Befreiung / Zielgesellschaft: Westwing Group SE; Bieter: Rocket Internet SE
Befreiung / Zielgesellschaft: Westwing Group SE; Bieter: Rocket Internet SE
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EQS-WpÜG: Rocket Internet SE / Befreiung
Befreiung / Zielgesellschaft: Westwing Group SE; Bieter: Rocket Internet SE
21.11.2025 / 12:45 CET/CEST
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Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.
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Veröffentlichung des Tenors und der wesentlichen Gründe
des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
vom 2. Juli 2025
über
die Befreiung nach § 37 Abs. 1 WpÜG von den Verpflichtungen
gemäß § 35 Abs.1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
in Bezug auf die Westwing Group SE, Berlin
Mit Bescheid vom 2. Juli 2025 hat die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) auf den Antrag von der Rocket
Internet SE mit Sitz in Berlin (nachfolgend, die „Antragstellerin“) die
Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG von den Pflichten befreit, nach § 35
Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung an der Westwing Group SE mit Sitz
in Berlin zu veröffentlichen und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der BaFin eine
Angebotsunterlage zu übermitteln und diese nach § 35 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen.
Der Tenor des Bescheids der BaFin lautet wie folgt:
1. Die Rocket Internet SE, Berlin, wird für den Fall der Erlangung der
Kontrolle über die Westwing Group SE, Berlin, durch Einziehung von
eigenen Aktien seitens der Westwing Group SE, Berlin, gemäß § 9 Satz 1
Nr. 5 WpÜG-AngebV, § 37 WpÜG von den Verpflichtungen befreit, nach § 35
Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung über die Westwing Group SE,
Berlin, zu veröffentlichen und gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG innerhalb
von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die
vorgenannte Gesellschaft der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln
und diese gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen.
2. Die Befreiung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr.
3 VwVfG) für den Fall, dass die Antragstellerin eigene oder ihr nach §
30 WpÜG zuzurechnende Stimmrechte von 30 % oder mehr an der Westwing
Group SE, Berlin ausübt.
3. Die Befreiung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr.
3 VwVfG) für den Fall, dass die Antragstellerin so viele Aktien an der
Westwing Group SE hält oder ihr nach § 30 WpÜG zugerechnet werden, da
trotz einer Ausübung von Stimmrechten von 30 % minus einer Aktie am
jeweils ausstehenden Grundkapital der Westwing Group SE unter Abzug der
Stimmrechte, die die Antragstellerin gemäß Ziffer 2 des Tenors nicht
ausüben darf, dies dazu führt, dass die Antragstellerin 50 % plus einer
Aktie des stimmberechtigten Kapitals an der Westwing Group SE vertritt.
4. Die Befreiung ergeht ferner mit der Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG),
dass die Antragstellerin der BaFin das Eintreten folgenden Umstande
unverzüglich mitzuteilen hat:
* die Erlangung der Kontrolle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG an der
Westwing Group SE, Berlin, durch die Antragstellerin.
5. Die Befreiung ergeht mit der weiteren Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4
VwVfG), dass die Antragstellerin ab dem Erlangen der Kontrolle i.S. von
§ 29 Abs. 2 WpÜG an der Westwing Group SE, Berlin, nach jeder
Hauptversammlung der Westwing Group SE, Berlin, die
Hauptversammlungsanmeldungen für alle
* eigenen oder ihr nach § 30 WpÜG zuzurechnenden Stimmrechten,
* sowie Stimmrechte, zu deren Ausübung die Rocket Internet SE, Berlin,
bevollmächtigt wurde und
* die Stimmrechte, deren Anmeldung von der Rocket Internet SE, Berlin,
veranlasst wurden,
soweit in den vorgenannten Fällen Anmeldungen zur Hauptversammlung der
Zielgesellschaft erfolgt sind, bei der BaFin vorlegt.
Diese Auflage wird beendet, wenn der Stimmrechtsanteil der Antragstellerin
an der Westwing Group SE, Berlin, die Kontrollschwelle im Sinne von § 29
Abs. 2 WpÜG wieder unterschreitet.
Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf den folgenden Gründen:
A. Sachverhalt
I. Zielgesellschaft
Zielgesellschaft ist die Westwing Group SE mit Sitz in Berlin, eingetragen
im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg unter HRB 239114 B
(nachfolgend „Zielgesellschaft“).
Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 20.903.968 und ist
eingeteilt in 20.903.968 nennwertlose Stückaktien (mit einem rechnerischen
Anteil am Grundkapital von je EUR 1,00 je Aktie) (nachfolgend
„Westwing-Aktien“),
die jeweils eine Stimme gewähren.
Die Aktien der Zielgesellschaft sind unter der ISIN: DE000A2N4H07 zum Handel
im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard)
zugelassen.
Die Zielgesellschaft hat in der Vergangenheit verschiedene
Aktienrückkaufsprogramme durchgeführt, wobei sie zuletzt am 20.12.2024 eine
Stimmrechtsmitteilung für den Erwerb eigener Aktien im Jahr 2024 abgab.
Dieser Rückerwerb eigener Aktien ist aufgrund eines Aktienrückkaufangebot
der Zielgesellschaft erfolgt, welches mit Ad-hoc-Mitteilung vom 08.11.2024
angekündigt wurde.
Die Durchführung des Aktienrückkaufangebots ist aufgrund einer am 19.06.2024
gefassten Abstimmung über die Erteilung einer Ermächtigung zum Erwerb
eigener Aktien, einschließlich der Ermächtigung zur Einziehung erworbener
Aktien in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft durchgeführt worden.
Ausweislich der letzten Stimmrechtsmitteilung vom 20.12.2024 hält die
Zielgesellschaft gegenwärtig 2.085.661 eigene Westwing-Aktien (entspricht
rund 9,98 % des Grundkapitals der Zielgesellschaft).
II. Antragstellerin
Antragstellerin ist die Rocket Internet SE mit Sitz in Berlin eingetragen im
Handelsregister des Amtsgericht Charlottenburg unter HRB 165662 B.
Die Antragstellerin hält gegenwärtig unmittelbar und mittelbar 6.261.768
Westwing-Aktien (entsprechen rund 29,95 % des Grundkapitals und der
Stimmrechte).
III. Antrag
Mit auf den 18.03.2025 datierenden Schreiben beantragt die Antragstellerin
Folgendes:
"Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht befreit die Rocket
Internet SE von den Verpflichtungen zur Veröffentlichung und zur Abgabe
eines Angebots nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG, die ihr
voraussichtlich dadurch entstehen, dass die Westwing Group SE, zur
Ermöglichung der Durchführung eines Aktienrückkaufprogramms, Aktien der
Westwing Group SE einzieht".
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine
Befreiung von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die
Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft zu veröffentlichen und innerhalb
von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die
vorgenannte Gesellschaft der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln,
vorliegen.
Sofern die Zielgesellschaft zur Ermöglichung der Durchführung de
bestehenden Aktienrückkaufprogramms eigene Westwing-Aktien einziehen sollte,
wäre aufgrund der mit der Einziehung einhergehende Verringerung der
Grundkapitalziffer und damit der Gesamtzahl der Stimmrechte zu erwarten,
sodass der Kapital- und Stimmrechtsanteil der Antragstellerin von
gegenwärtig rund 29,95% auf bis zu rund 33,27% ansteigen könnte und damit
die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG überschritten wird.
Die Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 11.06.2025 zu den
Nebenbestimmungen gemäß Ziffern 2 bis 5 des Tenors dieses Bescheid
angehört. Sie hat mit Schreiben vom 16.06.2025 insbesondere zu den
Nebenbestimmungen Stellung genommen.
B. Rechtliche Würdigung
Der Antrag auf Befreiung von den Verpflichtungen der §§ 35 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist zulässig und begründet.
I. Zulässigkeit des Antrag
Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag wurde mit Schreiben vom 18.03.2025, eingegangen bei der BaFin
über das Melde- und Veröffentlichungssystem der BaFin am 18.03.2025,
formgemäß gestellt (§ 45 WpÜG).
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls gegeben.
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass er schon vor
Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt worden ist. § 8
Satz 2 WpÜG-AngVO lässt es ausdrücklich zu, dass der Antrag bereits vor
Kontrollerlangung gestellt wird. Das für eine Bescheidung erforderliche
Sachbescheidungsinteresse liegt in diesem Fall aber nur vor, wenn die
Kontrollerlangung vorhersehbar (vgl. Begr. RegE, BT- Drucks. 14/7034 v.
