Kapitalanlage - Die Börse spricht...

Von der Eitelkeit und dem Spiel mit dem Feuer

Börsen-Zeitung, 5.1.2008 Die Börse spricht über den hohen Ölpreis, der sich zunehmend als Belastung für die globale Konjunktur und die Märkte erweist. Die Nachricht eilte wie ein Lauffeuer rund um den Globus: Erstmals in der Geschichte des Ölhandels...

Von der Eitelkeit und dem Spiel mit dem Feuer

Die Börse spricht über den hohen Ölpreis, der sich zunehmend als Belastung für die globale Konjunktur und die Märkte erweist. Die Nachricht eilte wie ein Lauffeuer rund um den Globus: Erstmals in der Geschichte des Ölhandels kostet das Barrel des schwarzen Goldes mehr als 100 Dollar. Merkwürdig ist allerdings, dass der Ölpreis diese denkwürdige Marke nur ganz kurze Zeit halten konnte. Was war geschehen? Die New York Mercantile Exchange (Nymex), der führende Handelsplatz für Öl, ist eine der wenigen Terminbörsen, an denen noch der klassische sogenannte Open-Outcry-Handel praktiziert wird, auch wenn auch dort bereits der elektronische Handel größere Volumina erreicht hat als der erwähnte Parketthandel. An der Nymex stand der als Benchmark geltende Preis für die US-Sorte West Texas Intermediate bereits seit rund zwei Monaten kurz vor der Marke von 100 Dollar, bis Richie Arens eingriff. Arens ist ein unabhängiger Händler und Chef des Brokerhauses ABS. Er war es, der am ersten Handelstag nach Neujahr in einem einzigen Trade Öl für 100 Dollar je Barrel kaufte. Er wählte dabei die kleinste an der Nymex zulässige Menge von 1 000 Barrel. Sofort nach der Transaktion ging der Preis wieder auf 99,53 Dollar zurück. Experten sprechen in einem solchen Fall von einem “Vanity Trade”, also einem aus reiner Eitelkeit durchgeführten Handel. Für Arens sind die Verluste dabei überschaubar: Für ein Minus von lediglich rund 600 Dollar kann er sich rühmen, als erster Öl zu einem dreistelligen Preis gehandelt zu haben. An der Nymex wird die Sache freilich etwas anders gesehen. Viele Händler sind auf Arens sauer. Sein Handeln beinhaltete nämlich erhebliche Gefahren. Der Vanity Trade hätte eine große Flut automatischer Orders auslösen und insbesondere Marktteilnehmer mit großen Short-Positionen zu Eindeckungen zwingen können. Dadurch hätte der Ölpreis ohne weiteres bis auf 110 Dollar steigen können, was dann zweifelsohne an Wall Street ein Erdbeben ausgelöst hätte. Dort hätten automatische Verkaufsorders Dow und S & P 500 in die Knie zwingen können, und die anderen globalen Märkte wären der Wall Street gefolgt. Der Nymex dürfte der Vorfall peinlich sein, stellt er doch die vom Open-Outcry-Handel ausgehenden Preissignale und damit letztlich den Nymex-Parketthandel in Frage. Im elektronischen Handel jedenfalls blieb der Ölpreis die ganze Zeit unter 100 Dollar.