PORTFOLIO

Fußballvereine bieten Tore und Zinsen

Klubs nutzen verstärkt Anleihen als Finanzierungsform - Mehr Liebhaberpapiere für die Fans als Investment

Fußballvereine bieten Tore und Zinsen

Die Staatsschuldenkrise hat die Zinsen von Bundesanleihen auf Talfahrt geschickt. Zweijährige Bundespapiere notieren in der Nähe eines historischen Tiefststands von 0,29 %. Kein Wunder, dass sich Anleihen von Fußballvereinen, wie die des FC St. Pauli, die einen Kupon von 6 % bietet, zu Verkaufsrennern entwickeln. Immer mehr Fußballvereine haben in den vergangenen Jahren diese Form der Kapitalbeschaffung entdeckt. Sie stoßen bei ihren Fans auf eine große positive Resonanz.Von Armin Schmitz, FrankfurtMehr als 2 000 Fans des Fußball-Zweitligisten und Anleger haben das mit einem Kupon von 6 % verzinste Wertpapier von St. Pauli bereits gezeichnet. Innerhalb weniger Tage hat der Traditionsverein mit seiner Schmuckanleihe bereits 3,6 Mill. Euro für den Stadionumbau einsammeln können, teilte der Verein der Börsen-Zeitung mit.Emittent ist die Millerntor-Stadionbetriebsgesellschaft MSB. Die Anleihe, die eine Laufzeit von sieben Jahren hat, wird durch den Verein garantiert. Das St.-Pauli-Papier kann mit Nominalwerten von 100, 500 und für 1 910 Euro gezeichnet werden. Letzteres entspricht dem Gründungsjahr des Vereins. Mit dem Kapital soll ein Teil des Infrastrukturprojekts des Klubs finanziert werden. Dabei ist der Neubau der Gegengerade und der Nordtribüne am Millerntor geplant sowie der Ausbau des Funktionsgebäudes auf dem Trainingsgelände. Bilder der MannschaftDie Idee, sich mit sogenannten Schmuckanleihen, die mit Spielszenen oder Fotos von Spielern attraktiv gestaltet werden, Geld bei den Anlegern oder Fans zu borgen, setzte als erste Bank die WestHyp Westfälische Hypothekenbank mit der Emission eines Bonds in den neunziger Jahren um. Anlässlich der fünften deutschen Meisterschaft hatte das Institut 1996 einen Hypothekenpfandbrief mit einem Kupon von 6 % und einer Laufzeit von zehn Jahren ausgegeben. Mantel und Kuponbogen waren mit Fotos der Mannschaft von Borussia Dortmund (BVB) gestaltet. Anlässlich des Gewinns des Wettbewerbs der europäischen Landesmeister durch den BVB ließ die WestHyp 1997 einen fünfjährigen Hypothekenpfandbrief folgen, der unter anderem mit einer Spielszene mit Andy Möller verziert ist.Hertha BSC legte dann im Jahr 2004 als erster Bundesligist in seinem Namen eine Anleihe im Wert von 6 Mill. Euro auf. Der Zins orientiert sich am Sechs-Monats-Euribor zuzüglich 3 % p. a. Mit dem Erlös wurde nach Angaben des Vereins im Wesentlichen der Bau des Amateurstadions auf dem Olympiaparkgelände finanziert. Diese Anleihe lief bis zum Dezember 2010 und wurde dann vollständig an die Anleihegläubiger zurückgezahlt. Aufgrund des Erfolgs wurde im November 2010 eine neue Anleihe aufgelegt.Weitere Klubs aus der 1. Bundesliga wie Schalke 04, der 1. FC Nürnberg und der 1. FC Köln haben ebenfalls festverzinsliche Papiere ausgegeben, um mit den Mitteln ihre Infrastruktur auszubauen. In der 2. Bundesliga sind die Vereine Alemannia Aachen, 1860 München und Hansa Rostock bekannt, die diese Form der Finanzierung nutzen. Die Hansa-Fananleihe bietet einen Kupon von 5 % pro Jahr. Das Besondere: Beim Aufstieg in die 1. Bundesliga kommen weitere 2 % dazu. Nicht ohne RisikoDie überdurchschnittliche Rendite zeigt, dass die Papiere nicht ohne Risiko sind. “Fußball-Anleihen sind Liebhaberpapiere für Fans, die ihren Klub unterstützen