Recht und Kapitalmarkt

GmbH-Reform enttäuscht aus Sicht der Praxis

Bilanz nach zwei Jahren: Außer Erleichterungen in Einzelfällen hat die Rechtsprechung das Rad wieder weitgehend zurückgedreht

GmbH-Reform enttäuscht aus Sicht der Praxis

Von Michael Bormann *)Zwei Jahre nach der Reform des GmbH-Rechts macht sich Ernüchterung breit. Viele Neuerungen, aber kaum Erleichterungen muss das kritische Fazit lauten. Dabei hatte sich der Gesetzgeber – und mit ihm weite Teile der Praxis – viel vom MoMiG, dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, versprochen. Die am 1. November 2008 in Kraft getretene “Jahrhundertreform” sollte vieles einfacher und manches besser machen. Doch von den Zielen der Modernisierung und Deregulierung des GmbH-Rechts ist heute weniger denn je zu spüren – nicht zuletzt, weil die Gerichte den Gesetzgeber in wesentlichen Punkten wieder in die Schranken gewiesen haben. Beurkundung teurerTeurer wird es beim Beurkunden: Während Unternehmen vor dem MoMiG zur Reduzierung der Beurkundungskosten in die Schweiz, namentlich nach Basel, flüchteten, ist dieser Weg nunmehr praktisch versperrt. In einem “obiter dictum” (Rechtsansicht) hielt das LG Frankfurt a.M. (Urteil v. 7.10.2009 – 3 – 13 O 46/09) Beurkundungen im Ausland für unwirksam. Ausländische Notare seien nicht in der Lage, den Anforderungen im Zusammenhang mit der Einreichung der Gesellschafterliste gerecht zu werden. Auch wenn die Entscheidung des LG Frankfurt nicht zu überzeugen vermag, so hat sich die Praxis doch auf sie eingestellt. Dem Vernehmen nach sank die Zahl der Auslandsbeurkundungen rapide.Doch nicht nur bei formalen Fragen ist die Bilanz ernüchternd. Vor allem im materiellen Recht konnte das MoMiG die teilweise auch unrealistischen Erwartungen nicht erfüllen. Das betrifft nicht zuletzt die für Konzerne relevanten Änderungen des GmbH-Rechts im Bereich der Kapitalaufbringung und -erhaltung.So war es ein erklärtes Ziel des Gesetzgebers, das Cash Pooling zu erleichtern. Mit diesem Finanzinstrument des Cash-Managements gleichen Konzerne intern ihre Liquidität aus. Die im Laufe der Jahre immer strengere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Vergabe von Krediten innerhalb eines Konzerns erschwerte indes das Cash Pooling zunehmend. Das sollte mit dem MoMiG besser werden, doch der BGH hat der Politik weitgehend einen Strich durch die Rechnung gemacht.Der MoMiG-Gesetzgeber hat beim Cash Pooling an zwei Stellschrauben gedreht: Zum einen hat er eine Regelung in das Kapitalaufbringungsrecht aufgenommen, nach der ein Gesellschafter seine Einlage auch dann wirksam erbracht hat, wenn der Einlagebetrag absprachegemäß wieder an ihn zurückfließt – vorausgesetzt, der Rückgewähranspruch der Gesellschaft ist vollwertig und es liegt keine verdeckte Sacheinlage vor. Zum anderen führt eine Darlehensgewährung an einen Gesellschafter aus gebundenem Kapital nicht mehr zu einer Verletzung der Kapitalerhaltungsregeln, wenn entweder der Rückgewähranspruch der Gesellschaft vollwertig ist oder ein Ergebnisabführungs- oder Beherrschungsvertrag mit der Gesellschaft besteht. Schon kurz nach Inkrafttreten des MoMiG hat der Bundesgerichtshof sich mit der Auslegung der Neuregelungen befasst – und den Gesetzgeber zurückgepfiffen. Nach diesen Entscheidungen laufen die Gesetzesänderungen im Hinblick auf das Cash Pooling weitgehend ins Leere. Sacheinlage, hin und herAusgangspunkt der Schwierigkeiten bei der Kapitalaufbringung im Cash Pool ist die – schon vor dem MoMiG durch die Rechtsprechung getroffene – Unterscheidung zwischen verbotenen verdeckten Sacheinlagen (nunmehr § 19 Abs. 4 GmbHG) und dem Hin- und Herzahlen (jetzt § 19 Abs. 5 GmbHG). Eine verdeckte Sacheinlage liegt dann vor, wenn die gesetzlichen Regeln über Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wurde, bei wirtschaftlicher Betrachtung der Gesellschaft aber ein Sachwert zugeführt werden soll. