EZB-Präsidentin Lagarde und das liebe Bargeld

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.11.2019 Es ist ein Auftritt wie gemacht für Christine Lagarde. Im Pressesaal des EZB-Towers im Frankfurter Ostend soll die EZB-Präsidentin im Zuge einer kleinen Zeremonie ihre Unterschrift für die...

EZB-Präsidentin Lagarde und das liebe Bargeld

Von Mark Schrörs, FrankfurtEs ist ein Auftritt wie gemacht für Christine Lagarde. Im Pressesaal des EZB-Towers im Frankfurter Ostend soll die EZB-Präsidentin im Zuge einer kleinen Zeremonie ihre Unterschrift für die Euro-Banknoten abgeben. Auf jedem Geldschein, den die 340 Millionen Bürger der Eurozone in Händen halten, prangt schließlich klein die Unterschrift des EZB-Präsidenten – oder künftig halt der EZB-Präsidentin. Die Abgabe der Unterschrift ist da inzwischen ein festes Ritual nach jedem Amtswechsel.Als Lagarde also den Saal betritt, im schwarzen Rock und schwarzen Blazer, nimmt sie sich die Zeit, die anwesenden Kameraleute und Journalisten mit einem freundlichen “Guten Morgen, guten Morgen” zu begrüßen. Sie tritt ans Rednerpult und sagt mit einem Lächeln, wie “geehrt” sie sich fühlt. Sie scherzt, als sie sich an den Tisch setzt und auf zwei weißen DIN-A4-Blättern insgesamt sechsmal ihre Unterschrift setzt – “alles ist wichtig, sogar die Größe des Stifts”, sagt sie. Und sie setzt schließlich auch noch eine symbolische Unterschrift unter einen überdimensionalen 20-Euro-Schein – wobei sie sich bei ihren Helfern noch einmal vergewissert: “Wo genau soll die Unterschrift noch mal hin?” Lagarde zeigt, warum auch in der EZB schon jetzt viele ihr einnehmendes Wesen loben.Zugleich ist der Auftritt bei allem Ritual und auch bei aller Routine der ehemaligen IWF-Chefin in Sachen repräsentative Termine aber doch auch etwas Besonderes für Lagarde – weil es um das Thema Bargeld geht. Schon Lagarde-Vorgänger Mario Draghi musste sich immer wieder des Vorwurfs erwehren, die Europäische Zentralbank (EZB) könne sich vom Bargeld verabschieden, um noch mehr Spielraum für Null- und Negativzinsen zu bekommen. Die Entscheidung, Ende 2018 die Produktion der 500-Euro-Banknote einzustellen, passte da auch deutschen Kritikern nur allzu gut ins Bild.Genauso und vielleicht sogar noch mehr verbinden Kritiker nun mit Lagarde Ängste ums Bargeld. Grund ist, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) zu Zeiten Lagardes mit Papieren für Aufsehen sorgte, in denen tatsächlich Kosten und Nutzen der Bargeldabschaffung diskutiert wurden. Mancher Verschwörungstheoretiker wittert in der Berufung Lagardes an die EZB-Spitze sogar den ultimativen Angriff aufs Bargeld.Lagarde geht darauf gestern natürlich nicht direkt ein. In ihrer Rede hebt sie aber die Bedeutung des Bargelds für die Euro-Wirtschaft hervor. Sie verweist etwa darauf, dass weiter 79 % aller Transaktionen auf Bargeld entfielen. Und sie betont, dass die Zahl der Euro-Banknoten seit der Einführung kontinuierlich gestiegen sei – auf aktuell rund 23 Milliarden Banknoten. Banknoten seien “das Lebenselixier unserer Wirtschaft”, sagt Lagarde. In parallel bereitgestellten Infomaterialien sekundiert die EZB, dass jedes Jahr 5 bis 6 Milliarden Banknoten produziert werden.Vor allem aber hebt Lagarde in ihrer knapp zehnminütigen Rede die Bedeutung der Banknoten und des Euro als Symbol Europas hervor. “Unsere Banknoten spiegeln die jahrzehntelangen Bemühungen wider, Europa näher zusammenzubringen”, sagt sie zum Beispiel. Oder: “Die gemeinsame Währung hat dem Integrationsprozess ein Gesicht gegeben.” Oder auch: “Der Euro ist der Kitt, der uns als Wirtschaftsraum zusammenhält.” Schon bei ihrem ersten großen Auftritt vergangenen Freitag war Lagarde vor allem als große Europäerin aufgetreten. Gestern knüpft sie daran an.Nicht ohne Stolz nennt Lagarde bei der Gelegenheit noch eine Zahl: 76 %. Auf diesen Wert beläuft sich aktuell die Zustimmung unter den Euro-Bürgern für die Gemeinschaftswährung. “Bislang haben wir einen guten Job gemacht”, sagt sie – nicht ohne gleich hinterzuschieben: “Es ist jetzt unsere Pflicht, dieses Vertrauen zu pflegen und zu erhalten.” Die Banknoten müssten “sicher”, die Zahlungssysteme “robust” und der Wert des Euro “stabil” sein. Nach zwölf Minuten ist schließlich alles vorbei. Lagarde verabschiedet sich mit einem warmen “Danke” und ist dann so schnell weg, wie sie gekommen ist. Bis die Euro-Bürger die ersten Geldscheine mit Lagarde-Unterschrift in Händen halten werden, wird es dagegen deutlich länger dauern; im Spätsommer 2020 dürfte es wohl so weit sein.——Lagarde signiert die Euro-Banknoten – “das Lebenselixier unserer Wirtschaft”, wie sie sagt. ——