Infrastrukturgüterindustrie

Siemens begräbt Hoffnung auf eine schnelle Erholung

Die Erholung des hochprofitablen Automatisierungsgeschäfts dauert länger als vom Siemens-Vorstand gedacht. Die Prognose 2023/2024 bleibt dennoch gültig. Jedoch wird der Umsatz am unteren Ende der anvisierten Bandbreite wachsen. Der Aktienkurs sank zeitweise um 6%.

Siemens begräbt Hoffnung auf eine schnelle Erholung

Die Erholung des hochprofitablen Automatisierungsgeschäfts dauert länger als vom Siemens-Vorstand gedacht. Die Prognose 2023/2024 bleibt dennoch gültig. Jedoch wird der Umsatz am unteren Ende der anvisierten Bandbreite wachsen. Der Aktienkurs sank zeitweise um 6% auf 177,22 Euro.

„Wir haben im zweiten Quartal eine solide Leistung erbracht.“ Mit diesen Worten fasste Siemens-Vorstandsvorsitzender Roland Busch die Ergebnisse in einer Telefonpressekonferenz zusammen – in vielen vergangenen Quartalen war dagegen von „hervorragend“ oder „exzellent“ die Rede gewesen. Siemens sei widerstandsfähig in einer Zeit, die weiter von einer zurückhaltenden wirtschaftlichen Lage geprägt sei, sagte Busch. Der Aktienkurs sank bis zum Schluss des Xetra-Handel um 6,8% auf 175,00 Euro. Der Kurs hat damit im Jahresverlauf nur um 6% zugelegt, während der Dax um 12% gestiegen ist.

Geschäft mit Automatisierung schwächelt

Die Quartalszahlen sind vom Einbruch im Automatisierungsgeschäft der Kernsparte Digital Industries geprägt. Der Umsatz von Digital Industries sank um 11%, getrieben vom Automatisierungsgeschäft mit einem Abschlag von 20% gegenüber dem Rekordwert 2023  − und durchwachsenen Aussichten, weil der Auftragsbestand seit dem ersten Quartal um rund 600 Mill. Euro auf 4,8 Mrd. Euro sank.

„Die Lagerbestände bei Kunden und Vertriebspartnern blieben insbesondere in China hoch“, sagte Busch. Thomas detaillierte im Gespräch mit Analysten, in China hätten Distributoren eine Liefermenge von rund 14 Wochen auf Lager. Damit bleibt der Bestand unverändert, denn im Februar hatte Thomas von 13 bis 14 Wochen gesprochen. Der Abbau der Lagerbestände ziehe sich eher bis zum Ende des Kalenderjahres 2024 hin, sagte er nun – zuvor war von der zweiten Geschäftsjahreshälfte die Rede gewesen. In Europa und den USA sollten sich die Bestände bis zum Ende des Geschäftsjahres 2024 weitgehend normalisiert haben.

Stärkerer Wettbewerb

Thomas erklärte darüber hinaus, es gebe auch einen starken lokalen Wettbewerb im unteren und mittleren Marktsegment, der die Nachfrage dämpfe. Busch detaillierte, Siemens habe zwar insgesamt Marktanteile gewonnen. Im Segment mit einfacheren Produkten (Value-for-money-Segment) hätten aber Firmen wie Inovance und Subcon zugelegt.  

Der Konzern meldete eine – um Währungs- und Portfolioeffekte bereinigte − Stagnation des Umsatzes bei 19,2 Mrd. Euro, so dass im Halbjahr nur noch ein vergleichbares Umsatzplus von 3% zu Buche steht. Finanzvorstand Ralf Thomas betonte, die Prognose eines vergleichbaren Wachstums im Geschäftsjahr 2023/2024 (30. September) von 4 bis 8% bleibe gültig. „Es wird sich eher im unteren Bereich abspielen“, detaillierte er.