05.10.2001, S. 81), d. h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten
ist (Diekmann in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, §
12 Rn. 137). Dies ist vorliegend der Fall.
Für die hier einschlägige Fallgruppe der Kontrollerlangung infolge einer
Verringerung der Aktienanzahl nach § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV, ist es von
entscheidungserheblicher Bedeutung, ab welchem Zeitpunkt beim Rückerwerb
eigener Aktien durch die Zielgesellschaft mit anschließender Einziehung die
Möglichkeit der Kontrollerlangung durch die Antragstellerin hinreichend
konkret ist, um das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers bejahen zu
können.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen den materiellen Voraussetzungen einer
positiven Befreiungsentscheidung und der Frage nach dem
Rechtsschutzbedürfnis infolge einer Konkretisierung des Rückerwerbs- und
Einziehungsvorhabens.
Der bloße Umstand, dass die Hauptversammlung der Zielgesellschaft eine
Ermächtigung zum Rückerwerb eigener Aktien erteilt hat, ist ebenso wenig
ausreichend für die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses, wie der Umstand,
dass die Zielgesellschaft den Rückerwerb eigener Aktien durchgeführt hat.
Eine mögliche Kontrollerlangung der Antragstellerin setzt eine Einziehung
von Westwing-Aktien voraus und hängt überdies von den konkreten Umständen
des Einzelfalles, vor allem der Ausgestaltung des Rückerwerbsprogrammes,
sowie den aktienrechtlichen Wirksamkeitserfordernissen ab. Erfordert etwa
die konkrete Einziehungsentscheidung eine Beschlussfassung de
Aufsichtsrates über die vom Vorstand bereits beschlossene Einziehung, so ist
ein Antrag frühestens dann zulässig, wenn zu einer Aufsichtsratssitzung, auf
der über die Einziehung entschieden werden soll, eingeladen wurde.
Anders verhält es sich, wenn die Einziehung zwar noch nicht vom Vorstand
beschlossen wurde, jedoch nach dessen Beschluss auch von keiner weiteren
Handlung Dritter abhängig ist, also insbesondere auch nicht von der
Zustimmung des Aufsichtsrates abhängt.
Die Ermächtigung zur Einziehung von erworbenen Aktien richtet sich nach § 71
Abs. 1 Nr. 8 Satz 1, 6 AktG an den Vorstand der Aktiengesellschaft, der über
Einziehung eigenverantwortlich und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessen
entscheidet. (Bezzenberger in Schmidt/Lutter AktG, Band 1, 5. Auflage, § 71
Rn. 24).
Wie auch sonst im Rahmen des § 76 Abs. 1 AktG, setzen Maßnahmen der
Geschäftsführung nur bei einem entsprechenden Vorbehalt die Zustimmung de
Aufsichtsrates voraus (vgl. Bezzenberger in Schmidt/Lutter AktG, Band 1, 5.
Auflage, § 71 Rn. 23f). Die spezielle Regelung der Einziehung nach § 71 Abs.
1 Nr. 8 Satz 1, 6 AktG geht den allgemeinen Regeln über die Einziehung nach
§ 237 AktG vor (Veil in Schmidt/Lutter, AktG, Band 2, § 237 Rn. 4).
Eine Zustimmung des Aufsichtsrates kann notwendig sein, wenn die
Hauptversammlung eine solche im Ermächtigungsbeschluss vorgesehen hat. Die
ist für den Hauptversammlungsbeschluss der Zielgesellschaft vom 19.06.2024
nicht der Fall.
Anhaltspunkte für weitere Zustimmungsvorbehalte die sich beispielsweise au
der Satzung der Zielgesellschaft oder aus einer Geschäftsordnung für den
Vorstand der Zielgesellschaft ergeben könnten, sind nicht ersichtlich.
Damit besteht für die Antragstellerin ein hinreichend konkrete
Rechtsschutzbedürfnis. Denn einerseits ist eine Einziehung ohne weitere, von
der Antragstellerin in zumutbarer Weise zur Kenntnis zu nehmende,
Zwischenschritte möglich und zum anderen sind die
(Aktien-)Besitzverhältnisse derart ausgestaltet, dass eine Kontrollerlangung
im Falle einer Einziehung wahrscheinlich, jedenfalls nicht ganz fernliegend
ist (siehe hierzu unter nachstehenden Ziffer 2.).