möchten. Im Vergleich zu anderen Unternehmensanleihen ist die Verzinsung gemessen an den Bilanzen der Vereine und dem Risiko allerdings relativ niedrig”, sagt Jürgen Raabe, Leiter Fixed Income Sales der Quirin Bank. Neben dem erhöhten Risiko haben Anleger noch einen weiteren Nachteil. “Aufgrund der fehlenden Börsennotiz ist quasi keine Handelbarkeit der Bonds gegeben. Der Anleger entscheidet sich beim Kauf der Papiere mehr oder weniger für ein Investment bis zur Fälligkeit”, sagt Raabe.Während der Druck von effektiven Aktienpapieren wegen der Kosten nur noch in Ausnahmefällen vorgenommen wird, hat die Zahl der effektiven Schmuckanleihen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Es heißt, dass der Druck der aufwendig gestalteten Titel schnell finanziert ist. Löst der überwiegende Teil der Sammler oder Fans nur einen Kupon nicht ein, ist der Druck der Anleihe bezahlt. Idee der UrgroßväterSich Geld von seinen Fans per Anleihe zu borgen, ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits 1906 hat der Birmingham Football Club in Großbritannien, der bereits 1875 unter dem Namen Small Heath Alliance gegründet wurde, 2 000 Anleihen mit einem Nennwert von 5 Pfund ausgegeben. Damit finanzierte der Club den Umzug von dem ursprünglichen Clubgelände an der Muntz Street zum neuen Platz an St. Andrew’s. Es ist die älteste bekannte Fußballanleihe, die noch erhalten ist (Quelle: Mario Boone, Centrum voor Scriptophilie, Belgien). Die älteste Anleihe eines deutschen Fußballklubs stammt vom 1. FC Nürnberg, der 1900 gegründet wurde. Das Papier wurde 1921 als 4 1/2 %-Anteilsschein an einer Anleihe mit einem Volumen von 550 000 Mark ausgegeben. Die Emission erfolgte sechs Monate nach dem Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft, die der Club gegen die Spielvereinigung Fürth durch Tore von Popp und Szabo für sich entschied. Diese Meisterschaft leitete die erfolgreichsten Zeit des 1. FC Nürnberg ein. 1921, 1924, 1925 und 1927 konnte sich die Mannschaft den Wanderpokal im deutschen Fußball, die Victoria, sichern und war damit die erfolgreichste Mannschaft zwischen den beiden Weltkriegen. Ein Relikt dieser erfolgreichen Fußballära ist die Anleihe, die im Jahr 2008 bei einer Auktion für historische Wertpapiere in Montabaur für 2 200 Euro versteigert wurde.89 Jahre später hat sich der Club dieser Finanzierungsform erinnert und 2010 eine Schmuckanleihe herausgegeben, mit deren Einnahmen von 6 Mill. Euro unter anderem ein neues Stadion am Valznerweiher finanziert werden soll. Es ist der Ersatz für das alte Franken-Stadion (heute “Easycredit-Stadion”). Die Club-Anleihe wird bei einer Laufzeit von sechs Jahren mit 6 % pro Jahr verzinst. Die Wertpapiere zeigen Höhepunkte aus der 110-jährigen Geschichte des neunmaligen deutschen Meisters und viermaligen DFB-Pokalsiegers. Neben der Finanzierung von Vereinsvorhaben sehen Experten in den Anleihen noch eine andere wichtige Funktion. “Fußball-Anleihen sind quasi Social Bonds und damit eine moderne Form des sozialen Engagements”, sagt Matthias Schmitt vom Auktionshaus HWPH in Zorneding. “Diese Form der Kapitalbeschaffung sollten sich viele soziale Projekte und Institutionen zum Vorbild nehmen.” Städte wie München, Hannover und Weimar haben bereits Schmuckanleihen mit Szenen aus der Stadtgeschichte ausgegeben und damit verstärkt Bürger der Stadt ansprechen können. Beliebt bei Anleger und Sammlern sind auch die effektiven Anleihen der Deutschen Bahn Finance und der Lufthansa.