"Wir wachsen nirgends so stark wie in Deutschland"
Mit Assets von 2,652 Bill. sfr ist die UBS größte Vermögensverwalterin der Welt vor der Allianz, die ein Viertel weniger Volumen aufweist. In der Fondsdivision verwaltet die UBS knapp 800 Mrd. sfr. Davon entfällt etwa die Hälfte auf das Europa-Geschäft, das unter der Leitung von Gabriel Herrera steht. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Sparte 49,5 Mrd. sfr Nettozuflüsse. Den größten Beitrag lieferte absolut und relativ der deutsche Markt. – Herr Herrera, die UBS versucht seit Jahren, ihre Fonds auch über Drittbanken zu vertreiben. Wie weit sind Sie damit gekommen?Schon sehr weit. Die offene Fondsarchitektur ist sehr wichtig für unseren Geschäftserfolg. Wir haben vergangenes Jahr mehr Fonds über Dritte als über die UBS verkauft. Vor zehn Jahren war dieser Absatzkanal für uns praktisch inexistent. – Gemäß Geschäftsbericht lagen in den Depots ihrer Private-Banking-Kunden im Jahr 2004 etwa zwei Drittel eigene und ein Drittel fremde Fonds . . .UBS Global Asset Management stellt die Fonds her, vertrieben werden sie bei UBS von den Vermögensberatern im Wealth Management. Sie können allerdings davon ausgehen, dass die Zahl aus dem Geschäftsbericht korrekt ist. – Im internationalen Fondsmarkt scheinen sich die Preise und Strukturen kaum zu bewegen. In Europa gibt es viel zu viele Fonds und die sind sehr teuer. Warum?Die Öffnung der Vertriebskanäle gibt kleineren Fondsanbietern mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Deshalb nimmt das Fondsangebot zu. Auch in den Depots der UBS-Kunden lässt sich die starke Proliferation des Fondsangebotes beobachten. Diese Entwicklung ist nicht paradox, zumindest nicht in der ersten Phase der Marktöffnung. – Noch immer werden nur 16 % aller Fonds in Europa grenzüberschreitend verkauft. Warum funktioniert der Binnenmarkt nicht?16 % sind immerhin schon doppelt so viel wie vor einigen Jahren, aber es ist immer noch sehr wenig. Die UBS ist eine große Verfechterin des Binnenmarkts, denn als globaler Anbieter können wir davon nur profitieren. Aber ich bin nicht so optimistisch anzunehmen, dass Europa einmal ein einziger Markt wird wie die Vereinigten Staaten. – Warum?Ein Problem ist, dass die Anleger in jedem Land steuerlich anders behandelt werden. Nehmen Sie beispielsweise an, wir fusionieren einen italienischen Fonds mit einem französischen. Was passiert, wenn der Italiener dann eine Kapitalgewinnsteuer zahlen muss? Er will natürlich keine Fusion. Die Steuern sind einer der Hauptgründe, weshalb es in absehbarer Zeit keinen wirklich einheitlichen Fondsmarkt geben wird. – Ist es gut für die Anleger, wenn es derart viele kleine Fonds gibt? Viele Produkte unterscheiden sich ja kaum, was die Leistung anbelangt.Das stimmt nicht. Bei Aktienfonds bewegen sich die Performanceunterschiede im zweistelligen Prozentbereich. Es ist aber schwierig, aus dem riesigen Angebot die besten Fonds auszuwählen, dazu braucht es sehr gutes Research. – In Ihrem Jahresbericht ist von einer Polarisierung der Nachfrage die Rede. Was meinen Sie damit?Einige unserer institutionellen Kunden gehen weg vom normalen, standardaktiven Ansatz. Sie suchen Fonds, die sehr aktiv verwaltet werden. Diese mischen sie mit passiven Indexfonds. Wir haben dieser Polarisierung entsprochen, indem wir unser Sortiment mit sehr aktiv gemanagten Fonds und mit Indexprodukten ergänzt haben. Mit 95 % wird aber der größte Teil unserer