Zwar kann im vorliegenden Fall bis zum heutigen Zeitpunkt keine Aussage zur
möglichen Einziehung von Aktien und dem Umfang einer etwaigen Einziehung
getroffen werden. Denn die Ermächtigung der Hauptversammlung lässt auch zu,
die erworbenen Aktien zu anderen Zwecken zu verwenden. Von diesen
Anwendungsfällen kann nach heutigem Stand keiner ausgeschlossen werden.
Jedoch lässt TOP 8. lit. d) des Hauptversammlungsbeschlusses eine Einziehung
von Aktien auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates der Zielgesellschaft zu.
Gleichwohl würde der Raum für auf Rechtsschutz angelegte Handlungen der
Antragstellerin ohne Not und damit übermäßig eingeengt, wenn von ihr in der
soeben geschilderten Situation erwartet würde, ihren Befreiungsantrag erst
dann zu stellen, wenn der Vorstand eine Einziehung beschlossen hat und den
Aktionären darüber eine Mitteilung macht. Es ist angesichts der vom
Verordnungsgeber eröffneten Möglichkeit der Antragstellung vor
Kontrollerlangung nach § 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung nicht
erforderlich, der Antragstellerin eine höchstens siebentägige Reaktionsfrist
abzuverlangen.
Machte die Zielgesellschaft von der Möglichkeit der Einziehung der 2.085.661
eigenen Westwing-Aktien vollständig Gebrauch, sänke die Gesamtzahl an
stimmberechtigten Aktien von 20.903.968 Westwing- Aktien auf 18.818.307
Westwing-Aktien. Bereits ab einer Absenkung der Gesamtaktienanzahl auf
20.872.560 würde die Antragstellerin die Kontrolle erlangen, vorausgesetzt,
ihr Aktienbestand von 6.261.768 Westwing-Aktien bliebe gleich oder sänke
zumindest nicht ab. Nach dem Vortrag der Antragstellerin ist davon
auszugehen, dass diese ihren Aktienbestand nicht verringern möchte. Sänke
die Aktienanzahl auf den derzeit niedrigsten durch Einziehung erzielbaren
Wert von 18.818.307 Stück ab, hielte die Antragstellerin einen
Stimmrechtsanteil von rund 33,27% an der Zielgesellschaft.
Dieser Umstand genügt, um eine hinreichend konkrete Möglichkeit der
Kontrollerlangung zu bejahen.
II. Begründetheit des Antrag
Der Antrag ist auch begründet.
1. Kontrollerwerb der Antragstellerin
Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach § 9 Satz 1 Nr. 5
WpÜG-AngebV sind erfüllt.
Die Antragstellerin würde bei Durchführung der oben unter Ziffer B. I. 2.
geschilderten Einziehung die Kontrolle infolge einer Verringerung der
Gesamtzahl der Stimmrechte an der Zielgesellschaft erlangen. Für solche,
unter dem Oberbegriff der Kontrollerlangung durch Kapitalherabsetzung
erfassten Fälle kann eine Befreiung von der Angebotspflicht erteilt werden,
wenn passende Nebenbestimmungen erlassen werden (vgl. Meyer in
Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Auflage, § 37 Rn. 46; Krause/Pötzsch/Seiler in
Assmann/Pötzsch/Schneider WpÜG, 4. Auflage, § 37 Rn. 85.)
Das ist vorliegend der Fall.
Die Einziehung von eigenen Aktien der Zielgesellschaft würde zu einer
Verringerung der Gesamtzahl der Aktien führen, gleich aus welchem
Aktienrückkaufprogramm die einzuziehenden Aktien stammen. Dies kann bei
entsprechendem Volumen der Einziehung zu einer Kontrollerlangung durch die
Antragstellerin führen (siehe hierzu Ziffer B. I. 2.).
2. Nebenbestimmung und Ermessen
Mit dem Befreiungsgrund gemäß § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV wollte der
Verordnungsgeber sicherstellen, dass Angebote nicht bloß deshalb
unterbreitet werden müssen, weil es ohne Zutun des Aktionärs zu einer
Kontrollerlangung durch diesen kam.
