Andy Myers, Suse

„Ein Börsengang wäre ein Weg“

Der Finanzchef von Suse über die Unabhängigkeit dank EQT und die stete Suche nach Übernahmezielen

„Ein Börsengang wäre ein Weg“

Sebastian Schmid.

Herr Myers, Sie sind noch nicht lange bei Suse. Und das vergangene Jahr war dann angesichts der Pandemie gleich ein extrem herausforderndes. Die meisten Kollegen dürften Sie nur über Zoom kennen. Wie sind Sie im Unternehmen damit umge­gangen?

Software ist ein Geschäft, bei dem es im Kern auf die Menschen ankommt. Unsere Mitarbeiter sind also praktisch unsere IP. Schon vor der Pandemie arbeiteten etwa 40% unserer weltweit knapp 2000 Kollegen jedenfalls teilweise von zu Hause. Wir haben es dann schnell geschafft, dass fast 100% der Mitarbeiter remote arbeiten konnten. Das klappte eigentlich erstaunlich reibungslos. Aber natürlich haben wir dann viel Zeit für die digitale Kommunikation mit den Mitarbeitern verwandt, um sie zu unterstützen, mit der schwierigen Situation klarzukommen – nicht nur auf professioneller, sondern auch auf menschlicher Ebene. Und entsprechend haben sich auch unsere Mitarbeiter um unsere Kunden gekümmert, um sie in ihren schwierigen Situationen zu unterstützen.

Wie sah die Unterstützung für die Kunden aus? Haben Sie beispielsweise Zahlungen stunden müssen, gab es Auswirkungen auf den Cash-flow?

Nein, wir haben da keinen Einfluss auf den Mittelzufluss gespürt. Unsere Kunden beziehen von uns unternehmenskritische Dienstleistungen. Wenn Sie den relativ kleinen Kostenpunkt unserer Services den potenziellen Kosten einer Unterbrechung in der Produktionslinie gegenüberstellen, dann ist klar, dass hier wenig gespart werden kann. Hinzu kommt, dass 99% unserer Erlöse aus Subskriptionen herrühren. Damit sind unsere Cash-flows sehr stabil. Die Kunden bezahlen uns im Voraus, die Verträge laufen meist über mehrere Jahre. Das Cash-Management lief also hervorragend. Vor der Covid-Krise und während der Covid-Krise.

Es gab keine Kunden, die um Nachlass bitten mussten?

Ein paar kleine Beispiele gab es da vielleicht. Etwa ein paar neue Kunden, die mit Blick auf die eigene Kassenlage lieber Einjahresverträge statt Dreijahresverträge unterzeichnet haben. Aber da handelt es sich um ganz wenige Ausnahmen.

Wurde die Neukunden-Akquise nicht ohnehin gebremst von der Pandemie?

Grundsätzlich ist die Nachfrage nach Digitalisierung durch die Covid-Krise natürlich kräftig gestiegen. Es gibt eine konstant hohe Nachfrage nach Linux. Und es gibt auch eine stetig steigende Nachfrage nach Container-Management-Software wie die unserer zugekauften Tochter Rancher. Der Markt wächst weiter. Trotz der Pandemie und obwohl unsere Mitarbeiter von zu Hause arbeiten mussten, sind sowohl unser Umsatz als auch unser Ergebnis prozentual zweistellig gewachsen. Wir haben also keine Abschwächung verzeichnet.

Woher kommt das kräftige Wachstum?

Wir haben eine sehr stabile Kundenbasis, in der wir weiter zulegen können. Ohne Rancher, die ja erst seit kurzem zu uns gehört, ist unsere Net Retention Rate bei 109%. Das heißt, dass unser Geschäft mit allein Bestandskunden wächst. Aber natürlich gibt es auch neue Kunden. Linux hat Windows in der Cloud mittlerweile als Betriebssystem überholt. Der Markt wächst also, und davon profitieren auch wir. Hinzu kommen natürlich neue Produkte – selbst entwickelt oder durch Zukäufe wie beispielsweise Rancher.

