Interview mit Thomas Bücker und Thomas Müller-Bonanni

"Porsche macht Mitbestimmung mit SE zukunftsfähig"

Wandel zur Europäischen Aktiengesellschaft ermöglicht "maßgeschneiderte" Lösungen für Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer

"Porsche macht Mitbestimmung mit SE zukunftsfähig"

Die Umwandlung des Sportwagenherstellers Porsche in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) mit einer Holding-Struktur ist jüngst ins Handelsregister eingetragen worden. Die beratenden Juristen erläutern im Interview die Folgen für Mitbestimmung und Corporate Governance. – Herr Dr. Bücker, Herr Dr. Müller-Bonanni, was genau hat sich durch die Registereintragung vergangene Woche bei Porsche geändert? Bücker: Die Umstrukturierung der Porsche AG bestand aus zwei Schritten: Zunächst wurde das gesamte operative Geschäft von Porsche auf eine 100-prozentige Tochtergesellschaft ausgegliedert. Unmittelbar danach ist die Umwandlung der Porsche AG in eine Europäische Aktiengesellschaft wirksam geworden. Die Holding firmiert jetzt als Porsche Automobil Holding SE, die operative Gesellschaft führt die bisherige Firma Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG fort. – Die Beschlüsse wurden doch schon im Juni gefasst – weshalb die lange Wartezeit? Bücker: Der Grund für die Zeitspanne bis zur Eintragung lag im Umwandlungsrecht. Die Ausgliederung konnte erst vollzogen werden, nachdem der Jahresabschluss der Porsche AG festgestellt war. Dies geschah in der Aufsichtsratssitzung am 12. November. Unmittelbar danach wurde die Ausgliederung dann angemeldet. – Hätte die SE dann nicht schon vorher eingetragen werden können?Bücker: Dies hatten wir erwogen. Allerdings gibt es eine Vorschrift im Umwandlungsgesetz, die die Ausgliederung auf eine bestehende Gesellschaft innerhalb von zwei Jahren nach Eintragung einer neuen Aktiengesellschaft, auch einer SE, ins Handelsregister verbietet. – Was ist der Vorteil der Holding, die VW-Beteiligung hätte doch auch an die operative Gesellschaft gehängt werden können?Bücker: Porsche hat seine Beteiligung an Volkswagen auf zuletzt 30,6 % des stimmberechtigten Kapitals aufgestockt. Das Porsche-Management hielt es für sachgerecht, die Verantwortung für das operative Porsche-Geschäft einerseits und die Verwaltung der Volkswagen-Beteiligung andererseits zu trennen. Dies haben wir dann durch die Ausgliederung umgesetzt. Darüber hinaus ist die Holding-Struktur generell eine gute Plattform für die Weiterentwicklung eines Unternehmens. – Ändert sich durch die SE die Corporate Governance von Porsche? Müller-Bonanni: Nein. Es war gerade einer der Gründe für die Umwandlung in eine SE, den Porsche-Aufsichtsrat als ein effizientes und vertrauensvoll arbeitendes Aufsichtsgremium zu erhalten. Dies konnte durch die Festschreibung der Aufsichtsratsgröße auf zwölf Mitglieder in paritätischer Zusammensetzung erreicht werden. – Porsche hatte ja im Frühjahr ein Pflichtangebot für VW abgegeben. Wie hängt das mit der Umstrukturierung zusammen?Bücker: Auslöser des Pflichtangebots war die Überschreitung der im Wertpapierübernahmegesetz vorgesehenen Schwelle von 30 % der Stimmrechte. Diese Schwelle wurde seinerzeit bewusst genommen, um die Flexibilität für weitere Zukäufe – ohne erneutes Pflichtangebot – zu schaffen. Aufgrund der damaligen Kurse war das Pflichtangebot nur von einer sehr geringen Zahl von Aktionären angenommen worden. Das hätte bei einer Veränderung der Marktbedingungen natürlich auch anders sein können. Der damals eingeholte Finanzierungsrahmen musste daher vorsorglich die vollständige Annahme des Angebots abdecken. – Hat sich Porsche nicht aber durch Ausübung einer Call-Option einen marktfernen Übernahmepreis gesichert?Bücker: Die 30 %-Schwelle ist in der Tat durch Ausübung einer Call-Option durchschritten worden. Deshalb setzte sich der damalige Angebotspreis aus der Summe des Ausübungspreises für die Option und der an den Stillhalter gezahlten Optionsprämie zusammen. – Ist Volkswagen schon jetzt ein von Porsche abhängiges