Kundenvermögen aktiv verwaltet. Indexprodukte haben wir vor allem in der Schweiz und im Geschäft mit Großkunden. Im internationalen Geschäft sind wir mit indexierten Produkten praktisch nicht präsent. – Weil das schon andere machen?Ja, das ist so. State Street und andere Banken sind hier am stärksten. – In welchem europäischen Land wächst die UBS am stärksten?Deutschland ist der am stärksten wachsende Markt für das UBS-Fondsgeschäft – nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Zahlen. Das Volumen unseres Gesamtgeschäfts mit Kunden in Deutschland beläuft sich auf über 20 Mrd. sfr. Wie im weltweiten Geschäft auch verteilt sich das Wachstum in Deutschland ziemlich gleich auf das institutionelle Geschäft und den Wholesale-Bereich, wie wir unser Fondsgeschäft mit Privatkunden bezeichnen. – Wie stark ist die UBS 2005 in Deutschland gewachsen, und wie soll das in Zukunft aussehen?Das in Deutschland verwaltete Vermögen von UBS Global Asset Management hat sich 2005 um einen hohen zweistelligen Prozentsatz erhöht, und wir haben weiterhin ambitionierte Ziele. Deutschland ist ein absoluter Kernmarkt für uns. – Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus?Wir wachsen überall, aber nirgends so stark wie in Deutschland. – Woran liegt es, dass es diese Unterschiede gibt?Neue, ausländische Anbieter kommen in Deutschland momentan einfach besser an als in anderen Ländern. Wir haben aber auch investiert: in die Berater, die eigene Produktion und – was ich gar nicht an letzter Stelle erwähnt haben möchte – die allgemeine Reputation der UBS. Die UBS ist heute eine Marke, die große Achtung genießt und die Türen öffnet. Das war vor sechs Jahren nicht der Fall. – Warum war das damals nicht der Fall? Weil es uns schlechter ging und wir nicht so gut waren. – Wie würden Sie die Marke UBS im Unterschied zu einem anderen globalen Anbieter charakterisieren? Zum Beispiel im Vergleich zur Allianz. Wir haben in den vergangenen sechs Jahren den idealen Weg zwischen einer globalen und lokalen Organisation gefunden. Die Produktentwicklung und die Investmentprozesse sind bei uns weitgehend global, während wir in der Kundenbetreuung einen betont lokalen Ansatz wählen. – Woran liegt es, dass ausgerechnet deutsche Kunden so offen sind für ausländische Anbieter?Die Marktentwicklung in Deutschland ist einfach etwas weiter fortgeschritten. Im Wholesale-Bereich wollen die Endkunden mehr Auswahl, deshalb haben sich die Fondsarchitekturen geöffnet. Im institutionellen Bereich gibt es immer komplexere Fragestellungen. Für die Versicherungen ist Solvency II ein Problem. In solchen Fällen gibt es keinen Grund mehr, sich nur nach nationalen Anbietern umzuschauen. – Warum haben sich die Bedürfnisse der Kunden in Italien nicht in der gleichen Weise verändert?Ich glaube, die deutschen Versicherungen sind durch Solvency II viel stärker tangiert. Im Bereich der Publikumsfonds ist in Deutschland einfach ein Fenster aufgegangen. Großbanken haben ihre Architektur geöffnet und damit geworben, die besten Spieler aufzustellen – egal aus welcher Mannschaft sie stammen. Wir von der UBS haben noch nachgeholfen, indem wir in Deutschland stark investiert haben. Die gleichen Trends gibt es auch in anderen Ländern, aber wir haben unsere Ressourcen nicht überall so stark fokussiert. – Warum profitiert ein Asset Manager wie die UBS von den Eigenmittelvorschriften der Versicherer, Solvency II?Nach Solvency II werden zwei Drittel der