"Unternehmen einmal anders betrachten"
Von Karin Böhmert, Frankfurt Eine geplatzte Ölpipeline, eine Explosion in einem Chemiewerk, Korruption oder auch eine schlechte Personalpolitik führen zu einem Imageschaden des Unternehmens – und entsprechend zu Kursverlusten der Aktie. Fondsmanager möchten deshalb derartige potenzielle Risiken künftig besser abschätzen können. Sie überprüfen dazu die Unternehmen, in die sie investieren, auch im Hinblick auf deren Einhaltung von Normen und Grundsätzen der gesellschaftlichen Verantwortung, der “Corporate Social Responsibility” (CSR).”Socially Responsible Investments” (SRI), der neue Trend im Asset Management, wird im Deutschen auch als “nachhaltige Geldanlage” bezeichnet. Das ist umfassender als “ethische Investments”, die auf bestimmte Teilbereiche abzielen. Imageschaden vermeidenFür Julie McDowell, Leiterin des SRI Research beim britischen Asset Manager Standard Life Investments, geht es bei SRI darum, “Unternehmen einmal ganz anders zu betrachten” und Werte in die Investmentphilosophie einfließen zu lassen. Entsprechend hat Standard Life Investments unter der Leitung von McDowell ein Expertenteam gebildet, das im Rahmen des Investmentprozesses die sozialen, ökologischen und ethischen Richtlinien und Verfahren eines Unternehmens unter die Lupe nimmt, in das investiert werden soll. Denn, so der Grundgedanke, sollten Unternehmen auf diesen Gebieten keine adäquaten Verfahren implementieren, so würden sie einen Imageschaden riskieren, mahnt McDowell im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die Folgen seien negative Auswirkungen auf die Marke und Produkte, was die finanzielle Performance erheblich beeinträchtigen könne. Zwar liege es in bestimmten Branchen in der Natur der Geschäftstätigkeit, dass Schwierigkeiten oder “Katastrophen” entstehen können, beispielsweise in der Ölexploration, merkt die US-Anwältin McDowell an. Gleichwohl komme es aber darauf an, inwieweit Vorkehrungen getroffen und Richtlinien erlassen wurden, um diese zu vermeiden bzw. wie im Schadensfall professionell auch auf lokaler Ebene damit umgegangen werde. Vier ThemenkomplexeZiel von SRI sei es also, den Shareholder Value zu steigern, indem Unternehmen zu einem ökologischen und sozialen Engagement aufgefordert werden. Dabei gehe es im Wesentlichen um vier im Folgenden erläuterte Themenkomplexe: die ökologische Verantwortung, die Beziehungen zu den Mitarbeitern, Menschenrechte und internationale Geschäftstätigkeit sowie um die Förderung des Gemeinwohls und der Geschäftsethik. Standard Life Investments untersucht bei der Analyse der Unternehmen, ob diese sich nach verschiedenen Leit- bzw. Richtlinien im Sinne von SRI richten. So sollte nach Auffassung des britischen Asset Manager ein Unternehmen die Verantwortung für die umweltrelevanten Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit übernehmen. Wichtig dabei sei, bei der Steuerung und Minimierung dieser Auswirkungen konsequent die Best Practices auf diesem Gebiet umzusetzen, also alle Umweltgesetze und -vorschriften einzuhalten.Kriterium bei der Anlageentscheidung sei auch, ob Unternehmen die international anerkannten arbeitsrechtlichen Vorschriften einhalten und auch die Arbeitplatzsicherheit ihrer Mitarbeiter gewährleisten. Diese Faktoren würden zu einem positiven Arbeitsumfeld, höherem Engagement und somit höherer Produktivität der Mitarbeiter führen, so dass Unternehmen insgesamt gute Ergebnisse erzielten.Im Rahmen von SRI werde zudem von den Unternehmen erwartet, dass diese ihre Mitarbeiter, Subunternehmer und Lieferanten zur Einhaltung einschlägiger Menschenrechtsgrundsätze verpflichten. Geschehe dies nicht, so würden Unternehmen die Sicherheit ihrer Mitarbeiter, aber auch ihrer Geschäftstätigkeit aufs Spiel