Geldpolitik

Top-Ökonomen für raschere EZB-Zinswende

Am Donnerstag entscheidet der EZB-Rat über die Geldpolitik im Euroraum. Die große Frage ist, wie er auf die wohl anhaltend hohe Inflation reagiert. Die Meinungen vieler Experten, was zu tun ist, ist eindeutig.

Top-Ökonomen für raschere EZB-Zinswende

ms Frankfurt

Unmittelbar vor der Zinssitzung des EZB-Rats am morgigen Donnerstag fordern führende Ökonomen und Geldpolitikexperten eine raschere Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB). So warnt etwa Ex-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark in einer Umfrage der Börsen-Zeitung vor einer „sich verfestigenden Inflation“ und sagt: „Die EZB kann eine solche Entwicklung nicht tolerieren und muss gegensteuern, wenn sie ihr Kernmandat ernst nimmt.“ Die Inflation im Euroraum dürfte auch zu Jahresbeginn uner­war­tet hoch bleiben. Eine erste Schätzung gibt es am heutigen Mittwoch.

Die EZB macht bislang nur zaghafte Schritte zur Normalisierung ihrer Geldpolitik – anders als etwa die US-Notenbank Fed, die inzwischen auf eine rasche und deutliche Straffung ihrer Politik zusteuert. Die EZB hält die zuletzt rekordhohe Inflation von 5% weiter vor allem für vorübergehend. Die Kritik daran nimmt aber immer mehr zu, vor allem in Deutschland.

Der Wirtschaftsweise Volker Wieland schätzt, dass die Inflation dieses Jahr im Jahresdurchschnitt bei mehr als 3% liegen wird, und er hält auch 2023 einen Wert von mehr als 2% „für gut möglich“. „Aber egal, ob die Inflation knapp drunter oder drüber liegt, die EZB muss den Leitzins nach oben anpassen“, sagt Wieland in der Umfrage der Börsen-Zeitung. Und auch der international renommierte Geldpolitikexperte und ehemalige britische Notenbanker Willem Buiter sagt: „Die Geldpolitik ist weiterhin unangemessen expansiv.“

Dagegen stützt das frühere EZB-Ratsmitglied Athanasios Orphanides den vorsichtigen Kurs der EZB. Dass die EZB-Projektionen für 2023 und 2024 mit jeweils 1,8% Inflationsraten unterhalb des EZB-Ziels von 2% voraussagten, sei „besorgniserregend“. „Es wäre ein Irrtum, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und die Politik voreilig zu straffen“, sagt Orphanides, der früher die Zen­tralbank Zyperns geleitet hat und für seine Forschung zur Geldpolitik weltweit großes Ansehen genießt.

Im Januar dürfte der er­hoffte starke Rückgang der Inflati­on im Euroraum ausgeblieben sein, wie nationale Daten nahelegen. Volks­wirte hatten zuletzt im Mittel ei­n Abflauen der Teuerung auf 4,4% prognostiziert. Nach unerwartet hohen Inflationszahlen etwa auch aus Deutsch­land scheint aber sogar denkbar, dass sie bei 5% verharrt.

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