Wie hat sich die Übernahme durch EQT auf Suse ausgewirkt?

Die Übernahme im Frühjahr 2019 hat Suse ihre Unabhängigkeit zurückgegeben. Und mit dieser Unabhängigkeit kam eine stärkere Fokussierung. Wir haben seit März 2019 signifikante Investitionen vorgenommen – darunter in ein neues Management-Team, in neue Märkte in Amerika oder der Region Asien-Pazifik, in neue Prozesse, neue Systeme und neue Vertriebswege. Ich glaube, wir hatten im März 2019 nur eine Handvoll Personen, die sich um unser Cloud-Marketing gekümmert haben, jetzt sind es rund 30. EQT hat uns die Möglichkeit gegeben, in unser Geschäft zu investieren, und das beste Beispiel dafür ist der Ende 2020 abgeschlossene Zukauf von Rancher.

Inwiefern?

Wir haben mit Rancher ein technologisch führendes Produkt von einer relativ kleinen Gesellschaft eingekauft und bringen das jetzt in das große, global aufgestellte Vertriebsnetzwerk von Suse ein. Unser spirituelles Zuhause ist zwar Nürnberg, und wir haben dort auch ein sehr großes Entwicklungszentrum. Aber wir sind mittlerweile ein globales Unternehmen mit entsprechendem Vertrieb. Das Container-Management-Geschäft wächst sehr schnell. Es handelt sich um den De-facto-Standard, wie Unternehmen heute in die Cloud gehen. Für uns ist das ex­trem spannend. Unser Wachstum ist in diesem Bereich signifikant.

Sie betonen Ihre Unabhängigkeit dank EQT. Für echte Unabhängigkeit bräuchte es aber doch ein IPO?

Als Management und Anteilseigner von Suse evaluieren wir natürlich regelmäßig Alternativen, um unsere Wachstumsstrategie voranzutreiben. Ein Börsengang wäre ein solcher Weg. Eine definitive Entscheidung ist aber noch nicht getroffen worden. Mit Blick auf die Unabhängigkeit muss ich aber sagen, dass es schon einen Unterschied macht, ob man zu einem Investor wie EQT gehört oder etwa wie Red Hat zu einem IT-Konzern wie IBM. Das hat in jedem Fall Einfluss auf die strategische Ausrichtung.

Sie sagten, Sie haben insgesamt einen sehr hohen Anteil an Subskriptionserlösen. Welchen Anteil hat das Cloud-Geschäft bei Ihnen mittlerweile?

Im Prinzip haben wir mit fast allen unsere Kunden langfristige Vertragsbeziehungen. Diese decken sowohl klassische Lizenzgeschäfte (On Premise) als auch Cloud-Bereitstellungen sowie hybride Modelle ab. Als Vermarktungsweg wächst die Cloud aber sehr stark. Wir haben mit dem Betriebssystem Linux und dem Container-Management zwei grundlegende Blöcke im Angebot, die die Kunden benötigen, um ihr Geschäft in die Cloud zu befördern.

Gibt es Branchen, in denen Sie besonders gut verankert sind? Wo ein Schwerpunkt, aber vielleicht auch eine gewisse Abhängigkeit besteht?

Nein, wir sind extrem diversifiziert. Unsere Kunden sind in allen Branchen zu finden, die Sie sich vorstellen können. Unsere 20 größten Kunden stehen für nicht einmal 20% unserer Erlöse. Es gibt also keine große Konzentration auf einzelne Kunden oder Branchen. Allerdings haben wir natürlich schon viele große Kontrakte. Das Gros unseres Geschäfts machen wir mit Kunden, die mehr als eine halbe Million Dollar im Jahr ausgeben. Aber wir haben auch eine ganze Reihe von Kunden, die lediglich kleinere Transaktionen etwa auf Projektbasis mit uns machen.

