Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Martin Bünning

"Strafbesteuerung sollte im Investmentrecht abgeschafft werden"

Ausländische Emittenten werden diskriminiert - Vereinfachung wäre wegen Produktvielfalt sinnvoll

"Strafbesteuerung sollte im Investmentrecht abgeschafft werden"

– Herr Dr. Bünning, in der Vergangenheit hat es Probleme mit ausländischen geschlossenen Fonds und Zertifikaten gegeben wegen einer drohenden Strafbesteuerung. Worum geht es dabei?Inländische Investoren müssen damit rechnen, der sogenannten Strafbesteuerung des Investmentsteuergesetzes zu unterliegen, wenn das ausländische Emissionsvehikel nach deutschem Steuerrecht als “Fonds” gilt und den strengen inländischen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nicht nachkommt. Problematisch ist dabei, dass für ausländische Produkte der “materielle” Fondsbegriff gilt. Danach gelten alle ausländischen Vehikel, die nach dem Prinzip der Risikomischung investieren, als Fonds. Dieses Prinzip ermöglicht in Zweifelsfällen keine exakte Abgrenzung. Dies gilt sowohl für ausländische geschlossene Fonds als auch für Zertifikate mit entsprechendem Underlying. – Was ist für inländische Fonds und Zertifikate maßgeblich?Für sie gilt der formelle Fondsbegriff, wonach nur inländische Investmentfonds und Investmentaktiengesellschaften im Sinne des Investmentgesetzes dem Investmentsteuergesetz unterliegen. Greift die Strafbesteuerung ein, hat der inländische Anleger mindestens 6 % des letzten Rücknahmepreises (oder Marktwerts) zu versteuern, unabhängig davon, ob er tatsächlich Ausschüttungen erhalten hat und wie sich der Wert des Fondsanteils entwickelt hat. Das Risiko der Strafbesteuerung ist ein offenkundiges Vertriebshindernis für ausländische geschlossene Fonds und ausländische Zertifikate. Das Risiko der Strafbesteuerung betrifft insbesondere Privatanleger, hat aber auch für gewerbliche und institutionelle Anleger Bedeutung. Zwar hatte der BMF in einem Schreiben vom 2. Juni 2005 versucht, die Problematik insbesondere für ausländische Private-Equity-Fonds, die als Personengesellschaften organisiert sind, und ausländische Reits sowie CDOs (Collateralized Debt Obligations) zu entschärfen. Das Schreiben hat aber keineswegs alle Zweifelsfragen ausgeräumt. – Welche Änderungen zeichnen sich im jüngsten Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Investmentgesetzes ab?In dem am 18. Januar veröffentlichten Gesetzentwurf wird die Definition des “ausländischen Investmentanteils” im Investmentgesetz dahin gehend ergänzt, dass zukünftig nur noch solche Produkte erfasst werden, bei denen die Anleger ein Recht zur Rückgabe der Anteile haben. Damit verabschiedet sich der Gesetzgeber vom materiellen Fondsbegriff. Da zwischen dem Investmentgesetz und dem Investmentsteuergesetz ein Gleichlauf besteht und die Strafbesteuerung an das Halten eines Investmentanteils anknüpft, kann davon ausgegangen werden, dass durch die Neuregelung zukünftig die Strafbesteuerung für Investoren, die Anteile an ausländischen geschlossenen Fonds halten, keine Rolle mehr spielen wird, wenn der Anleger kein Recht zur Rückgabe seiner Anteile hat. Dasselbe gilt für entsprechende Zertifikate. – Welche Arten von Fonds sind davon betroffen?Die Neuregelung hat Bedeutung für alle ausländischen geschlossenen Fonds unabhängig von der Zusammensetzung ihres Portfolios – Immobilien, Private Equity, Hedgefonds. – Bedeutet dies auch eine Erleichterung für andere Produktklassen?Neben den Fonds sind auch solche Zertifikate betroffen, die die Wertentwicklung eines oder mehrerer Hedgefonds nachvollzieht. Darüber hinaus ergibt sich auch eine Vereinfachung der Rechtslage für Emittenten, die CDOs ausgeben. Für beide Produktklassen enthielt bereits das Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) von 2005 eine Vereinfachungsregel. Da sich die Auffassung der Finanzverwaltung allerdings nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ableiten ließ und auch nicht in jeder Hinsicht schlüssig war, beseitigt die vorgeschlagene Neuregelung einen Großteil der verbleibenden Fragen. – Reichen diese Modifikationen aus Sicht der Fonds aus, um das Problem zu beseitigen, oder wären aus Ihrer Sicht weitere Änderungen angebracht? Nach dem BMF-Schreiben vom 2. Juni 2005 ist die vorgeschlagene Rechtsänderung ein weiterer Schritt zur Gleichbehandlung in- und ausländischer Kapitalanlageprodukte. Allerdings wäre es zu begrüßen, wenn der Gesetzgeber sich zu einer weitergehenden Lösung entschließen könnte. So war in den ersten Entwürfen zum Investmentgesetz noch vorgesehen, dass ausländische Produkte nur dann dem Investmentsteuergesetz unterliegen sollten, wenn sie in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU zum Handel zugelassen oder an einer Börse gelistet waren. Wegen der großen Produktvielfalt und der vielfältigen Möglichkeiten, die Rückgabe beziehungsweise Rücknahme von Anteilen oder Zertifikaten zu gestalten, würde eine solche Regelung zu einer weiteren Vereinfachung führen. Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber eine Abschaffung der Strafbesteuerung erwägen. Diese ist europarechtlich und verfassungsrechtlich problematisch, da sie ausländische Emittenten diskriminiert und zu einer übermäßigen Besteuerung führt. Dr. Martin Bünning ist Counsel bei Allen & Overy LLP in Frankfurt. Die Fragen stellte Walther Becker.