Diese ist aber regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn der Antragsteller
trotz Aufrechterhaltung der eigenen Beteiligungshöhe keinen weiteren
unternehmerischen Einfluss gewinnen wollte (vgl. Schmiady in Steinmeyer
WpÜG, 4. Auflage, § 37 Rn. 33). Aus diesem Grund kann eine Befreiung nur
insoweit erteilt werden, als durch geeignete Nebenbestimmungen
sichergestellt werden kann, dass der Aktionär entweder die Kontrollstellung
alsbald wieder verlässt, ohne aus der zwischenzeitlich inne gehabten
Kontrolle Vorteile gezogen zu haben oder durch andere, im Wesentlichen
gleichwertigen Maßnahmen sichergestellt ist, dass der Aktionär nicht auf die
Vorteile einer Kontrolle über einer Aktiengesellschaft zugreift.
Vortragsgemäß möchte die Antragstellerin die eigene Beteiligungshöhe
aufrechterhalten aber keinen weiteren Einfluss gewinnen wollen.
a. Zunächst erfordert dies, dass die BaFin die Befreiung widerrufen kann,
wenn die Antragstellerin trotz Befreiungsbescheides die Kontrolle
ausüben sollte. Insoweit gilt es zu verhindern, dass die Antragstellerin
Stimmrechte im Umfang von 30% oder mehr ausübt. Dies kann mit einer
Beschränkung der ausübbaren Stimmrechte erreicht werden.
Hierzu war ein Widerrufsvorbehalt zu wählen, damit die Befreiung nur
nach Bewertung der dann anstehenden Einzelfallsituation durch die BaFin
und Ausübung des Ermessens beseitigt wird. Dies gewährt die infolge
ungewisser zukünftiger Entwicklungen bei den Stimmrechtsanteilen an der
Zielgesellschaft notwendige Flexibilität und vermeidet gleichzeitig
übermäßige Härten. Andererseits ist eine Beschränkung der von der
Antragstellerin ausübbaren Stimmrechtsmacht an der Zielgesellschaft auf
den unterhalb der Kontrollschwelle liegenden Stimmrechtsanteil geboten
und angemessen. Etwaigen unvorhergesehenen oder unvorhersehbaren
Entwicklungen kann die BaFin im Rahmen ihres Ermessens Rechnung tragen.
Da die Antragstellerin die Stimmrechte bis unter 30 % auch ohne
Befolgung der Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
ausüben kann, war die Beschränkung der Stimmrechtsausübung auf diesen
Stimmrechtsanteil ausreichend und angemessen.
b. Ferner ist es erforderlich, einen weiteren Widerrufsvorbehalt
aufzunehmen, um sicherzustellen, dass die Antragstellerin auch mit einer
stimmberechtigten Beteiligungshöhe von unter 30% dauerhaft keine
Kontrollposition in der Zielgesellschaft einnimmt. Eine solche
dauerhafte Kontrollposition der Antragstellerin könnte sich sukzessive
verdichten, wenn die Zielgesellschaft weitere Einziehungen von Aktien
durchführt, sodass der verbleibende Aktienbesitz der außenstehenden
Aktionäre trotz Anmeldung der Antragstellerin zur Hauptversammlung mit
30% minus einer Aktie über keine Stimmrechtsmehrheit in der
Hauptversammlung der Zielgesellschaft verfügt.
Im Rahmen des Tenors unter Ziffer 3 ist die Zahl der Aktien, aus denen die
Antragstellerin unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Tenors unter
Ziffer 2 das Stimmrecht ausüben darf, in das Verhältnis zu der Gesamtzahl
der Aktien zu setzen, aus denen das Stimmrecht - wiederum unter
Berücksichtigung des Tenors unter Ziffer 2 - ausgeübt werden darf. Da
heißt, die Anzahl der Aktien, aus denen die Antragstellerin unter
Berücksichtigung des Tenors unter Ziffer 2 ihre Stimmrechte nicht ausüben
darf, werden weder im Zähler noch im Nenner berücksichtigt.