Wie finanziert Suse ihre Wachstumsanstrengungen?

Als ich zu Suse kam, wusste ich, dass das Unternehmen schnell wächst, aber auch einen starken Cash-flow hat. Suse generiert also bereits eine Menge an flüssigen Mitteln. Natürlich hat das Unternehmen ab März 2019 den Leverage reduziert.

Gibt es Bankdarlehen?

Wir haben ein paar Kredite laufen und mussten diese für den Zukauf von Rancher auch etwas erhöhen. Aber ansonsten besteht kein Bedarf für weitere Kredite, und unser Cash-flow ist positiv. Zudem schütten wir keine Dividende an EQT aus, sondern können unseren Mittelzufluss für das Unternehmen einsetzen. Im Gegenteil ist es sogar so, dass EQT als auf Wachstum fokussierter Investor noch weiteres Geld in das Unternehmen steckt.

Und wo liegt nun Ihr Verschuldungsgrad?

Ich kann dazu im Moment nichts sagen, da wir unsere Zahlen für 2020 noch nicht öffentlich gemacht haben. Wir sind vielleicht nicht ganz im Investment Grade, was für ein Portfoliounternehmen eines Finanzinvestors keinesfalls unüblich ist, aber wir haben unser Gearing in den vergangenen Monaten auch schon reduziert.

Gibt es denn ein Ziel für den Verschuldungsgrad?

Wir schauen immer auf unser Rating und unsere Fremdkapitalkosten und darauf, dass wir eine gewisse operative Freiheit haben. Wenn wir eine kleinere Tuck-in-Übernahme vornehmen wollen, haben wir dafür genug Liquidität. Wenn wir etwas Größeres vorhätten, könnten wir das aber auch darstellen. Wir haben einen starken Cash-flow und sind jederzeit in der Lage, mehr Schulden aufzunehmen.

Sie sprechen viel über Akquisitionen. Haben Sie schon wieder Unternehmen im Visier?

Wir schauen uns immer mögliche Akquisitionsziele an und haben ein kleines und sehr effizientes M&A-Team, das diese durchsiebt nach wirklich interessanten Kandidaten. Da sind dann immer ein paar Unternehmen dabei, die wir uns genauer vornehmen. Wir sind ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, um zu wachsen.

In welchen Bereichen?

Zum Beispiel in Container-Management, Datensicherheit oder Überwachung. Die Strategie wäre dann in etwa dieselbe wie bei Rancher. Wir kaufen ein spannendes Produkt von einem kleineren Unternehmen und nutzen unsere Vertriebsmaschinerie, um dieses global auszurollen.

Gibt es derzeit schon konkrete Ziele?

Nein, wir haben aktuell kein konkretes Ziel. Aber wir sprechen ständig mit anderen, die uns interessieren. Aber ehrlich gesagt sind viele interessante Firmen leider nicht zum richtigen Preis auf dem Markt.

Ist es nicht immer eine Frage des Preises?

Da haben Sie wahrscheinlich recht. Am Ende ist es immer eine Frage des Preises, aber eben auch, ob wir diesen zu zahlen bereit sind.

Schwierigkeiten bereitet vielen Firmen im Softwarebereich ganz unabhängig vom Geld die Rekrutierung von gutem Personal. Ist EQT hier für Suse auch eine Hilfe gewesen?

Wir haben ein neues Senior Management und auch darunter sehr erfahrene Leute ins Unternehmen gebracht, die wissen, wie man ein starkes Team rekrutiert und zusammenstellt. Zum Beispiel haben wir für unsere Initiative im Bereich Regierungsinstitutionen in den USA eine sehr erfahrene Person gefunden. Überdies haben wir eine sehr niedrige Fluktuation von unter 10%. Wir sind im Herzen eine Open-Source-Company. Und das bedeutet, es dreht sich immer alles um eine gute Zusammenarbeit. Wir alle arbeiten gerne bei Suse.

Das Interview führte