Unternehmen?Bücker: Klar nein. Beherrschung im Sinne des deutschen Aktienrechts setzt eine auf Stimmenmehrheit beruhende nachhaltige Durchsetzungsmacht voraus. Diese Voraussetzung liegt im Verhältnis von Porsche zu Volkswagen nicht vor, jedenfalls reicht die derzeitige Beteiligung von rd. 30,6 % für eine nachhaltige Hauptversammlungsmehrheit nicht aus. – Dennoch wollte der Konzernbetriebsrat von Volkswagen die Eintragung der SE in das Handelsregister durch einstweilige Verfügung stoppen, weil er an den Verhandlungen zur Mitbestimmungsvereinbarung nicht beteiligt war. Müller-Bonanni: Ja, der Antrag ist aber zu Recht erfolglos geblieben. Das Gericht hat in sehr eindeutiger Form festgestellt, dass die SE in das Handelsregister eingetragen werden kann. Es hat sich hierbei auf eine Vorschrift in der SE-Verordnung gestützt, wonach eine SE nach Ablauf von sechs Monaten seit Beginn der Verhandlungen über die Mitbestimmung in jedem Fall in das Handelsregister eingetragen werden kann. Diese Sechs-Monats-Frist war am 11. November 2007 abgelaufen. – Stimmt es, dass die Volkswagen-Belegschaft im Falle einer Konzernierung von VW genauso viele Sitze im SE-Betriebsrat beanspruchen könnte wie die Porsche-Belegschaft? Müller-Bonanni: Die Mitbestimmungsvereinbarung sieht in der Tat vor, dass aus jedem Teilkonzern eine gleich große Anzahl von Arbeitnehmervertretern in den SE-Betriebsrat gewählt wird. Allerdings findet eine Stimmgewichtung statt. Die Mitglieder des SE-Betriebsrats haben jeweils so viele Stimmen, wie Arbeitnehmer in dem Teilkonzern beschäftigt sind, dessen Belegschaft sie repräsentieren. Das ist ein bekanntes Modell. Das deutsche Betriebsverfassungsgesetz sieht eine ganz ähnliche Regelung für die Besetzung von Gesamt- und Konzernbetriebsräten vor. – Gibt die Mitbestimmungsvereinbarung der Porsche-Belegschaft genauso viele Sitze im Aufsichtsrat wie der Volkswagen-Belegschaft?Müller-Bonanni: Nein, zumindest nicht zwingend. Die Mitbestimmungsvereinbarung sieht keine feste Sitzverteilung vor. Vielmehr erfolgt die Wahl in einem ergebnisoffenen Verfahren durch den SE-Betriebsrat. Dieses ist nachhaltig auf Konsensbildung ausgerichtet. Nur wenn unter den Arbeitnehmervertretern keine Einigung erzielt werden kann, sieht die Mitbestimmungsvereinbarung als Auffanglösung eine paritätische Verteilung der Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat auf die Teilkonzerne vor. Denn es spricht sehr viel dafür, dass jeder Teilkonzern in einem Holding-Aufsichtsrat angemessen vertreten ist. – Wenn Porsche künftig mehr als 50% an VW hält, könnte bei der nächsten Aufsichtsratswahl also ein höherer Anteil an VW-Vertretern in dem Gremium durchgesetzt werden? Müller-Bonanni: Wie viele Aufsichtsratsmitglieder in diesem Fall aus dem VW-Teilkonzern und wie viele aus dem operativen Teil des Porsche-Konzerns kämen, würden die Mitglieder des SE-Betriebsrats grundsätzlich unter sich ausmachen. Wenn es hier zu keinem Konsens käme, würden die Sitze letztlich paritätisch auf Porsche und Volkswagen verteilt werden. – Warum können diese Themen überhaupt durch eine Vereinbarung geregelt werden?Müller-Bonanni: Bei jeder Gründung einer SE müssen die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in der SE verhandelt werden. Die Verhandlungen sind von dem Vorstand der beteiligten Gesellschaft mit dem sog. besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer zu führen, das in einem aufwendigen Verfahren von der europäischen Konzernbelegschaft gewählt wird. Innerhalb eines bestimmten Rechtsrahmens können die Verhandlungsparteien sodann die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in der SE im Wesentlichen frei gestalten. Insoweit bietet die SE die Chance zu maßgeschneiderten Mitbestimmungslösungen. Dr. Thomas Bücker ist Partner im Frankfurter Büro, Dr. Thomas Müller-Bonanni ist Partner im Düsseldorfer Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Sie haben Porsche bei der Umstrukturierung beraten. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.