Gesucht: standardisierte Strukturen

Forscher prognostizieren Debatte über Plattformen für faule Kredite und sehen die Banken in der Pflicht

Gesucht: standardisierte Strukturen

Im Zuge der Coronakrise und in Erwartung wachsender Kreditausfälle gewinnt die Debatte um Plattformen für den Handel mit faulen Forderungen an Dynamik. Für Christoph Schalast, Professor an der Frankfurt School, steht dabei fest, dass die Privatwirtschaft eine Lösung entwickeln muss. bn Frankfurt – Für Banken ist die Zeit gekommen, sich mit der Übertragung notleidender Kredite an Sekundärmarkt-Plattformen anzufreunden. Dies ist am Donnerstag Tenor einer von der Frankfurt School of Finance & Management veranstalteten Medienrunde gewesen. Infolge der Corona-Pandemie ist demnach eine Bankenkrise auf breiter Front nicht zu erwarten – einzelne Häuser könnten indes in Schwierigkeiten geraten. Zudem bergen wieder anschwellende Bestände fauler Forderungen in den Bilanzen der Banken die Gefahr einer Verknappung von Kredit, wie es hieß. Sorgen um die Fähigkeit der Banken zur Finanzierung hatte zur Wochenmitte schon die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrem Finanzstabilitätsbericht geäußert.Ihren Angaben zufolge haben die Großbanken Eurolands ihre Risikovorsorge im ersten Halbjahr auf annualisiert 0,76 % der Forderungen aufgestockt, mehr als das 2,5-Fache des Vorjahreszeitraums, aber immer noch deutlich weniger auf die in früheren Krisen erreichten Niveaus zwischen 1,2 % und 1,4 %. Die Finanzstabilitätswächter befürchten, die Ertragsschwäche der Banken könne einen Mangel an Risikovorsorge nach sich ziehen. Der ausgedehnte und intensive Einsatz von Kredit-Moratorien in Süd-, aber auch in Zentral- und Osteuropa bringe hohe Risiken für die Performance von Darlehen vor allem an kleine und mittelgroße Unternehmen sowie Selbstständige mit sich, meint Bernhard Held, Senior Credit Officer bei Moody’s Investors Service.Fest steht, dass mit den Auswirkungen der Coronaseuche eine Welle an faulen Forderungen auf die Banken zurollt, gerade nach Auslaufen der öffentlichen Stützungsprogramme. Die europäische Bankenaufsicht stellt sich in einem adversen Szenario darauf ein, dass das Volumen notleidender Kredite (Non-Performing Loans, NPL) in der Eurozone bis Ende 2022 auf 1,4 Bill. Euro anschwellen könnte. Für wahrscheinlicher wird eine Verdopplung des Volumens gehalten, wie Christoph Schalast, Professor für Mergers & Acquisitions, Wirtschaftsrecht und Europarecht an der Frankfurt School, am Donnerstag erklärte. Damit würde das Volumen rund 1 Bill. Euro erreichen – per Ende Juni wies die europäische Bankenaufsicht einen Bestand von 503 Mrd. Euro in Euroland als notleidend aus. Der Anteil fauler Forderungen am Bestand würde damit auf 5,88 % zunehmen.Ein kritisches Niveau sieht der Standardsetzer European Banking Authority (EBA) Schalast zufolge bei 5 % als erreicht an. Für die Banken dürfte das Problem verkraftbar, sagte er. Eine andere Frage sei jene nach den Folgen für die Wirtschaft, wenn anschwellende NPL-Bestände das Kreditangebot der Banken reduzieren sollten. Aus diesem Grund sei es jetzt wichtig, effiziente standardisierte Abwicklungsstrukturen für NPL zu schaffen, erkläre Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School. Prognostiziert wurde am Donnerstag, dass in den kommenden Wochen eine Debatte darüber einsetzen wird, wie man diese Strukturen schaffen könnte. Mit seinen Hilfen habe der Staat der Branche Luft verschafft, argumentiert Schalast. Doch die Zeit dränge. Nun müssten Lösungen gefunden werden. “Die EZB oder europäische Institutionen werden keine europäische Plattform zertifizieren”, erklärte er. Eine privatwirtschaftliche Lösung würden sie allerdings unterstützen. An Investoren mangele es nicht, und auch die Strukturen seien vorhanden. Nun seien die Banken gefordert. Mit Blick auf Debitos, den Frankfurter Betreiber einer NPL-Sekundärmarkt-Plattform, erklärte er, die Gesellschaft sei privatwirtschaftlich organisiert, biete “ein tolles Modell” und in der Tat eine Standardisierung, aber eben nur für ihre Plattform.Marinela Bilic-Nosic, Executive Partner Banking bei IBM und Alumna der Frankfurt School, erklärte, Banken müssen sich darauf einstellen, auch auf ihrer Seite die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, zu Beispiel durch eine standardisierte Dokumentation. Die technischen Voraussetzungen existierten, etwa in Form von Bewertungssysteme, die in Echtzeit bereitgestellt würden. Sie warb für die Idee einer digitalen Bad Bank, die über automatisierte Prozesse Kostenvorteile ermögliche, räumte indes zugleich ein, dass in Banken hoher Kostendruck herrsche, der mutige Investitionen oft verhindere.