Kapitalanlage - Die Börse spricht...

Hehre Grundsätze mit kurzer Halbwertzeit

Börsen-Zeitung, 23.6.2007 Die Börse spricht über die London Stock Exchange (LSE). Ihr Gebot für die Borsa Italiana bringt so manchen am hiesigen Finanzplatz zum Grübeln. Wie war das noch damals, als sich der britische Marktbetreiber heldenhaft der...

Hehre Grundsätze mit kurzer Halbwertzeit

Die Börse spricht über die London Stock Exchange (LSE). Ihr Gebot für die Borsa Italiana bringt so manchen am hiesigen Finanzplatz zum Grübeln. Wie war das noch damals, als sich der britische Marktbetreiber heldenhaft der Fusionsavancen der Deutschen Börse erwehrte? Die LSE warnte seinerzeit vor dem auch “Silo” genannten vertikalen Geschäftsmodell der Deutschen Börse, bei dem Wertpapierhandel sowie auch die Nachhandelsstufen Clearing (Verrechnung) und Settlement (Abwicklung) aus einer Hand angeboten werden. Diese Struktur sei überaus verwerflich, verhindere sie doch den freien Wettbewerb mit der unerfreulichen Folge, dass den Börsenkunden schamlos das Geld aus der Tasche gezogen wird. Das Eigentum an Börsen müsse vom Eigentum an den Clearing- und Settlement-Instanzen zu trennen sei.Im Zusammenhang mit den Fusionsverhandlungen mit der Borsa Italiana ist es in London um die Clearing- und Settlement-Aspekte nun auffällig still. Liegt das vielleicht daran, dass die Borsa Italiana eines jener “bösen”, den freien Wettbewerb verhindernden Silos ist? Es spricht jedenfalls nichts dafür, dass die LSE daran etwas ändern wird. Denn es ist kaum vorstellbar, dass sie die italienischen Großbanken, die in Mailand das Sagen haben, mit der Aussicht zu überzeugen versucht, nach dem Zusammenschluss die italienische Wertpapierinfrastruktur im Sinne des in London fast abgöttisch verehrten horizontalen Modells umzupflügen. Hehre Grundsätze haben mitunter eine kurze Halbwertzeit, vor allem wenn die Not groß ist. Die Börse spricht auch über die Strategie der Deutschen Börse in Sachen Zertifikate und Hebelprodukte. Mit dem Xetra Release 9.0 werden ab 2009 alle in Frankfurt gelisteten Produkte für die Anleger in 18 europäischen Ländern auf Smart Trading, der Plattform für strukturierte Wertpapiere der Börse Frankfurt, handelbar sein. Dem Vernehmen nach schätzen auch italienische Anleger deutsche Wertarbeit und die im Vergleich zur italienischen Börse besseren Preisstellungen der Produkte. Um sich einem weiteren Kreis von Investoren bekannt zu machen, haben die Hausener den italienischen Zertifikate-Award gesponsert. Damit das kein einmaliges Ereignis bleibt, wird man das wohl auch die nächsten fünf Jahre machen wollen. Marktkenner sind sicher, dass sich Xetra für die Borsa Italiana insbesondere bei Hebelprodukten zu einer Konkurrenz entwickeln kann.