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Hilfskräfte aus Osteuropa entlasten bei Betreuung von Angehörigen

Strenge Trennung nach Hausarbeit und Pflegetätigkeit - Legale Vermittlung über die Bundesagentur für Arbeit - Bei Schwarzarbeit droht Bußgeld

Hilfskräfte aus Osteuropa entlasten bei Betreuung von Angehörigen

Von Detlef Pohl Wenn Angehörige pflegebedürftig werden ist guter Rat oft teuer. Eine ganztägige Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienste kann leicht 5 000 Euro und mehr pro Monat kosten. Es gilt daher häufig als unbezahlbar, Pflegebedürftige von deutschen Pflegediensten betreuen zu lassen. Als Ausweg bleibt nur die Hilfe aus dem Ausland – oft am Rande der Legalität.Derzeit sind rund 2,3 Millionen Bundesbürger Pflegefälle, Tendenz steigend. Schon jetzt ist damit im familiären Umfeld jeder Zehnte zumindest indirekt betroffen, darunter auch Katarina Lerchenberg *) . Ihr Vater war gerade 80 Jahre alt geworden, kurz danach bekam er einen Schlaganfall. Dem Klinikaufenthalt folgte eine Rehabilitation. Danach kehrte der verwitwete alte Mann wieder in seine Wohnung zurück. Rundum-Betreuung”Meine Schwester, mein Bruder und ich – allesamt zwischen 40 und 50 Jahre alt und beruflich fest im Sattel – wollten die Hilfe familiär organisieren. Keine sechs Monate später gingen alle am Stock”, erinnert sich die Mitarbeiterin einer Bank. Eine professionelle Pflegekraft musste her. Doch die Leistungen der Pflegekasse und die Zuschüsse der drei Kinder reichen nicht aus, um eine 24-Stunden-Betreuung durch einen Pflegedienst zu bezahlen. “Das hätte mehr als 5 000 Euro kosten.” Lerchenberg und ihre Geschwister sind entsetzt und suchen nach einem Ausweg. Schon bald finden sie Elsbieta aus Polen. Ein Tipp von Freunden erweist sich als Volltreffer. Die geduldige Pflegerin kann auch noch gut kochen und ist sogar bezahlbar: Neben Kost und freier Logis werden jeden Monat knapp 1 500 Euro fällig. Das ist für die Angehörigen erschwinglich – und doch ist es illegal.Elsbieta darf zwar Einkaufen und die Wohnung sauber halten, sie darf jedoch keinen Kranken pflegen. Ohne spezielle Kenntnisse ist es ihr zum Beispiel verboten, Medikamente zu verabreichen oder Wunden zu versorgen. “Als ob wir Geschwister für die häusliche Pflege des Vaters ein Testat benötigt hätten”, sagt Lerchenberg. Ihr sind die Vorschriften egal. Eine Arbeitserlaubnis liege ja vor; demnach könne der Familie niemand Schwarzarbeit vorwerfen, so ihre Argumentation. Putzen erlaubtDie Trennung nach Hausarbeiten, die ihrer Hilfe aus Osteuropa erlaubt sind, und Pflegetätigkeiten, die Laien verboten sind, sei weltfremd und zudem volkswirtschaftlich teuer: “Wenn es nicht mehr anders geht, muss Vater in ein Heim. Das würde unsere finanziellen Verhältnisse früher oder später sprengen”, sagt Lerchenberg. Jüngsten Umfragen vom Januar 2009 zufolge schätzen Verbraucher, dass 47 % der Menschen im Alter zum Pflegefall werden. Jedoch nur 18 % derselben Befragten schätzen das eigene Pflegerisiko hoch ein. Das Risiko pflegebedürftig zu werden, werde oft verdrängt, sagt auch Rainer Reitzler, Vorstandsvorsitzender der Münchner Verein Versicherungsgruppe und ausgewiesener Senioren-Experte.Er beschäftigt sich auch mit den Bedingungen zu denen die “Kinder” Hilfen aus Osteuropa einstellen können. “Familien dürfen die osteuropäischen Pflegekräfte nicht fest anstellen – bis voraussichtlich 2011 ist der deutsche Arbeitsmarkt für sie versperrt”, sagt Reitzler. Davon ausgenommen seien nur reine Haushaltshilfen. Doch diese dürften offiziell nicht