Immobilien

Viterra kreiert Blaupause zur Verbriefung von Mieten

Vorlage für Nachahmer - Hauptschwierigkeit: deutsche Insolvenzordnung - Gespräch mit Viterra-Finanzvorstand Manfred Püschel

Viterra kreiert Blaupause zur Verbriefung von Mieten

Von Annette Becker, DüsseldorfEin Jahr lang haben Manfred Püschel, Finanzvorstand der Viterra AG, und das Team um Christian Wilkens, Bereichsleiter Finanzen, an einer Kapitalmarkttransaktion gearbeitet, die im Dezember das Licht der Welt erblickte und für den deutschen Markt ein absolutes Novum war: die Verbriefung von Mieteinnahmen aus einem 8 500 Wohnungen umfassenden Portfolio nach deutschem Recht. Was auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche ABS-Transaktion aussieht, ist in Wahrheit äußerst komplex. Denn Mietforderungen werden im deutschen Insolvenzrecht anders behandelt als Forderungen aus Leasinggeschäften oder Telefonrechnungen. Die Insolvenzfestigkeit ist es aber, auf die die Ratingagenturen, die bei ABS-Transaktionen zwingend involviert sind, ihr Hauptaugenmerk legen. PrestigeprojektSo manches Mal, sagt Wilkens, habe er geglaubt, das Projekt beenden zu müssen. Doch auch dank des Engagements der begleitenden Bank Barclays Capital wurde das Projekt erfolgreich realisiert. Ein echtes Prestigeprojekt also, mit dem sich alle Beteiligten – allen voran natürlich die Verantwortlichen von Viterra – schmücken können. Doch kehren wir an die Anfänge des Projekts zurück: Viterra hatte die Frankfurter Siedlungsgesellschaft (FSG) 2002 mehrheitlich aus Staatsbesitz erworben – Eigentümer waren der Bund, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt. Der Kaufpreis war damals kurzfristig aus Konzernmitteln – Cash-flow und Mittel der Muttergesellschaft Eon – finanziert worden. Zielsetzung sei jedoch von Anfang an die externe Refinanzierung gewesen, erklärt Püschel. Üblicherweise machen Immobiliengesellschaften das über den Bankenmarkt via Hypothekendarlehen oder syndizierte Kredite. Doch da sich die Konditionen am klassischen Hypothekenbankmarkt aus Sicht von Viterra in den vergangenen zwei bis drei Jahren drastisch verschlechtert haben – “die Preise ausgedrückt in der Bankenmarge haben sich verdoppelt bis verdreifacht”, sagt Püschel -, suchten die Essener nach einer anderen, günstigeren Finanzierungsvariante. Da die Hypothekenbanken mit der Emission von Pfandbriefen ja letztlich auch nichts anderes machten als Verbriefen, sei es nahe liegend gewesen, den direkten Kontakt mit dem Endinvestor zu suchen, erläutert Püschel. Gefunden wurde folgende Konstruktion (vgl. Grafik): Das Immobilienvermögen der FSG GmbH wurde auf die FSG KG übertragen, die ausschließlich das Immobilienrisiko trägt und von daher einen höheren Kreditbetrag aufnehmen konnte. Die Mietansprüche der in der FSG zusammengefassten Immobilien – hauptsächlich Wohnimmobilien – wurden dann an das Special Purpose Vehicle Hallam Finance plc abgetreten, das von der Viterra-Gruppe aus Gründen der Insolvenzfestigkeit völlig abgeschirmt ist. Eigentümer sind drei gemeinnützige Stiftungen nach irischem Recht, was bei solchen Transaktionen üblich ist. Hallam Finance agiert also ohne Gewinnerzielungsabsicht und wird von Tochtergesellschaften der Deutschen Bank gegen Gebühr gemanagt. Hallam Finance emittierte dann eine mit den Mieteinnahmen der kommenden sieben Jahre besicherte Anleihe von 265 Mill. Euro und reichte den Emissionserlös an die FSG als Darlehen weiter. Da die Anleihe einen variablen Kupon trägt, das Darlehen aber festverzinslich ist, musste Hallam Finance zudem noch über ein Swap-Geschäft das Zinsrisiko ausschalten. Zudem wurde die Strukturierung so flexibel gestaltet, dass jederzeit Immobilien verkauft werden können. Wenn Wohnungen aus dem Portfolio genommen würden, löse das Sondertilgungen aus. Selbst die Swaps wurden Püschel zufolge an die wahrscheinliche Verkaufskurve angepasst, so dass Viterra keine ökonomischen Nachteile erleide. Günstige KonditionenAuf diesem Weg hat sich die FSG ein Darlehen besorgt “mit einem Zinsaufwand deutlich unter 4 %”, streicht Püschel heraus. Damit konnten zwar die Konditionen aus dem Eon-Konzern nicht unterboten werden, doch “hätten wir ohnehin eine so langfristige Akquisition nicht dauerhaft