KommentarChina-Politik

Yellens Forderung führt in die Sackgasse

US-Finanzministerin Janet Yellen nutzt den Besuch in Frankfurt, um sanften Druck auf Europa auszuüben. Zumindest mit Blick auf Chinas Autoindustrie sollte die EU nicht einfach nachgeben.

Yellens Forderung führt in die Sackgasse

USA

Dominanter Freund

Von Sebastian Schmid

US-Finanzministerin Janet Yellen nutzt den Besuch in Frankfurt, um sanften Druck auf Europa auszuüben.

Die derzeitige US-Administration von Präsident Joe Biden setzt deutlich stärker als die vormalige von Donald Trump auf einen Schulterschluss mit der EU. Das heißt indes nicht, dass die US-Regierung unter einer strategischen Partnerschaft eine gleichberechtigte Beziehung versteht. US-Finanzministerin Janet Yellen hat das bei ihrem Besuch in Frankfurt ziemlich unmissverständlich klargemacht. Am Dienstag warnte sie Europas Banken vor ernsthaften Konsequenzen, sollten diese die Schlupflöcher zur Umgehung der Russland-Sanktionen nicht bald schließen. Und auch mit Blick auf Chinas Industriepolitik fordert sie ein gemeinsames Vorgehen.

In beiden Fällen haben die USA die Richtung vorgegeben. Eine offene Diskussion zur gemeinsamen Strategie sieht anders aus. Während sich die Interessenlage mit Blick auf Russland in weiten Teilen deckt, sieht es mit Blick auf China anders aus. Die Warnung, dass China die Weltmärkte mit hoch subventionierten Produkten für die grüne Transformation fluten könnte, kommt mindestens für die Solarindustrie mehr als eine Dekade zu spät. Hier ist China Weltmarktführer, und Zölle werden eher Europas Zugang zu bezahlbaren Modulen verteuern als die Marktverhältnisse grundlegend umkehren. Es gibt einen Weltmarkt jenseits der USA und Europas, den chinesische Firmen ohnehin bedienen und dominieren werden – egal welche Eintrittsbarrieren aufgebaut werden.

Und auch im Markt für Elektroautos mag es verführerisch sein, Abschottungsfantasien anzuhängen. Doch sind diese historisch gesehen kein Erfolgsrezept. Die Sonderwege der US-Autoindustrie in vergangenen Dekaden haben die „Motor City“ Detroit nicht in eine glorreiche Zukunft, sondern in die Pleite geführt. US-Autobauer verdienen in der Heimat wieder gutes Geld – aber auch nur da. Mit der Abschottung vor Chinas
E-Autos schützen die USA also den verbliebenen relevanten Markt der einst so stolzen Industrie.

Für Europa ist die Lage eine andere. Der europäische Automarkt ist kleiner als der nordamerikanische. Zudem sind europäische Hersteller international (noch) wettbewerbsfähiger. Selbst französische Hersteller wie Stellantis, die in China weniger stark vertreten sind, müssen sich in Süd- und Mittelamerika dem Wettbewerb mit der rasant wachsenden chinesischen Konkurrenz stellen – ohne Chance auf höhere Marktzugangsbarrieren. Europa sollte Yellens Forderungen mit Blick auf Chinas Autoindustrie daher nicht nachgeben. Die EU braucht ein nuancierteres Vorgehen als der dominante Freund jenseits des Atlantiks.

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