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Gesellschaft die im Zuge der Kapitalerhöhung erhaltenen Mittel zur Tilgung eines von ihrem Gesellschafter erhaltenen Darlehens verwendet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung bringt der Gesellschafter das getilgte Darlehen ein. Die Fälle des Hin- und Herzahlens hingegen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Einlagebetrag absprachegemäß wieder an den Gesellschafter zurückfließt, ohne dass eine verdeckte Sacheinlage vorliegt. Um Hin- und Herzahlen handelt es sich also, wenn die Gesellschaft die im Zuge der Kapitalerhöhung erhaltenen Mittel darlehensweise an den Gesellschafter zurückgewährt.An den Tatbestandsvoraussetzungen der verdeckten Sacheinlage und des Hin- und Herzahlens hat sich durch das MoMiG nichts geändert. Der BGH unterscheidet bei einer Kapitalerhöhung im Cash Pool danach, ob der Saldo – aus Sicht der Gesellschaft – am Tag der Durchführung der Kapitalerhöhung negativ oder zumindest ausgeglichen ist (BGH, 20.7.2009 – II ZR 273/07). Im Falle des negativen Saldos liegt eine verdeckte Sacheinlage vor. Die Gesellschaft erhält als Sachwert die Befreiung von einer Verbindlichkeit. Im Falle eines mindestens ausgeglichenen Saldos hingegen handelt es sich um Hin- und Herzahlen. Zwar stellen sich die Rechtsfolgen des Hin- und Herzahlens für den Gesellschafter deutlich günstiger dar als die der verdeckten Sacheinlage. Allerdings ist bei Beschluss der Kapitalerhöhung kaum absehbar, ob am Tag der Kapitalerhöhung (und in den sechs bis zwölf Folgemonaten nach Durchführung der Kapitalerhöhung) nicht ein negativer Saldo besteht. Damit lässt sich auch das Risiko einer verdeckten Sacheinlage nicht dadurch ausschließen, dass die Kapitalerhöhung zu einem für die Gesellschaft günstigen Zeitpunkt gewählt wird. Vertrackte KapitalerhöhungÄhnlich vertrackt stellt sich die Situation bei der Kapitalerhaltung dar. Zwar hat der Bundesgerichtshof im Lichte der Neuregelungen durch das MoMiG seine Rechtsprechung aufgegeben, nach der Darlehen an Gesellschafter aus gebundenem Kapital per se einen Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften darstellen. Zu einer wesentlichen Erleichterung für die Praxis führt die betreffende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 1.12.2008 – II ZR 102/07) gleichwohl nicht. Auch wenn der Bundesgerichtshof die Darlehensgewährung als solche erlaubt, vorausgesetzt, der Rückgewähranspruch der Gesellschaft ist vollwertig, so ist hiermit doch kein Freibrief verbunden. Versäumt es die Geschäftsführung der Gesellschaft nach Darlehensausreichung, die Wertentwicklung ihres Rückforderungsanspruchs zu überwachen und bei Verlust der Vollwertigkeit Sicherheiten zu verlangen oder das Darlehen zu kündigen, so machen sich die Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig. Neben den Geschäftsführern können auch Mitglieder des Aufsichtsrats und unter Umständen auch die Organmitglieder des Gesellschafters haften. Letztlich gestaltet sich das Cash Pooling damit zumindest aus Sicht der Organmitglieder nicht wesentlich einfacher als vor der Reform des GmbH-Rechts.Einige wenige positive Lichtblicke gibt es aber doch. Dazu zählt vor allem die Neuregelung der Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage. Während der verdeckten Sacheinlage vor dem MoMiG die Wirksamkeit versagt wurde, wird nunmehr der Wert der verdeckt erbrachten Sacheinlage auf die weiterhin offene (Bar-)Einlageverpflichtung angerechnet. Diese Neuregelung der Rechtsfolgen entschärft die wirtschaftliche Wirkung der verdeckten Sacheinlage erheblich, vermeidet sie doch eine Verpflichtung zur doppelten Leistung, wie sie zuvor üblich war. Aufgrund der Übergangsregelungen gelten diese Rechtsfolgen nicht nur für Neu-, sondern auch für sämtliche noch offenen Altfälle (BGH, Urteil v. 22.3.2010 – II ZR 12/08).Aus Sicht der Praxis enttäuscht die Reform. Außer Erleichterungen in Einzelfällen hat die Rechtsprechung das Rad wieder weitgehend zurückgedreht. Auf exemplarische Weise zeigen sich die Schwierigkeiten des Gesetzgebers, eine gefestigte Rechtsprechung durch punktuelle Änderungen am Gesetzestext beeinflussen oder ändern zu wollen. Diese Schwierigkeiten entstehen insbesondere dann, wenn sich die Vorstellungen des Gesetzgebers nicht mit den Grundprinzipien des fortbestehenden Rechts vereinbaren lassen.—-*) Dr. Michael Bormann ist Anwalt und Partner bei Simmons & Simmons.