setzen. Zudem gingen sie das Risiko ein, dass Konsumenten ihre Produkte oder Serviceleistungen boykottieren, da diese als Unterstützung eines menschenrechtsfeindlichen Regimes angesehen würden. Zu den Richtlinien von SRI zählt auch die Förderung des Gemeinwohls und der Geschäftsethik. So könnten der Ruf und das Image eines Unternehmens erheblichen Schaden nehmen, wenn es international anerkannte Grundsätze der Geschäftsethik etwa hinsichtlich Vorteilsnahme und Korruption nicht beachte. Eigene RatingmethodeZur Analyse der jeweiligen Unternehmen haben McDowell und ihr Team eine eigene Ratingmethode entwickelt, um die Gesellschaften hinsichtlich der Anforderungen an SRI abzuklopfen. Diese kontinuierlichen Analysen münden in jährlich neu ermittelten numerischen Ratings. Die Ratings werden dann den zuständigen Analysten und Fondsmanagern zur Verfügung gestellt und mit ihnen diskutiert, erläutert McDowell. Zudem werden Branchenanalysen erstellt, um die zentralen Punkte im Hinblick auf SRI einer Branche zu identifizieren sowie die diesbezüglich führenden Unternehmen herauszufiltern. “Wir können natürlich nicht jedes einzelne Unternehmen, in das wir investieren wollen, auf seine soziale Verantwortung hin überprüfen”, schränkt McDowell angesichts der Vielzahl an Unternehmen ein, aber “im Detail decken wir in Europa 350 Unternehmen mit unserer Analyse ab”.Neben Fragebögen, die an die Unternehmen zur schriftlichen Beantwortung versandt werden, setzt Standard Life Investments auch systematisch auf direkte Gespräche mit den Unternehmen, wobei die bisherigen Entwicklungen und Perspektiven im Hinblick auf ein sozial verträgliches Investment besprochen werden. “Wir stellen gezielte Fragen, wodurch sich Unternehmen intensiv mit dem Thema beschäftigen”, unterstreicht McDowell. Viele Unternehmen hätten inzwischen eigene Corporate Responsibility Manager eingestellt, die sich speziell auf die Einhaltung der Grundsätze durch das eigene Unternehmen fokussieren. Die entsprechenden Aktivitäten und Ergebnisse werden auch auf den Internetseiten und in den Unternehmensberichten dargestellt. Bereitschaft steigtDie Bereitschaft der Unternehmen, sich diesbezüglich zu öffnen und Informationen zur Verfügung zu stellen, sei enorm gestiegen, unterstreicht McDowell. Dies gelte in Europa insbesondere für Großbritannien, aber auch in Deutschland gerate das Thema zunehmend auf die Agenda. Treiber der Entwicklung seien die Investoren, die mehr und mehr danach fragen, ob Unternehmen die Grundsätze berücksichtigen, um so das Risiko der Investition zu minimieren.Unterstützt wird dieser Trend in Deutschland auch vom Bundesverband Investment und Asset Management (BVI), der jüngst auch deutsche Unternehmen dazu aufgefordert hat, den “Carbon Management Standard” einzuführen. Dessen Grundgedanke ist, dass hohe Kohlendioxidemissionen zu Klimaveränderungen führen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und Unternehmen. Dies kann wiederum für Investoren in Aktien der Unternehmen mit finanziellen Risiken verbunden sein. Indem Unternehmen den “Carbon Management Standard” einführen, verpflichten sie sich, die Emission von Kohlendioxid zu reduzieren – und somit auch das finanzielle Risiko ihrer Investoren. Manchmal nur PRDass britische Unternehmen dieses Thema ernst nehmen, hat jüngst die von Standard Life Investments und der britischen Umweltbehörde gesponserte Studie “Carbon Management & Carbon Neutrality” gezeigt. Die Studie untersuchte die Maßnahmen, die die im Londoner Börsenindex FTSE All-Share enthaltenen Unternehmen zur Emissionsreduzierung bereits ergriffen haben oder vornehmen wollen. Allerdings mahnen die Autoren der Studie auch, dass manche Aktivitäten oder Ankündigungen der Unternehmen lediglich PR-Zwecken dienten.