RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: KLAUS NIEDING

IKB-Urteil strahlt auf andere Verfahren aus

Bundesgerichtshof präzisiert Informationspflichten von Banken über Risiken

IKB-Urteil strahlt auf andere Verfahren aus

– Herr Nieding, der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Fall IKB Anlegern wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen grundsätzlich Schadenersatz zugesprochen. Wie begründet das Gericht seine Entscheidung?Das Gericht stellt, anders als noch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, weniger darauf ab, ob die IKB die Schließung der Kreditlinien anderer Banken im Rahmen des sogenannten Interbankenhandels voraussehen konnte. Nach Ansicht des BGH war auch nicht entscheidend, ob die Krise an sich für die IKB voraussehbar gewesen sei. Dass die IKB aber die besondere Sensibilität dieses Themas für die Aktionäre und das eigene Institut erkannt habe, zeige bereits die Tatsache, dass die IKB eine Pressemitteilung zu ihrem eigenen Engagement und den damit einhergehenden besonderen Risiken für die Aktionäre veröffentlicht hat.- Geht es dabei um Ansprüche aufgrund einer falschen Pressemitteilung, in der die IKB damals ihre Lage zu rosig dargestellt hat, oder aufgrund einer unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung über Risiken des Instituts im US-Subprime-Segment?Die IKB wäre nach Ansicht des BGH verpflichtet gewesen, die für das Kreditinstitut offen zu Tage getreten Gefahren aus ihren Investitionen in zweitklassige Wertpapiere und Immobilienkredite umfassend offenzulegen, um den Aktionären eine zutreffende Entscheidungsgrundlage zu bieten. Der BGH entschied bereits im August dieses Jahres, dass die Behauptung einer nur geringen Beteiligung am US-Suprime-Markt bei gleichzeitiger Beschönigung der Unternehmenszahlen eine vorsätzliche Marktmanipulation darstellt.- Die Beweislast liegt aber offensichtlich beim Anleger, er muss selbst nachweisen, dass er die Aktien bei Kenntnis der wahren Lage des Kreditinstituts nicht gekauft hätte?Ja, grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast für solche Tatsachen, die für sie selbst günstig sind. Der Kläger hat also grundsätzlich die Kausalität zwischen pflichtwidrigem Verhalten der Beklagten und eingetretenem Schaden zu beweisen. Anders aber als in Fällen eines Vorgehens gegen Anlageberater wegen fehlerhafter Anlageberatung findet vorliegend nicht die “Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens” Anwendung, welche der BGH in einer Entscheidung vom 12. Mai 2009, (Aktenzeichen: XI ZR 586/07) entwickelte.- Das heißt?Bereits in der “Comroad I”-Entscheidung führte der Bundesgerichtshof aus, auch bei der fehlerhaften Ad-hoc-Publizität des Sekundärmarktes im Rahmen des Tatbestandes des § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könne auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss des Anlegers selbst bei extrem unseriöser Kapitalmarktinformation nicht verzichtet werden. Dementsprechend sei das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung nicht ausreichend. Der BGH hat die Klärung dieser Frage deshalb an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.- Was ist zu erwarten?Sollte das OLG zu der Überzeugung kommen, dass der Anleger die Aktien nicht erworben hätte, wenn er nach einer rechtzeitigen Mitteilung über das Engagement der IKB unterrichtet gewesen wäre, so begründet dies einen Schadensersatzanspruch der Klägerin.- Wie kann ein solcher Nachweis überhaupt erbracht werden?Der Kläger muss zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass er die Investition in Kenntnis der verschwiegenen Insiderinformationen nicht getätigt hätte. Dies kann er unter Verweis auf sein bisheriges konservatives und sicherheitsorientiertes Anlageverhalten oder darüber erreichen, dass er etwa den Bankmitarbeiter als Zeugen dafür benennt, dass er die Aktien ausdrücklich gerade deswegen kaufte, weil er nach der Pressemitteilung von der besonderen Sicherheit des Wertes ausging. Wie ein solcher Nachweis zur Überzeugung des Gerichts geführt werden kann, ist eine Frage des Einzelfalles. Die Feststellung obliegt dem Gericht jeweils in freier Beweiswürdigung. Da vorliegend aber lediglich zehn Tage zwischen der falschen Pressemitteilung und dem Erwerb der Aktien durch den Zedenten lagen, sehen wir hierin gute Chancen die Kausalität darzulegen.- Inwieweit hat die Entscheidung Signalwirkung für ähnliche Prozesse?Das Urteil zeigt zunächst einmal mehr, dass sich Kreditinstitute nicht hinter der pauschalen Ausrede verstecken können, die sich in der Finanzkrise realisierenden Risiken seien vollkommen unvorhersehbar gewesen und müssten daher auch nicht offengelegt werden. Zudem lässt der BGH damit immer mehr Vorgaben erkennen, wann ein Kreditinstitut die sich aus Subprime-Investments ergebenen Risiken offenzulegen hat. Diese Vorgaben können bei der Argumentation in zahlreichen Verfahren, etwa auch gegen die Hypo Real Estate herangezogen werden.—-Klaus Nieding ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Gründungsvorstand der Nieding + Barth Rechtsanwaltsaktiengesellschaft sowie Vizepräsident und Landesgeschäftsführer der DSW Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.