pflegen: Nur Hausarbeiten wie Putzen, Wäschewaschen, Einkaufen, Spazierengehen und Kochen sind erlaubt. Verboten sind Wundversorgung, Medikamentengabe und Pflege. “Beim Füttern, Windeln wechseln und Waschen der Patienten ist die Abgrenzung unscharf”, beschreibt auch die Stiftung Warentest das Dilemma. Vermittlung über AgenturenAls Alternative können Familien Pflegekräfte über eine osteuropäische Agentur bekommen, die ihre Mitarbeiterinnen nach Deutschland schickt. Diese benötigen eine Entsendebescheinigung, die von den Behörden im Heimatland ausgestellt wird. Doch selbst wenn die Bescheinigung vorliegt, kann es Probleme wegen Schwarzarbeit geben. Erst ab 2012 sollen ausländische Pflegekräfte hierzulande von Privathaushalten angestellt werden dürfen. Doch wie kommt man nun an eine Helferin? Zuallererst hilft die Mundpropaganda, denn in der Nachbarschaft ist womöglich schon eine Frau aus dem Ausland im Einsatz, von denen in Deutschland bereits mehr als 100 000 tätig sein sollen. Fragen kostet nichts. Zudem kann man sich ganz offiziell an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit wenden. Dies kommt jedoch kaum preiswerter als deutsche Hilfen, weil das Gehalt ortsüblich sein muss und der volle Sozialversicherungsbeitrag fällig wird. Der Privathaushalt muss zudem als Arbeitgeber auftreten und sich auf ganz bestimmte Bedingungen einlassen (siehe Kasten).Speziell Pflegekräfte aus dem Ausland dürfen ihre Dienste hierzulande auch in privaten Haushalten anbieten. Das ist relativ preiswert. Voraussetzung: Sie können eine Entsendebescheinigung (E 101) aus ihrem Heimatland vorweisen. Dazu kooperieren deutsche Agenturen zur Vermittlung von Pflegekräften mit Pflegeunternehmen in Osteuropa. Die Pflege kostet rund 2 000 Euro pro Monat – Sozialversicherung, Fahrtkosten und Vermittlungsgebühr inklusive. Wobei letztere zwischen einmalig 490 Euro und rund 800 Euro pro Jahr schwankt. Der Markt ist unübersichtlich. Für die Pflegekräfte wird der Sozialversicherungsbeitrag nur im Heimatland fällig, in Deutschland hingegen nicht. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 24. Oktober 2006 klargestellt (Az. 1 StR 44/06). Somit kann sich ein deutscher Arbeitgeber nicht wegen Sozialversicherungsbetrug strafbar machen, wenn eine Entsendebescheinigung vorliegt. Durch diese Entscheidung mutig geworden, sollen inzwischen sogar schon die ersten Wohlfahrtsverbände ausländische Helferinnen beschäftigen, um die Betreuung bezahlbar zu halten. Das Prinzip: Die ausländischen Helferinnen beaufsichtigen die Pflegebedürftigen – auch zu Hause. Sie helfen beim Essen und sind Begleiter beim Spaziergang, doch die professionelle Pflege bleibt in den Händen des Pflegedienstes. Der Zoll kontrolliertAngehörige sollten jedoch beachten, dass es verboten ist, eine Pflegekraft zu beschäftigen, die weder in Deutschland noch im Ausland gemeldet ist. Dies wäre Schwarzarbeit, was zu Bußgeld von nicht selten 250 Euro pro Fall führen kann. Dieses wird vom Zoll nach Kontrollen verhängt. Wenn dann die Deutsche Rentenversicherung Bund auch noch Sozialversicherungsbeiträge nachfordert, weil eben keine Entsendebescheinigung vorliegt, kann dies eine Familie mehrere Tausend Euro kosten. Selbst die Anmeldung der Pflegekraft beim Finanzamt als Selbstständige ist derzeit noch kein guter Ausweg. Wenn die Finanzverwaltung dem Rentenversicherungsträger einen Tipp gibt, droht eine Prüfung wegen Scheinselbstständigkeit. Unterm Strich wird es dann teurer als mit einem regulären Pflegedienst und birgt viel Ärger. —– *) Name von der Redaktion geändert