Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Gaby Eickstädt

Springer muss rasch Bedenken des Kartellamts für ProSieben ausräumen

Drei Märkte betroffen - Beschwerde vor OLG oder Ministererlaubnis möglich

Springer muss rasch Bedenken des Kartellamts für ProSieben ausräumen

– Frau Eickstädt, die Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Axel Springer Verlag scheint kartellrechtlich bedenklich. Was genau ist passiert? Das Bundeskartellamt hat Springer eine Abmahnung gesandt. In dem 45-seitigen Schreiben sind die voraussichtlichen Untersagungsgründe detailliert dargelegt. Das Amt ist im Rahmen des Prüfungsverfahrens zu dem Ergebnis gekommen, dass die Übernahme in der geplanten Form nicht genehmigungsfähig ist. Springer hat bis 8. Dezember Zeit, die Bedenken aus dem Weg zu räumen. – Welche Bedenken haben die Wettbewerbshüter, und warum halten sie das Verfahren für nicht genehmigungsfähig? Das Kartellamt ist der Ansicht, dass die Übernahme in drei Märkten zur Verstärkung einer beherrschenden Stellung oder zumindest zu einer kritischen Marktstellung von Springer führt. Problematisch sei diese im Fernsehwerbemarkt, dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen sowie dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen. – Welche Probleme gibt es da?Auf dem Fernsehwerbemarkt verfügen ProSiebenSat.1 und die RTL-Gruppe von Bertelsmann über eine gemeinsame beherrschende Stellung mit einem Anteil von etwa 80 %. Die Transaktion führt nach Ansicht des Kartellamtes aufgrund der Verflechtungen von Bertelsmann und Springer zur weiteren Verstärkung dieser Struktur durch die dann gemeinsamen Beteiligungen an mehreren Hörfunksendern und Pressevertrieben sowie die gemeinsame Beherrschung des Tiefdruckunternehmens Prinovis. Auf dem Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen verfügt Springer mit “Bild” über bundesweit etwa 80 %. Das Kartellamt befürchtet hier eine so genannte crossmediale Promotion durch werbliche und redaktionelle medienübergreifende Unterstützung. Auch der 40 %-Anteil von Springer auf dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen würde nach Ansicht der Behörde durch crossmediale Werbekampagnen, also die Möglichkeit, Werbung über mehrere Medien anbieten zu können, verstärkt. – Wie können die Beteiligten das Vorhaben noch retten?Für alle drei Märkte muss Springer bis Anfang Dezember die Bedenken der Behörde ausräumen. Dafür wird Springer dem Bundeskartellamt ein Maßnahmenpaket anbieten. In Betracht kommen z. B. der Verkauf der 25 %-Beteiligung Springers an Prinovis sowie der Anteile an den Radiosendern, an denen auch Bertelsmann beteiligt ist. Ferner ist der Verkauf von Programmzeitschriften wie “Hörzu” im Gespräch. – Was passiert, wenn diese Zusagen nicht ausreichen?Gelingt es Springer, durch konkrete Maßnahmen die Bedenken der Behörde zu zerstreuen, wird das Bundeskartellamt das Verfahren unter der Auflage bzw. Bedingung der Umsetzung dieser Maßnahmen freigeben. Andernfalls wird es das Vorhaben untersagen. In diesem Fall kann Springer ProSiebenSat.1 bis auf weiteres nicht erwerben. – Welche Möglichkeiten hat Springer, gegen eine mögliche Untersagung vorzugehen, und wie ginge das Verfahren dann weiter? Springer könnte gegen eine Untersagung Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einlegen. Darüber hinaus könnte der Verlag eine Ministererlaubnis beantragen. Während sich die Beschwerde mit der konkreten Entscheidung des Bundeskartellamtes befassen würde, handelt es sich bei der Ministererlaubnis um ein gesondertes Verfahren, in dem der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit trotz der Untersagung des Kartellamtes eine Sondergenehmigung erteilen kann. – Welches Verfahren verspricht mehr Erfolg? Das ist gegenwärtig schwer zu sagen. Während der Minister die Transaktion unter außerwettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten, im Hinblick auf die gesamtwirtschaftlichen Vorteile beurteilen kann, würde sich eine Beschwerde gegen die konkrete Entscheidung des Bundeskartellamtes richten. Da weder die Entscheidung des Kartellamtes vorliegt, noch die Haltung des Wirtschaftsministers zurzeit eindeutig bestimmbar ist, ist es unwahrscheinlich, dass Springer seine weitere Strategie bereits endgültig festgelegt hat. Im Vordergrund wird zunächst sicherlich die Verhinderung einer Untersagung durch das Bundeskartellamt stehen. – Das Kartellamt äußert keine Bedenken zur Medienvielfalt. Wie wird diese geschützt?Dies soll die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) sicherstellen. Die KEK wird sich am Montag zu der Transaktion äußern. Anders als das Kartellamt kann sie allerdings nicht den Vollzug der Transaktion verhindern. Rechtsanwältin Gaby Eickstädt leitet die kartellrechtliche Abteilung von Ashurst in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.