Vorsicht bei Schiedsklauseln
– Herr Dr. Schröder, was ändert sich mit dem Beschluss des OLG Düsseldorf bei Rechtsstreitigkeiten mit im Ausland ansässigen Parteien? Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Handelsverträgen werden regelmäßig nicht vor staatlichen Gerichten ausgetragen. Stattdessen werden – soweit der ausländische Vertragspartner eine entsprechende Verhandlungsstärke hat – oft die Wahl ausländischen Rechts und die Zuständigkeit eines in der Heimat des Vertragspartners ansässigen Schiedsgerichts vorgesehen. Kommt es hier zu Leistungsstörungen oder sonstigen Vertragsverletzungen zulasten des ausländischen Vertragspartners, konnte dieser bislang Beweisprobleme vermeiden und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes trotz der auf sein Heimatrecht verweisenden Schiedsklausel in Deutschland ein selbständiges Beweisverfahren einleiten. Die so erlangten Beweismittel konnte er sodann im Schiedsverfahren in seinem Heimatland verwenden. – Dem hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nun einen Riegel vorgeschoben? Ja, es hat entschieden, dass die Parteien eines in Deutschland abzuwickelnden Vertrags, welche die Geltung ausländischen Rechts vereinbart und für den Fall von Streitigkeiten die umfassende Zuständigkeit eines ausländischen Schiedsgerichts vorgesehen haben, auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kein selbständiges Beweisverfahren vor deutschen Gerichten mehr einleiten können. Dem ausländischen Vertragspartner ist somit die “Ausforschung” in Deutschland verwehrt, und er muss Beweismittel zur Verwendung in seinem Heimatland in anderer Weise besorgen. – Wie kommt das OLG Düsseldorf zu dieser Entscheidung?Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass das selbständige Beweisverfahren allein der Sicherung des Beweises für einen künftigen Rechtsstreit vor deutschen Gerichten oder Schiedskammern dient. Mit anderen Worten: Ein selbständiges Beweisverfahren in Deutschland ist nur dann zulässig, wenn das Beweisergebnis auch in einem deutschen Hauptsacheverfahren verwendet werden kann. Sei dagegen die Verwendung des Beweisergebnisses aufgrund eines vereinbarten Verweises an eine ausländische Schiedsstelle unter Geltung ausländischen Rechts ausgeschlossen, so könne das selbständige Beweisverfahren seinen Zweck von vornherein nicht erfüllen und daher auch nicht im Wege eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz verfolgt werden. – War mit dieser Entscheidung zu rechnen, und ist ihr zuzustimmen?Die Entscheidung hat viele Praktiker sicher überrascht, denn sie bedeutet eine Abkehr von der bisher überwiegenden Meinung. Das Oberlandesgericht Köln hatte beispielsweise entschieden, dass eine einstweilige Verfügung zur Unterbindung von Markenrechtsverletzungen trotz einer anders lautenden Schiedsklausel in Deutschland zulässig sei, und dabei auf den Grundgedanken des vorläufigen Rechtsschutzes und seine immanente Eilbedürftigkeit abgestellt. Der neuen Entscheidung des OLG Düsseldorf ist allerdings in vollem Umfang zuzustimmen. Das selbständige Beweisverfahren hat nämlich lediglich Hilfsfunktion für ein vorgedachtes Hauptverfahren. Wenn die Verwendung des Beweisergebnisses in einem deutschen Hauptverfahren wegen der umfassenden Zuweisung an eine ausländische Schiedsstelle ausscheidet, ist es nicht angängig, einzelne Verfahrensrechte nach dem sogenannten “Rosinenprinzip” aus dem – im Übrigen für die Tatsachenfeststellung nicht maßgeblichen – deutschen Recht herauszupicken, nur weil dies nunmehr günstiger zu sein scheint als das vereinbarte ausländische Recht. – Wie schätzen Sie die Konsequenzen aus diesem Beschluss ein?Für ausländische Vertragsparteien, die gegen ihre deutschen Vertragspartner wegen vermeintlicher Vertragsverletzungen vorgehen möchten, aber insoweit in Beweisnot sind, hat die Entscheidung weitreichende Konsequenzen. Ihnen wird hierdurch eine Beweiserhebung unter Einschaltung deutscher Gerichte unmöglich gemacht. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es darum geht, in Deutschland gelegene potenzielle Beweismittel (z. B. Maschinen oder Gebäude) näher zu untersuchen, auf die der ausländische Vertragspartner keinen Zugriff hat. In solchen Fällen ist anderweitig oft kaum Beweis zu erlangen. Insofern erschwert die Entscheidung ein Vorgehen gegen deutsche Vertragspartner erheblich. – Worauf müssen Unternehmen in Zukunft achten?Die Entscheidung wird bei der Gestaltung von Schiedsklauseln in internationalen Verträgen zu berücksichtigen sein. Zur Vermeidung von Beweisproblemen ist etwa zu erwägen, bestimmte Verfahrensarten, die beispielsweise der Sicherung von Beweismitteln dienen, von der Allzuständigkeit der Schiedsstelle und der ausschließlichen Geltung ausländischen Rechts auszunehmen.(Az: I – 20 W 152/07, die Entscheidung ist rechtskräftig seit 5. Juni 2008). Dr. Oliver Schröder ist Rechtsanwalt und Partner bei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton.Die Fragen stellte Walther Becker.