Italien

Euronext trifft auf Widerstand

Während der politische Widerstand gegen die Übernahme der Borsa Italiana durch die französisch dominierte Mehrländerbörse Euronext weiter wächst, zeichnet sich die Zustimmung der Aufsichtsbehörden Banca d’Italia und Consob ab. In Mailänder...

Euronext trifft auf Widerstand

bl Mailand

Während der politische Widerstand gegen die Übernahme der Borsa Italiana durch die französisch dominierte Mehrländerbörse Euronext weiter wächst, zeichnet sich die Zustimmung der Aufsichtsbehörden Banca d’Italia und Consob ab. In Mailänder Finanzkreisen heißt es, das könne interessante Eintrittschancen etwa für die Schweizer Six und die Deutsche Börse eröffnen.

Um weit verbreitete Bedenken zu dämpfen, hat Banca-d’Italia-Chef Ignazio Visco versichert, die Notenbank werde nach einer Übernahme „alles tun, um die bestmögliche Kontrolle sicherzustellen“. Aus seiner Sicht waren „die Alternativen dazu etwas riskant“, ein Seitenhieb gegen die Offerten von Six und Deutscher Börse. Diese waren finanziell deutlich attraktiver. Italiens Mitte-links-Regierung mit Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri hatte jedoch beide Angebote abgelehnt, bevor sie deren Inhalte überhaupt kennen konnte. Eine Nutzung der Golden-Share-Aktie gegen unliebsame Übernahmen zog Rom nicht in Erwägung, obwohl das dafür vorhandene Instrumentarium verschärft worden war.

Unterdessen forderte Davide Zanichelli, Abgeordneter der bisherigen Regierungspartei 5 Sterne, die Regierung müsse „italienische Interessen nicht nur mit Worten, sondern mindestens so energisch verteidigen wie das Frankreich mit seinen Interessen tut“. Er stößt damit ins gleiche Horn wie Adolfo Urso, der sehr einflussreiche Senator und Vizepräsident der Copasir, einer parlamentarischen Kommission zur Überwachung der Geheimdienste. Der Vertreter der postfaschistischen Fratelli d’Italia appellierte an den mutmaßlichen neuen Premierminister Mario Draghi, die finanzielle Souveränität Italiens sicherzustellen und konkrete Zugeständnisse von Euronext zu verlangen. Ebenso wie der Lega-Abgeordnete Giulio Centemero, der als möglicher Minister in der Regierung Draghi gilt, ist er der Auffassung, dass Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron eine klare Strategie hat, italienische Unternehmen in allen Sektoren zu übernehmen, die er als strategisch betrachtet. Paris nutze italienische Schwächen aus und wolle das Know-how italienischer Konzerne abschöpfen.

„Starker Einfluss“

In einem Ende 2020 veröffentlichen Copasir-Bericht wird ein „zu starker französischer Einfluss im Finanzsektor“ kritisiert, der dessen Stabilität gefährden könnte. In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass die Chefs von Generali und Unicredit (zumindest bis vorgestern) Franzosen sind.

Beobachter glauben, dass Draghi versuchen wird, Euronext Zugeständnisse für die Borsa Italiana abzuringen. Euronext-Chef Stéphane Boujnah hatte bei Vorstellung von Jahreszahlen die Mailänder Börse als Pfeiler der neuen Gruppe bezeichnet, der mit 34% den Löwenanteil zum Umsatz beitragen werde. Allerdings kam er der Borsa nicht weiter entgegen: Weiterhin sollen Italiener je zwei Sitze im Verwaltungsrat und im Board von Euronext erhalten, darunter den Posten des Chairman. Im Gespräch dafür ist UBS-Manager Piero Novelli. Außerdem soll in Mailand die Verantwortung für Data Center sowie für den Finanzsektor angesiedelt sein. Konkrete Investitionszusagen machte Boujnah nicht.

In Italien befürchten weite Teile der Politik eine „Kolonisierung“ der Wirtschaft durch die Franzosen. Sie verweisen auf die große Zahl italienischer Unternehmen, die von französischen Gruppen übernommen wurden. Im Zusammenhang mit der Borsa Italiana halten es politische Kreise in Italien für möglich, dass die politische Rechte bei einem Wahlsieg nach möglichen Neuwahlen in einem Jahr versuchen könnte, die Übernahme der Borsa Italiana zurückzudrehen.