Sparten-Prognose verändert

Thomas wies darauf hin, dass das Erlöswachstum der Bahntechnik-Sparte Mobility eher am unteren Ende der anvisierten Bandbreite von 8 bis 11% liegen werde. Der Grund sei der langsamere Baufortschritt auf Kundenseite bei einigen Projekten. Vor allem aber nahm Siemens die Prognose für Digital Industries zurück. Der Umsatz werde auf vergleichbarer Basis um 4 bis 8% schrumpfen, sagte Thomas. Bisher war eine Bandbreite von 0 bis 3% anvisiert worden. Dafür wurde die Bandbreite für Smart Infrastructure auf 8 bis 10% eingeengt. Sie liegt am unteren Ende einen Prozentpunkt höher als zuvor.

Der Gegenwind für Digital Industries zeigt sich auch in der Erwartung für die Profitabilität. Die Ergebnismarge soll nun 18 bis 21% statt 20 bis 23% betragen. Dafür soll Smart Infrastructure nun bei 16 bis 17% landen (zuvor 15 bis 17%), während Mobility unverändert bleibt.

Thomas betonte, die Konzern-Ergebnismarge – die nicht Teil des veröffentlichen Ausblicks ist – werde trotz dieser Verschiebungen in einer Größenordnung landen, wie sie am Anfang des Geschäftsjahres geplant worden sei.  Dem Gegenwind im Automatisierungsgeschäft ständen die Chancen von Smart Infrastructure gegenüber. Weiterhin wird ein Gewinn pro Aktie von 10,40 bis 11,00 Euro angepeilt.

Lob für Smart Infrastructure

Der Siemens-Finanzvorstand lobte, die Profitabilität von Smart Infrastructure sei seit 14 Quartalen in Folge jeweils besser als im Vorjahresquartal. Im zweiten Quartal steigerte die Sparte den vergleichbaren Umsatz um 6% und erhöhte die Marge von 15,9 auf 16,6% bei einem Ergebnis von 854 Mill. Euro. Damit war Smart Infrastructure im Gegensatz zur Vergangenheit profitabler als Digital Industries, und zwar sowohl bezogen auf die absoluten Zahlen und die Marge. Zudem landete die Rendite über der Ziel-Bandbreite von 11 bis 16%. Thomas kündigte an, die Sparte werde am 12. Dezember einen eigenständigen Kapitalmarkttag veranstalten.

Busch kündigte an, der Verkauf des Elektromotoren- und Großantriebsgeschäfts Innomotics an KPS Capital Partners werde einen Buchgewinn nach Steuern von rund 2 Mrd. Euro bringen. Der Abschluss der Transaktion werde für die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2024/2025 erwartet. Der Verkaufspreis beträgt 3,5 Mrd. Euro. Die Börsennotierung von Siemens Energy India Ltd. werde für das Jahr 2025 erwartet, sagte Busch.

Unsicherheit im dritten Quartal

Im dritten Quartal werde der Digital-Industries-Umsatz leicht zurückgehen, sagte Thomas. Er deutete an, dass die Zuordnung relevanter Erlössummen zu den Quartalen noch unklar sei. Materielle Beiträge im Software-Lizenzgeschäft würden zum Ende des dritten Quartals erwartet. Die Ergebnismarge werde in Bandbreite der aktualisierten Jahresprognose liegen.

Smart Infrastructure erwartet dem Finanzvorstand zufolge ein vergleichbares Wachstum der Umsatzerlöse zwischen 9 und 11%, die Ergebnismarge soll zwischen 15,5 und 16,5% landen. Mobility solle im mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen bei einer Ergebnismarge zwischen 8 und 9%.

Siemens begräbt Hoffnung auf eine schnelle Erholung

Lagerbestände der Sparte Digital Industries insbesondere in China verharren auf hohem Niveau – Jahresprognose des Konzerns unverändert – Aktienkurs sinkt

Von Michael Flämig, München
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.