Rückbesinnung auf sorgfältige Risikoprüfung
2008 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem das Risikobewusstsein an den Finanzmärkten zurückkehrte. Anleger und Investoren mussten zum Teil schmerzhaft erfahren, dass ein Risiko viele Gesichter haben kann. Bernard L. Madoff ist nur eines davon. Der frühere Chef der Technologiebörse Nasdaq und ehemalige Hedgefonds-Manager wird beschuldigt, wohlhabende Privatanleger sowie zahlreiche institutionelle Anleger wie BNP Paribas, Santander und RBS um Milliardenbeträge gebracht zu haben. Der mutmaßliche Betrug trifft die Opfer hart. Der eigentliche Missstand ist jedoch, dass viele Dämme, auf die sich Anleger verlassen haben, gebrochen sind: Erstens haben Dachhedgefonds und Vermögensverwalter, die in Madoff investiert haben, ihre Due Diligence (Sorgfaltsprüfung) ungenügend gemacht. Zweitens haben Regulierungs- und Kontrollinstanzen offenbar versagt. Gestiegene KomplexitätAuch ohne kriminelle Energie konnte im vergangenen Jahr hoher Schaden entstehen. Anleger haben bei zahlreichen Finanzinstituten Geld verloren, obwohl dort alles nach Recht und Gesetz zuging. Schuld daran ist die gestiegene Komplexität der Risiken – zum Beispiel durch den starken Fremdkapitaleinsatz (Leverage) bei Hedgefonds. Zudem hat sich gezeigt, dass Derivate zahlreiche Unwägbarkeiten mit sich bringen. Deshalb muss 2009 das Jahr werden, in dem sich die Finanzbranche wieder auf die klassischen Investmenttugenden besinnt. Außer einer breiten Diversifikation und einem effektiven Risikomanagement muss vor allem die Due Diligence auf der Agenda nach oben rücken. Zudem muss Transparenz ein wichtiges Produktmerkmal werden. Teufelskreis bei HedgefondsDer Fall Madoff ist sicherlich ein Extrembeispiel. Er verweist jedoch auf problematische Wesenszüge der Hedgefonds-Branche. Durch den Teufelskreis aus schwachen Renditen und Rückzahlungen, konnten Hedgefonds in den vergangenen Monaten Short-Positionen häufig nur durch Zwangsverkäufe decken. Ein Problem, das durch den historisch hohen Grad an Fremdfinanzierung verschärft wurde. Der gröbste inhärente Mangel wurde aber erst durch die Lehman-Pleite aufgedeckt: das von Hedgefonds angewandte Prime-Broker-Modell. Modell mit hohem Risiko Hedgefonds schalten Prime Broker im Wesentlichen für die Abwicklung von Transaktionen und für die Verwahrung von Vermögenswerten ein. Der Prime Broker leiht sich bei einem Wertpapierverleiher Aktien, sodass der Hedgefonds-Manager eine Short-Position eingehen kann, wobei er das Fondsvermögen als Sicherheit für die Wertpapierleihe einsetzt. Nehmen wir einmal an, dass der Hedgefonds infolge der eingegangenen Short-Positionen eine hohe Fremdfinanzierung aufweist und Lehman Brothers der Prime Broker ist, der plötzlich Konkurs anmeldet. Das gesamte Kapital des Hedgefonds und die im Rahmen der Leerverkäufe geliehenen Wertpapiere sind nun bei dem insolventen Unternehmen auf Eis gelegt, abgeschnitten von den Barvermögen, die dem Wertpapierverleiher als Sicherheit gegeben wurden. Da letzterer seine Wertpapiere nicht zurückfordern kann, wird er wahrscheinlich die hinterlegten Sicherheiten in Anspruch nehmen, um seine Ausgangsposition wiederherzustellen. Sicherheiten verlorenDas ist tatsächlich geschehen: Mehrere Hedgefonds haben umfangreiche Sicherheiten verloren, die sie bei Lehman Brothers hinterlegt hatten. Der US-Hedgefonds-Manager Oak Group hat das gesamte verwaltete Vermögen von 25 Mill. Dollar eingebüßt, da er Lehman Brothers als seinen alleinigen Prime Broker beauftragt hatte. Das Prime-Broker-Modell wurde bis zu diesem Zeitpunkt nie ernsthaft in Frage gestellt, da niemand damit gerechnet hatte, dass ein Prime Broker ausfallen könnte. Mangel an Transparenz Auch durch den Einsatz von Derivaten werden unter Umständen Risiken verschleiert. Dabei mangelt es an Transparenz, wer für die verschiedenen Aspekte einer Anlage verantwortlich ist. Die in Deutschland beliebten Zertifikate sind ein Beispiel dafür. Die Banken verkauften Investoren mit hohem Sicherheitsbedürfnis solche Produkte als Anlagen, die im Vergleich zu Aktien als sicherer galten. Zahlreiche Papiere waren mit einer 100-prozentigen Kapitalgarantie versehen. Viele Garantieprodukte halten, was sie versprechen. Die wenigen Ausfälle sorgen jedoch für Schlagzeilen. Tatsächlich war das Rating von Lehman Brothers bis zur Ankündigung des Konkurses gut. Jedoch wurde das Emittentenrisiko vielfach übersehen. Breites SpektrumDie Ereignisse des vergangenen Jahres werden nicht ohne Konsequenzen bleiben. Finanzdienstleister und Investoren werden sich stärker auf Produkte fokussieren, bei denen die beschriebenen Risiken von vornherein ausgeschaltet sind. Eine für Anleger attraktive und vor allem transparentere Lösung bieten beispielsweise Fonds, die mit der EU-Richtlinie OGAW-III konform sind (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren). Sie haben den Vorteil eines sehr breiten Anlagespektrums: In begrenztem Umfang können sie auf Derivate setzen, aber die Anleger gehen kein Emittentenrisiko ein. Denn das Vermögen liegt bei einer unabhängigen Depotbank beziehungsweise wird von den Handelsparteien getrennt verwahrt. Das Kapital ist daher weniger gefährdet als beim Prime-Broker-Modell. Daneben wird Transparenz künftig eine größere Rolle spielen – für die, die in Finanzprodukte investieren und für die, die sie vertreiben. Denn grundsätzlich ist jedes Produkt mit Risiken verbunden. Die Frage ist jedoch, wie groß jedes einzelne ist und wie viel ein Investor davon tragen will. Privatanleger wie Profis sollten zwingend verstehen, in welche Art von Finanzinstrumenten sie investieren und wie diese genau funktionieren und auf bewährte Anlagetugenden vertrauen. Unabhängiges Urteil Risikoprüfung lautet daher eine Devise für 2009, Due Diligence die andere. Es ist unerlässlich, jede an einem Geschäft beteiligte Partei sorgfältig zu prüfen und darauf zu achten, dass auch der Vermögensverwalter, bei dem investiert wird, diese Sorgfaltsprüfung durchführt. Anleger sollten deshalb verstärkt auf Anbieter setzen, bei denen die eigene unabhängige Beurteilung der Risiken von Geschäftspartnern mehr zählt als das Urteil externer Analysten oder die Meinung der Straße.