark abgebaut.” Dabei sollten nach Umlaufs Meinung Investoren zu jeder Zeit gleichmäßig auf Wachstums- und Substanzaktien setzen. Denn den richtigen Zeitpunkt fürs Umschichten vom einen in den anderen Investmentstil zu treffen, sei fast unmöglich – das zeige die Erfahrung der vergangenen Jahre.