Eigenmittel, die ein Versicherer benötigt, durch die Aktivseite, also die Kapitalanlagen, bestimmt und nicht durch die Passiva, also die Verpflichtungen gegenüber den Versicherten. Für uns heißt das, dass wir Lösungen anbieten können. Solvency II wird zwar erst in zwei oder drei Jahren verbindlich eingeführt, aber die meisten Versicherungen disponieren heute schon auf dieser Grundlage. – Versicherer sind also Ihre Hauptkunden im Neugeschäft?In der Zukunft wird das im institutionellen Neugeschäft sicher so sein. – Sie haben einen Schwerpunkt in Deutschland gelegt. Welche Märkte kommen jetzt?Neben unseren Kernmärkten in Europa wie Italien, Frankreich, Großbritannien und Spanien sehen wir Wachstumsmöglichkeiten in den Niederlanden und in Skandinavien. Dort gibt es eine geringere Zahl von sehr großen institutionellen Investoren. Dort sind wir daran, viel Neugeschäft zu generieren. Das Potenzial ist für uns noch sehr groß. In der Schweiz müssen Fondsanbieter von diesem Jahr an die Gebühren nach Vertrieb, Fondsmanagement und Administration aufschlüsseln. Den Kunden soll gezeigt werden, dass 70 % ihrer Kosten an den Vertrieb gehen. – Geht die Schweiz damit weiter als andere Länder in Europa?Die Schweiz geht einen eigenen Weg. In Europa gibt es auch Bestrebungen, die Transparenz zu erhöhen, doch das muss nicht zu der gleichen Lösung führen wie in der Schweiz. Langfristig ist jede Maßnahme, die die Transparenz für den Endkunden erhöht, begrüßenswert. – Ist die Transparenz denn auch in Ihrem Sinne?Langfristig auf jeden Fall. Transparenz verstärkt den Wettbewerb, und das nützt den besseren Anbietern und schadet den schlechteren. Ich gehe deshalb davon aus, dass Transparenz der UBS eher nützen wird. – Warum war die UBS bei weltweiten Aktienanlagen vergangenes Jahr schlechter als der Referenzindex?Das war bei der Aktienstrategie global tatsächlich so und lag vor allem an der Untergewichtung des Energiesektors und an der Aktienauswahl in Japan. In den Aktienstrategien Europa und USA waren wir besser als der Index. – Was lief bei den Global Bonds falsch? Auch da sind Sie schlechter als der Referenzindex. Viel lief nicht falsch. Nur die durchschnittlichen Laufzeiten sind etwas zu kurz gewesen. Das ist nicht tragisch, und wir sind in guter Gesellschaft. – Gibt es Mentalitätsunterschiede zwischen den Anlegern in den verschiedenen Ländern Europas?Ja, recht große. Die Engländer sind extrem aktienlastig, und sie konzentrieren sich vor allem auf Aktien britischer Unternehmen. Fonds mit Ertragsgarantien kommen in Spanien sehr gut an und zunehmend auch in Deutschland. Diese Unterschiede sind klar mentalitätsbedingt und lassen sich nicht durch unterschiedliche Vorschriften erklären. Allen Ländern gleich ist das extrem prozyklische Verhalten der Anleger. Man kauft, was in der Vergangenheit absolut und relativ gut gelaufen ist, egal ob es sich um Privatanleger oder Institutionelle handelt. Genauso prozyklisch verhalten sich die Aufsichtsbehörden. – Was zeichnet die Mentalität der Schweizer Anleger aus?Die Schweizer waren sehr früh international diversifiziert. Das hängt sicher mit der Größe des Landes zusammen. In den achtziger Jahren hatten Amerikaner fast nur amerikanische Aktien im Portefeuille. Bei den Schweizern lag der Auslandsanteil schon damals bei 30 oder 40 %. Diese Internationalisierung der Portefeuilles hat jetzt fast überall stattgefunden.Das Interview führten Daniel Zulauf und Christina Rathmann.