Die Ausgestaltung als Widerrufsvorbehalt stellt im Vergleich zu einer
Ausgestaltung als auflösende Bedingung ein milderes Mittel dar, da im Falle
der Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsermessens, die konkreten
Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden können. Denkbar ist
beispielsweise, dass die außenstehenden Aktionäre über eine
Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung verfügen, da sich die
Antragstellerin mit einem deutlich unter 30 % liegenden Anteil von
gehaltenen und zugerechneten Stimmrechten zur Hauptversammlung anmeldet. Ein
solcher Widerrufsvorbehalt ist auch geboten und angemessen, da die
Antragstellerin trotz Erlangung einer formalen Kontrollposition weiterhin
ihre unternehmerische Beteilung an der Zielgesellschaft aufrechterhalten
kann, ohne sukzessive ihre Beteiligung reduzieren oder eine Pflichtangebot
abgeben zu müssen.
c. Weiter ist erforderlich, dass die Antragstellerin die BaFin über eine
etwaige Kontrollerlangung unverzüglich informiert. Dies ist geboten,
damit die BaFin die Einhaltung des o.g. Zweckes der Befreiung
sicherstellen kann. Als Maßstab für die Information war unverzüglich zu
wählen, denn ein konkreter zeitlicher Rahmen konnte hier angesichts der
Ungewissheit der Umstände im Zeitpunkt der nicht als sicher absehbaren
Kontrollerlangung nicht sinnvoll gewählt werden.
d. Um sicher zu stellen, dass die Antragstellerin nicht 30 % oder mehr der
Stimmrechte auf einer Hauptversammlung ausübt, ist die Vorlage der
jeweiligen Stimmrechtsanmeldungen erforderlich. Das gilt sowohl für die
unmittelbare Stimmrechtsausübung durch die Antragstellerin selbst al
auch für die mittelbare Stimmrechtsausübung, also für solche
Stimmrechte, die im Auftrag oder im Namen der Antragstellerin ausgeübt
werden sollen, wie auch solche Stimmrechte, welche die Antragstellerin
im Namen oder im Auftrag von Dritten ausüben würde. Mit der Auflage
unter Ziffer 5 des Tenors kann kontrolliert werden, ob die
Antragstellerin die Bestimmungen dieses Bescheides einhält.
Aufgrund der Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist e
entbehrlich einen selbständigen Widerrufsvorbehalt für den Fall der
Nichterfüllung von Auflagen in den Tenor aufzunehmen.
e. Bei Einhaltung der zuvor geschilderten Bestimmungen überwiegt da
Interesse der Antragstellerin an einer Befreiung vom Pflichtangebot da
Interesse der anderen Aktionäre an dem Unterbreiten eine
Pflichtangebotes. Bei einem eher zufälligen, nicht in der Hand de
Bieters liegenden Überschreiten der Kontrollschwelle kann das Interesse
der anderen Aktionäre daran, dass ihnen zu ihrem Schutz vor den Plänen
des Bieters ein Pflichtangebot zu unterbreiten sei, generell nicht hoch
bewertet werden. Jedenfalls solange sich der Bieter mit der zufällig
gewonnenen Kontrolle nicht anfreundet, haben die anderen Aktionäre wenig
bis nichts zu befürchten was eine Angebotspflicht rechtfertigen würde.
Der Absicherung gegen zwischenzeitliche Eingriffe des Bieters dienen die
Widerrufsvorbehalte. Sie kommen einerseits funktional einem
Stimmrechtsverbot für den die Kontrollschwelle überschreitenden Teil der
Stimmrechte der Antragstellerin gleich und andererseits dienen sie dazu eine
neue Bewertung des Einzelfalls durchführen zu können, wenn die Beteiligung
der Antragstellerin dazu führt, dass die Antragstellerin in der
Hauptversammlung dauerhaft 50% plus eine Aktie am stimmberechtigten Kapital
an der Zielgesellschaft vertritt. Damit wird gleichermaßen den Interessen
der Aktionäre an einem Schutz vor Missbrauch Rechnung getragen wie dem
Interesse des Bieters, die einmal erlangte Anzahl an Aktien nicht oder
zumindest nicht schnell abbauen zu müssen. Der nicht nach Kontrolle
strebende Bieter hat aus dem teilweisen „Stimmrechtsausübungsverbot“ keinen,
zumindest keinen schwerwiegenden Nachteil.
Infolge des Umstandes, dass sämtliche Nebenbestimmungen nur dem Zweck
dienen, die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für den
Befreiungsbescheid sicher zu stellen, sind diese notwendig, geeignet und
angemessen.
* * *
Ende der WpÜG-Mitteilung
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