Schweiz überzeugt die Fondsbranche durch Flexibilität
Von Bernd Wittkowski, BernVom Ausland lernen: Diese Möglichkeit nutzt die deutsche Fondsbranche auch in der Schweiz. Das gilt beispielsweise in Sachen Selbstregulierung. Als der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) 2002 seine Wohlverhaltensregeln entwickelte, so Vorstandsmitglied Wolfgang Mansfeld, habe man sich auch schon an den Eidgenossen orientiert und von deren Erfahrungen lernen können.Die Selbstregulierung spielt für die Schweizer Investmentindustrie eine große Rolle. Das “Selbst” ist allerdings zu relativieren. Romain Marti, stellvertretender Direktor der Aufsichtsbehörde Eidgenössische Bankenkommission (EBK) in Bern, sagte auf einem Presseseminar des BVI, die Aufsicht sei selbstregulierungsfreundlich, es handele sich jedoch um eine überwachte Selbstregulierung. Matthäus Den Otter, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swiss Funds Association (SFA), spricht lieber von “Co-Regulierung”. Die Aufsicht delegiere die Regulierung an die Branche bzw. den Verband nach dem Motto “Macht mal etwas, sonst machen wir vielleicht etwas”. Klare AufgabenverteilungDie Rollenverteilung bei der auf die Wahrung des Ansehens des Fondsplatzes Schweiz zielenden Selbstregulierung sieht so aus, dass der Branchenverband SFA Standesregeln etwa zu den gesetzlich geforderten Sorgfalts- und Treuepflichten formuliert. Die EBK erkennt die Regeln als verbindliche Standards an und verhängt bei Verstößen gegebenenfalls Sanktionen. Die Fondsanbieter sind für die Umsetzung verantwortlich, während die Revisionsstellen (Wirtschaftsprüfer) die Einhaltung der Regeln kontrollieren und Verstöße an die EBK melden.Auch Marti räumte ein, dass die Aufsicht gelegentlich Druck ausübe. Selbstregulierung sei ein Geben und Nehmen. Einig waren sich allerdings Aufseher und Beaufsichtigte, dass das System für eine, so Den Otter, “Win-Win-Situation” zwischen der Aufsicht, dem Verband, dessen Mitgliedern und den Anlegern sorge. Selbstregulierung funktioniere im Vergleich zur Gesetzgebung wesentlich schneller, und sie sei zum Vorteil der Regulierten praxisnäher, betonte Marti. Im Übrigen falle es den Betroffenen naturgemäß leichter, sich mit einer Selbstregulierung zu identifizieren als mit einer staatlichen Regulierung. Anspruchsvolle StandardsMarkus Steiner, Managing Director der führenden Schweizer Fondsgesellschaft UBS Fund Management (Switzerland) AG und Vorstandsmitglied der SFA, wies allerdings darauf hin, dass auch die selbstgesetzten Standards sehr anspruchsvoll seien, was Probleme bei der gleichmäßigen Umsetzung etwa durch eine UBS einerseits und kleinere Fondsgesellschaften andererseits mit sich bringen könne. Aufwand und Kosten der Regeln seien sehr hoch, hier gelte es, die Balance zu wahren. Gesetz lässt SpielräumeMansfeld, im Hauptberuf Vorstandsmitglied der Union Asset Management Holding und zudem amtierender Präsident der Europäischen Investmentvereinigung Efama, wies auf einen anderen Punkt hin, in dem die Schweiz womöglich Vorbild für Deutschland sein könnte: nämlich mit der Flexibilität von Regeln unterhalb des Gesetzes. Dies gelte beispielsweise für die Kategorie der “Übrigen Fonds”. UBS-Manager Steiner sieht in dieser Assetklasse sogar einen “Rettungsanker” für die Schweiz, um innovative Produkte schnell lancieren zu können.Die “Übrigen Fonds” bewegen sich zwar nicht in einem “rechtsfreien Raum”, aber die Aufsicht hat hier einen sehr großen Bewilligungsspielraum, weil Gesetz- und Verordnungsgeber nur wenige allgemein gehaltene Vorgaben gemacht haben. Dadurch erhalten die Anbieter in der Schweiz eine entsprechend größere Produktflexibilität und finden auf diese Weise eine gewisse Kompensation für das Abwandern der EU-kompatiblen Fonds nach Luxemburg. Sonderregelungen möglichEin weiteres, allerdings noch nicht wirksames Beispiel für Flexibilität ist die mit der geplanten Novellierung des Schweizer Anlagefondsgesetzes (AFG) vorgesehene Möglichkeit, Fonds für “qualifizierte Anleger” mit geringerem Schutzbedürfnis aufzulegen, für die die Aufsicht vom Gesetz abweichende Sonderregelungen erlassen kann. Entsprechende vereinfachte Bewilligungen sollen nach Angaben Martis prinzipiell nicht nur bei Fonds für institutionelle Investoren, sondern auch bei Produkten für sehr vermögende Privatanleger möglich sein. Mansfeld regte an, über solche flexiblen Lösungen auch in Deutschland nachzudenken, und dies umso mehr, als die augenblickliche politische Situation in Berlin eine Verzögerung der geplanten Novelle des Investmentgesetzes wahrscheinlich erscheinen lasse.Wünsche an Deutschland haben freilich auch die Schweizer Fondsbranche und ihre Aufsicht. “Im kleinen Grenzverkehr sind noch große Fortschritte zu erzielen, sonst bleibt nur der Weg über Luxemburg”, meinte SFA-Geschäftsführer Den Otter. Aufseher Marti sagte, man versuche seit langem, ein bilaterales Abkommen mit den deutschen Kollegen der Finanzaufsicht (BaFin) über die vereinfachte Zulassung EU-kompatibler Investmentfonds zu schließen. Eine solche Vereinbarung gebe es zum Beispiel schon zwischen der Schweiz und Frankreich. Dadurch könnten Ressourcen bei der Bewilligung von Fonds eingespart und der Wettbewerb unter den Anbietern belebt werden. Doch bislang hätten die Eidgenossen mit ihrem Anliegen bei der BaFin – “wahrscheinlich aus politischen Gründen” – leider noch keinen Erfolg gehabt. Kurzfristige VorgabenEher scheint die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sogar noch erschwert zu werden. UBS-Manager Steiner berichtete auf dem Presseseminar von einem Merkblatt der BaFin vom 8. Juni dieses Jahres, mit dem den Schweizer Fondsanbietern sehr detaillierte und kurzfristige (bis Juli) Vorgaben zur Anpassung ihrer Verkaufsprospekte an die durch die jüngste Novellierung des Investmentgesetzes veränderte Rechtslage in Deutschland gemacht würden. Diesen Anforderungen fristgemäß gerecht zu werden sei praktisch unmöglich.