Rom

Kritik an Übernahme der Borsa Italiana nimmt zu

Der italienische Druck auf die französische Mehrländerbörse Euronext, der Mailänder Borsa Italiana im Rahmen der geplanten Übernahme mehr Zugeständnisse zu machen, wächst massiv.

Kritik an Übernahme der Borsa Italiana nimmt zu

bl Mailand

Der italienische Druck auf die französische Mehrländerbörse Euronext, der Mailänder Borsa Italiana im Rahmen der geplanten Übernahme mehr Zugeständnisse zu machen, wächst massiv. Paolo Ciocca, Kommissar der Börsenaufsicht Consob, erklärte in einem Webinar, die Mailänder Börse müsse bei dem Projekt eine zentrale Rolle spielen und entsprechende Investitionen müssten sichergestellt werden. Die Consob muss ihre Zustimmung zu einer Übernahme geben. Sie hat dafür bis Ende Mai Zeit. Euronext-Chef Stéphane Boujnah wollte die Übernahme ursprünglich bis Ende März in trockenen Tüchern haben.

Es erscheint unwahrscheinlich, dass das Vorhaben scheitert. Doch Consob, die Notenbank Banca d`Italia, Politik und Medien dringen auf mehr Autonomie, eine stärkere Rolle Italiens in der Governance der künftigen Euronext sowie klare Investitionszusagen. Consob-Chef Paolo Savona betrachtet die Borsa Italiana und ihre Töchter, insbesondere die Handelsplattform für Staatstitel MTS, als strategisch und will darauf achten, „die operative Autonomie der Borsa Italiana und ihr Wachstum“ sicherzustellen.

Der frühere Wirtschafts- und Finanzminister Roberto Gualtieri hatte die Mailänder Börse quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an die Euronext vergeben – ohne die Konkurrenz-Angebote der Deutschen Börse und der Schweizer Six überhaupt zu kennen. Das verwunderte sowohl den deutschen Botschafter in Rom, Viktor Elbling, als auch Six-Präsident Thomas Wellauer, der darauf hinwies, den Italienern eine „dezentrale Lösung“ angeboten zu haben, „so wie auch der spanischen Börse“. Six hatte Madrid 2020 erworben. Nachdem das Thema in Italien zunächst kaum wahrgenommen worden war, ist der Widerstand gegen die Euronext-Übernahme zuletzt massiv gewachsen. Denn für die Borsa Italiana, die künftig mehr als ein Drittel zum Umsatz der Mehrländerbörse beisteuern wird, fielen nur Brosamen ab.

Ende März hatte der neue Wirtschaftsminister Daniele Franco die Kritik erstmals aufgegriffen und erklärt, es sei „opportun, den wirtschaftlichen Interessen Italiens und der Borsa Italiana“ Rechnung zu tragen. Eine offizielle Anfrage der Börsen-Zeitung bei der Regierung in Rom blieb jedoch bis heute unbeantwortet.

Am gestrigen Dienstag und am heutigen Mittwoch debattieren die Volksvertreter in beiden Kammern des Parlaments über zwei Anträge zu der Frage, in denen es um die Rolle Gualtieris, aber auch um die Wahrung der Interessen Italiens geht: Einer stammt von den Regierungsfraktionen, einer von den oppositionellen Fratelli d`Italia. Beiden gemeinsam ist, dass zusätzliche Garantien für die Borsa verlangt werden. Es geht um mehr Autonomie, es geht um Investitionen und es geht um die Governance.

Scharf kritisiert wird, dass Euronext-CEO Boujnah fast alle Schlüsselpositionen mit Vertrauten aus der französischen Politik besetzt hat, die Staatspräsident Emmanuel Macron nahestehen – ein Ungleichgewicht. Italien stellt nur den CFO und den Verwaltungsratsvorsitzenden, der keine operativen Befugnisse hat. Auch an der Technologie-Plattform von Euronext wird massive Kritik geübt. Sie sei mehrmals ausgefallen und den Systemen der Borsa weit unterlegen, heißt es in Mailand. Nach Ansicht der Parlamentarier sollte die Regierung das Projekt notfalls mit einem Veto stoppen.