RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: WOLFGANG GROSS

SEC überprüft Schweigepflichten bei amerikanischen Börsengängen

Nach deutschem Recht muss Prospekt alle wesentlichen Informationen enthalten

SEC überprüft Schweigepflichten bei amerikanischen Börsengängen

– Herr Groß, die US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC soll die Regeln zur Kommunikation vor Börsengängen prüfen. Worum geht es?In den USA gibt es sehr strikte Regeln darüber, was die Beteiligten eines Börsenganges, also der Emittent, seine Organe und auch seine Aktionäre sowie die Emissionsbanken vor einem Börsengang veröffentlichen dürfen. Man kann diese Regeln grob zusammenfassen: Sie sollen gar nichts sagen, insbesondere in einem bestimmten Zeitraum vor dem Börsengang, der “quiet period”, ist ihnen jegliche diesbezügliche Kommunikation mit der Öffentlichkeit verboten. Das gilt ganz besonders auch für Werbung. Werbung für und im Zusammenhang mit einem Börsengang ist in den USA ein absolutes No-Go.- Haben wir in Deutschland vergleichbare Regeln?Ja und Nein. Nein, weil in Deutschland kein striktes Verbot der Werbung vor einem Börsengang besteht. Im Gegenteil: Wir haben hier eine recht lange Tradition – denken Sie nur an Schauspieler und Entertainer, die vor größeren IPOs in Fernsehspots, Zeitungsanzeigen und auf Plakaten geworben haben. Zwar kann in Deutschland die Wertpapieraufsicht solche Werbung auch verbieten, wenn bestimmte Regelungen nicht eingehalten werden. Eine generelle Untersagung gibt es hier nicht.- Und Ja?Ja, weil das deutsche Recht klar bestimmt, dass alle für den Börsengang wesentlichen Informationen im Prospekt enthalten sein müssen. Das gilt für alle Informationen über wertbildende Faktoren für die Aktien. Entscheidend ist nicht, Kommunikation zu regeln oder zu verbieten, sondern sicherzustellen, dass solche Informationen, die gegeben werden und für die Bewertung des Emittenten oder der anzubietenden Wertpapiere bedeutsam sind, auch im Prospekt enthalten sein müssen. Konkret bedeutet das, Werbung ist zulässig, die Angaben dürfen aber nicht von dem abweichen, was im Prospekt steht, und in Anzeigen ist auf den Prospekt zu verweisen.- Hintergrund dafür, dass die SEC ihre Regeln überdenkt, sollen Vorgänge im Zusammenhang mit dem Facebook-IPO sein: Dort seien Details nur mit Profiinvestoren besprochen worden, die Banken hätten sich damit verteidigt, ihnen sei Kommunikation mit der Öffentlichkeit durch SEC-Regeln verboten gewesen. Würde der Einwand auch hier greifen?Das würde er nicht. Ob das, was sie schildern, für die USA aber tatsächlich zutrifft und dort der Einwand rechtlich durchgreifen würde, erscheint mir zweifelhaft. Mary Schapiro, die Vorsitzende der SEC, hat sich geweigert, sich zum Fall Facebook zu äußern. Klar ist aber für Deutschland zweierlei: Erstens ist selektive Information verboten. Informationen institutioneller Investoren müssen denen im Prospekt entsprechen, mehr investitionsrelevante Informationen als die, die dort stehen, dürfen auch Institutionelle vom Emittenten und von den Banken nicht bekommen. Zweitens ist auch klar, wenn bewertungsrelevante Informationen im Angebotsprozess neu entstehen, etwa neue Umsatz- oder Ergebniszahlen vorliegen, sind diese in den Prospekt aufzunehmen, bis zur Billigung in den Prospekt selbst, danach und bis zum Ende des Angebots in einem Nachtrag. Solche Informationen nur institutionellen Investoren zu geben ist verboten und führt dazu, dass der Prospekt nicht vollständig und damit unrichtig wäre – mit der Folge von Prospekthaftungsansprüchen.- Hätte eine Änderung der Regeln durch die SEC Auswirkungen auf Deutschland?Ja, wenn ein deutsches Unternehmen eine Registrierung bei der SEC beantragen will, etwa weil die Aktien in den USA öffentlich angeboten oder an einer amerikanischen Börse zugelassen werden sollen. Für andere Fälle sind solche Auswirkungen zweifelhaft, weil wir gerade ein Verbot selektiver Informationen und ein Gebot des vollständigen, aktuellen Prospekts haben. Außerdem ist ja noch völlig offen, wie die Regeln geändert werden sollen. Richtig ist aber, dass wir auch bei deutschen Börsengängen die Informationsregeln der SEC beachten müssen insoweit, als Informationen in die USA gelangen oder in den USA verbreitet werden können, um zu vermeiden, dass die SEC meint, man wolle auch in den USA anbieten. Werbung allein in Deutschland regelt die SEC nicht.—-Wolfgang Groß ist Partner bei Hengeler Mueller in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.