kurzfristig finanzieren können”, erklärt Püschel den Vergleich für illegitim. “Im Hypothekenmarkt hätten wir sicher mehr bezahlen müssen”, ist er überzeugt.Die Finanzierung über die FSG und den Kapitalmarkt hatte aus Sicht Püschels aber auch aus einem anderen Grund Charme. Die zuvor auf AG-Ebene liegende Finanzierung wurde mit der Transaktion nämlich auf die Tochter gedrückt. Das entlaste die Bilanz der Viterra AG und eröffne finanziellen Spielraum. Als weiteren Vorteil gegenüber dem traditionellen Bankenmarkt streicht Püschel die gestiegene Beleihungsgrenze für das Portfolio heraus. Seien im Regelfall nur 60 bis 70 % des Gesamtwerts (“loan to value”) beleihbar, konnten via Verbriefung 80 % erzielt werden – noch dazu mit einer durchschnittlichen Marge von 43 Basispunkten auf den dreimonatigen Interbankensatz Euribor. “Das halten wir für einen außerordentlich guten Wert”, urteilt Püschel. “Pionierarbeit”Die Transaktion sei aber auch von strategischer Bedeutung, denn Viterra habe sich nun den direkten Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erschlossen und das Feld für ähnliche Transaktionen bereitet. “Wir haben eine Blaupause geschaffen”, sagt Püschel nicht ohne Stolz. Obwohl jedes Portfolio anders sei, sei die Konstruktion für Viterra, aber auch für andere Immobilienunternehmen kopierbar. “Ich bin ganz sicher, dass ähnliche Transaktionen in Deutschland wiederholt werden”, sagt Püschel mit Verweis auf die gute Investorennachfrage. Die Anleihe war zweieinhalbfach überzeichnet. Und auch das Interesse der Banken sei riesengroß gewesen, witterten diese darin doch ein neues Geschäft.Einzige Restriktion im Verbriefungsmarkt ist nach Einschätzung Püschels das Volumen: “Mit 50 Mill. Euro kann man nicht in diesen Markt gehen.” Das Mindestvolumen für eine Verbriefungstransaktion beziffert der Manager auf 150 Mill. Euro.Püschel ist allerdings weit davon entfernt, die Urheberrechte für sich zu reklamieren. Wie bei Innovationen am Kapitalmarkt üblich, stammt auch die Idee zur Verbriefung von Mietforderungen aus den USA. Dahinter steht also amerikanisches Recht. Die Hauptschwierigkeit, erläutert Püschel, habe in der Überführung in deutsches Recht gelegen. Die größte Hürde stellte dabei die Insolvenzordnung dar, ging es doch bei allen wesentlichen Fragen um die Insolvenzfestigkeit für den Bondholder. Bei der Ausarbeitung der rechtlichen Konstruktion waren Hengeler Mueller für Viterra und Allen & Overy für Barclays tätig. “Das war echte Pionierarbeit”, lobt Püschel. Das deutsche Insolvenzrecht differenziert zwischen Mietforderungen und anderen Forderungen. Bei Mietforderungen taucht das Problem auf, dass Vorabverfügungen – nichts anderes sind Verpfändungen – nur einen Monat nach Eintritt des Konkurses gelten. Im Klartext heißt das: Wenn ein Unternehmen seine Mietforderungen für sieben Jahre verpfändet und danach in Konkurs geht, hat der Pfandinhaber lediglich Anspruch auf eine Monatsmiete. Der Rest wird der Konkursmasse zugeschlagen. Um dieses Problem zu umschiffen, musste nach den Worten Püschels “die klassische Grundschuld” genutzt werden. Das sei die einzige Möglichkeit gewesen, dem Bondinvestor letztlich den Zugriff auf den Miet-Cash-flow zu sichern. Die Grundschuld wurde daher zugunsten eines Treuhänders bestellt, der als Mittler zwischen der FSG KG und Hallam Finance steht. Trotz des hohen Arbeitsaufwands habe die Verbriefung die Vorteile gebracht, die sich Viterra erhofft habe.”Wir legen das jetzt in unseren Instrumentenkasten neben das Hypothekendarlehen und den klassischen Bankkredit. Künftig werden wir dann von Fall zu Fall entscheiden, was der richtige Einsatz ist”, sagt Püschel.Allerdings räumt der Manager auch ein, dass so schnell wohl kein weiteres Portfolio verbrieft wird, denn Akquisitionen stehen vorerst nicht an. “Natürlich hat der Verkauf von Viterra Priorität. Ich sehe nicht, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten das Instrument nochmals einsetzen werden.”Und ändert sich durch die Verbriefung für den potenziellen Käufer von Viterra etwas? – Nach Einschätzung von Püschel nicht. Die besicherte Anleihe sei schließlich nur eine Verbindlichkeit neben vielen anderen und biete dabei eine wirtschaftlich sehr günstige Finanzierung.